Mittwoch, 8. Mai 2019

Gemeindebürgerrecht

Politisch spricht wenig dagegen, rechtlich habe ich Bedenken

Landtagsvotum zur Motion der Freien Liste in Bezug auf einheitliche Rechte und Pflichten aller in einer Gemeinde wohnhaften Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner

Die Motion der Freien Liste nimmt ein Thema auf, welches bereits 2014 im Rahmen einer Postulatsbeantwortung zur Debatte stand, für welche darüber hinaus das Liechtenstein-Institut damit beauftragt wurde, eine Stellungnahme in Bezug auf die Sinnhaftigkeit des Gemeindebürgerrechtes auszufertigen. Im Rahmen der Postulatsbeantwortung wurde deutlich, dass die heute geltende Unterscheidung zwischen Gemeindebürgern und anderen in der Gemeinde wohnhaften Landesbürgern insbesondere im Lichte des allgemeinen Gleichheitssatzes von Art. 31 der Verfassung kritisch zu hinterfragen ist. Diese Erkenntnis führen die Motionäre als einen Hauptgrund für die Einreichung dieser Motion an.

Im Rahmen der Postulatsbeantwortung wurden zwei Möglichkeiten dargelegt, wie dieser Missstand behoben werden könnte. Zum einen kann dies mit der Abschaffung des Gemeindebürgerrechtes oder zum anderen die Verleihung des Gemeindebürgerrechtes durch Wohnsitznahme erfolgen. Ich bin froh, dass die Motionäre beide Möglichkeiten als zu stark in das bestehende System eingreifende Varianten bewerten. Ich teile diese Meinung.

Die dritte Variante, die von der damaligen Abgeordneten Judith Oehri im Rahmen der Debatte um die Postulatsbeantwortung in die Diskussion eingebrachte wurde, hat zum Inhalt, dass das Gemeindebürgerrecht erhalten bleiben soll, jedoch klargemacht wird, dass diese Herkunft nicht mit unterschiedlichen Rechten verbunden sein darf. Diese Variante wird von den Motionären bevorzugt und mittels dieser Motion soll der Regierung der Auftrag gegeben werden, eine derartige Gesetzesänderung dem Landtag zu unterbreiten, mit welcher alle in einer Gemeinde wohnhaften liechtensteinischen Bürgerinnen und Bürger mit einheitlichen Rechten und Pflichten ausgestattet werden sollen.

Politisch betrachtet spricht wenig gegen eine Überweisung dieser Motion. Rechtlich habe ich Bedenken. Es stellen sich mir Fragen, die genauestens abgeklärt werden sollten. Zum Tragen kommt dieser Unterschied nämlich hauptsächlich bei Volksabstimmungen über die Erlangung des Gemeindebürgerrechtes, also bei Einbürgerungen. Heute können ausschliesslich die Bürger einer Gemeinde, welche auch in ihrer Bürgergemeinde wohnen, an einer solchen Volksabstimmung teilnehmen. In anderen Worten ausgedrückt heisst dies: Mitglieder einer Gemeinschaft stimmen darüber ab, ob jemand in ihre Gemeinschaft aufgenommen wird oder nicht.

Der Vorschlag von Judith Oehri in derselben Wortwahl bedeutet: Nichtmitglieder einer Gemeinschaft stimmen mit darüber ab, ob jemand in eine Gemeinschaft, zu welcher sie gar nicht gehören, aufgenommen wird oder nicht. Dies wäre etwa gleichbedeutend, wie wenn ich beispielsweise darüber mitentscheiden könnte, ob jemand in den Verein Holzkreislauf aufgenommen wird, obwohl ich dem Verein Holzkreislauf selbst gar nicht angehöre.

Ist es überhaupt zulässig, dass jemand, der selbst einer Gemeinschaft nicht angehört, darüber mitbefinden kann, ob jemand anderer dieser Gemeinschaft beitreten kann? Ich habe Zweifel, dass dies möglich ist, weshalb ich die Regierung bitte, hierzu konkrete Ausführungen zu machen.

