Sonntag, 24. Februar 2019

Neuausrichtung Geburtszulage

Entscheidungshoheit soll von Brüssel nach Vaduz zurückgeholt werden

Meine Antwort auf die LIEWO-Frage vom 24. Februar 2019

Mit dem Vorschlag zur Neuausrichtung der Geburtszulage wird gefordert, dass Geburtszulagen in Zukunft nicht mehr zwingend ins Ausland gezahlt werden müssen. Es wird vorgeschlagen, der Regierung den Auftrag zu geben, die Geburtszulage in den Anhang I der entsprechenden EU-Verordnung eintragen zu lassen, wodurch der Export ausgeschlossen werden könnte - jedoch nicht müsste. Ziel des Vorstosses ist es, Liechtenstein die alleinige Entscheidungshoheit in Bezug auf die Ausrichtung der Geburtszulage ins Ausland zurückzugeben. Eine solche Staatsvertragsänderung ist auch gemäss Regierung ein gangbarer Weg, der aber einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Eine Streichung der Auszahlung der Geburtszulage ins Ausland wäre nur mit einer Abänderung des Familienzulagengesetzes möglich, welche aber derzeit nicht zur Diskussion steht, da zuerst der Staatsvertrag angepasst werden müsste.

Persönlich begrüsse ich diesen Vorstoss. Wenn es schon einen Weg gibt, dass über solche Zahlungen ins Ausland in Vaduz und nicht in Brüssel entschieden werden kann, sollten wir ihn gehen. Eine endgültige Abschaffung gilt es dann aber genauestens zu prüfen. Dies hauptsächlich deshalb, da die Geburtszulage aus der Familienausgleichskasse (FAK) bezahlt wird, welche ausschliesslich von den Arbeitgebern gespiesen wird. Somit handelt es sich - im weiteren Sinn - um Gelder der Arbeitgeber, weshalb die Auswirkungen auf die Arbeitsmarktattraktivität vorab genauestens evaluiert werden sollten.

Dienstag, 12. Februar 2019

Gemeindegesetz Grundmandatserfordernis

Stärkung der Demokratie auf Gemeindeebene


Die Freie Liste möchte wiederholt das Grundmandatserfordernis bei der Reststimmenzuteilung bei Wahlen auf Gemeindeebene abschaffen. Damit soll auch jenen Parteien die Möglichkeit zum Einzug in den Gemeinderat gegeben werden, welche weniger Stimmen als die Wahlzahl (das sog. Grundmandat) erhalten. Ein solcher Fall kann jedoch nur dann eintreten, wenn auf eine solche Partei auch am meisten Reststimmen entfallen.


Im Rahmen der Debatte zu einer Motion der Freien Liste im Jahre 2015 wurde im Landtag von verschiedenen Votanten das Wahlergebnis der Gemeinderatswahl in Balzers von 2015 herangezogen. Das überrascht nicht, war es doch in Balzers, wo landesweit in Bezug auf die Restmandatsverteilung das extremste Resultat zustande kam. 16 Prozent Wählerstimmen blieben bei der Mandatsverteilung unberücksichtigt. Ein hoher, für mich ein zu hoher Wert. Vergleichbar ist diesbezüglich nur noch Triesenberg und Vaduz, da nur dort sowohl die Freie Liste wie auch DU-die Unabhängigen zur Wahl antraten und beide keinen Sitz gewinnen konnten. In Triesenberg fielen so 10.9 Prozent, in Vaduz 13.3 Prozent der Stimmen durch das Raster. 

Diese Zahlen mit über 10 Prozent Wählerstimmen ohne Sitzgewinn belegen, dass das Ansinnen, welches die Freie Liste beantragt, gerechtfertigt ist. Schliesslich geht es mit diesem Antrag nicht darum, das Grundmandatserfordernis in Frage zu stellen, sondern ausschliesslich bei den Reststimmen auch jene Parteien zu berücksichtigen, welche kein Grundmandat erringen konnten.

Die heutige Regelung des Grundmandatserfordernisses bei der Reststimmenzuteilung stammt aus dem Jahre 1974. Somit resultiert sie aus einer Zeit, in welcher Parteien wie 'Freie Liste', 'DPL' oder 'DU-die Unabhängigen' noch nicht existierten. Man kannte nur das Zweiparteiensystem aus FBP und VU. Es war damals nicht vorstellbar, dass sich vier oder sogar fünf Parteien für Sitze in einem Gemeinderat bewerben. Die Zeiten haben sich also geändert und wie bei vielen anderen Gesetzen üblich, sollte man auch das Gemeindegesetz in dieser Bestimmung nach neuen Gegebenheiten ausrichten.

Die Abschaffung des Grundmandatserfordernisses bei der Reststimmenzuteilung ist diesbezüglich ein möglicher Lösungsansatz und würde das Gemeindegesetz an die neuen Gegebenheiten anpassen. Grosse Sitzverschiebungen sind dadurch eh nicht zu erwarten, da es einerseits meistens nur ein Restmandat zu verteilen gibt und andererseits dieses auch Parteien zufallen kann, welche bereits das Grundmandat erreicht haben.

Auch Verfälschungen des Wahlergebnisses sind ausgeschlossen, da jene Parteien, welche das Grundmandat erreicht haben, die Mehrheit in einem Gemeinderat behalten werden. Somit wird Mehrheit Mehrheit bleiben. Die Abschaffung hilft aber, den Prozentsatz an Stimmen, welche nicht im Gemeinderat vertreten sind, auf ein Mass zu senken, das demokratiepolitisch vertretbar ist. Über 10 Prozent der Stimmen, die durch das Raster fallen, ist mir zu hoch. Oberste Prämisse sollte es sein, dass sich auch die Minderheiten von einem demokratisch gewählten Gremium vertreten fühlen. Wenn sich mehr als jede zehnte Wählerin oder Wähler nicht repräsentiert fühlt, ist das eine hohe, zu hohe Anzahl. Somit kann ich das Ansinnen der Freien Liste unterstützen.

Die Abschaffung des Grundmandatserfordernisses für die Reststimmenzuteilung ist aber nur ein gangbarer Weg, dieses Demokratiedefizit aufzuheben. Ein anderer Weg wäre - analog zu Landtagswahlen - eine Sperrklausel einzuführen. Bei Landtagswahlen muss eine Partei 8 Prozent der Stimmen auf sich vereinen, um in den Landtag einzuziehen. Meines Erachtens wäre es prüfenswert, ob es nicht sinnvoller wäre, das Wahlsystem der Landtagswahlen und jenes der Gemeindewahlen zu vereinheitlichen. 

Diese Vereinheitlichung hätte den positiven Aspekt, dass ausgeschlossen wäre, dass eine Partei in den Gemeinderat einzieht, welche nur sehr wenige Stimmen auf sich vereinen konnte. Je nach Konstellation wäre dies nämlich bei der Abschaffung des Grundmandatserfordernisses für die Reststimmenzuteilung möglich. Die Einführung einer Sperrklausel bei Gemeindewahlen böte die Sicherheit, dass jede im Gemeinderat vertretene Partei zumindest einen gewissen Prozentsatz der Wählerstimmen auf sich vereinen muss. Ein Sitzgewinn mit unter Umständen nur einem Prozent Wähleranteil - oder sogar noch weniger - wäre damit ausgeschlossen. Bei der Abschaffung des Grundmandatserfordernisses für die Reststimmenzuteilung könnte ein solcher der Fall eintreten - auch das wäre demokratiepolitisch fragwürdig.

Starke direktdemokratische Strukturen entsprechen meiner persönlichen grundlegenden Auffassung von Demokratie. Ein Wahlsystem sollte kleine Parteien nicht benachteiligen, sondern ihnen die gleichen Chancen wie grösseren Parteien zugestehen, um in Gremien einzuziehen. Demokratie lebt von politischer Vielfalt. Sie bildet das Fundament für öffentliche Diskussionen - in den Medien wie auch in vom Volk gewählten politischen Gremien. Ohne politische Vielfalt gäbe es keine Auseinandersetzung und keinen Wettbewerb um die besseren Ideen und Lösungen.

Die heute gültige Regelung aus dem Jahre 1974 entspricht nicht mehr den aktuellen Gegebenheiten. Eine Revision dieser Bestimmung ist deshalb notwendig. Wichtig ist, dass eine Regelung gefunden wird, welche den aktuellen politischen Gegebenheiten Rechnung trägt und der Demokratie zuträglich ist. Die heute gültige Regelung mag beidem nicht mehr zu genügen.