Ein weiteres Argument für diese Motion nennen die Motionäre am Ende ihres Begründungstextes. Sie wollen gemäss eigener Aussage damit ein Argument gegen die Einführung des Stimm- und Wahlrechts für Auslandliechtensteinerinnen und -liechtensteiner, gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, gegen die Verkürzung der Wohnsitzpflicht für Einbürgerungen und andere gesellschaftlichen Veränderungen, wie sie es betiteln, aus der Welt schaffen. Für mich persönlich stellen diese gesellschaftspolitischen Fragen kein Argument für oder gegen die Überweisung dieser Motion dar. Meines Erachtens müssen diese Fragen komplett losgelöst vom Inhalt dieser Motion bewertet werden, weshalb für mich eine Zustimmung zur Motion nicht mit den anderen genannten Themenbereichen in Verbindung gebracht werden darf.

Wie gesagt ist das Ansinnen der Motionäre politisch unterstützungswürdig. Man muss sich jedoch klar sein, dass das Hauptargument der unterschiedlichen Rechte und Pflichten von Bürgerinnen und Bürgern in einer Gemeinde nicht gänzlich abgeschafft wird. Zumindest in jenen Gemeinden, welche eine Bürgergenossenschaft besitzen, wird es weiterhin Unterschiede geben, auch wenn diese anders gelagert sind. Festzuhalten ist jedoch, dass auch Bevorzugungen von Genossenschaftsmitgliedern abseits von land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsansprüchen kritisch zu sehen sind, wie in der Postulatsbeantwortung nachgelesen werden kann. Somit wird mit dieser Motion nicht gänzlich das erreicht, was sich die Motionäre erhoffen.

Aber es wird 2014 auch festgehalten, dass die beiden von der Regierung bzw. vom Liechtenstein-Institut dargelegten Varianten unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes dem jetzigen Rechtszustand vorzuziehen seien. Da der Vorschlag von Judith Oehri, auf welchen sich die Motionäre beziehen, 2014 jedoch nicht näher untersucht wurde, sondern von Judith Oehri erst im Rahmen der Debatte zur Postulatsbeantwortung eingebracht wurde, wurde hierzu weder von der Regierung noch vom Liechtenstein-Institut eine abschliessende rechtliche Bewertung abgegeben.

Aus diesem Grunde hätte ich es bevorzugt, wenn vorab mittels eines Postulats die rechtlichen wie gesellschaftspolitischen Auswirkungen dieser dritten Variante abgeklärt worden wären. Aus diesem Grunde wollte ich die Motionäre anfragen, ob sie sich vorstellen könnten, die Motion in ein Postulat umzuwandeln, um die notwendigen Abklärungen in Auftrag zu geben. Ich kann die Ungeduld der Freien Liste verstehen, wurde doch 2014 von Seiten des damaligen Vizeregierungschefs Thomas Zwiefelhofer versprochen, diese Thematik einer Lösung zuführen und die gänzliche Verfassungskonformität herstellen zu wollen. Knapp fünf Jahre sind seither vergangen - ohne erkennbare Weiterentwicklung. Dass nun mittels einer Motion Nägel mit Köpfen gemacht werden sollen, ist unter diesem Aspekt verständlich.

Bei dieser sensiblen Thematik erscheint mir der Zeitaspekt jedoch sekundär. Wichtiger ist meines Erachtens, dass eine Lösung gefunden wird, mit welcher rechtlich keine Unsicherheiten offengelassen werden. Für die Motionäre ist heutige Regelung zu Recht ein verfassungsrechtlich problematisches Gesetz. Wir sollten sicher sein, dass wir ein verfassungsrechtlich problematisches Gesetz nicht durch ein neues verfassungsrechtlich problematisches Gesetz ersetzen. Diese Sicherheit wäre mit einem Postulat mehr gewährleistet als mit einer Motion, auch wenn dies unter Umständen zu einer zeitlichen Verzögerung führen würde.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen