Das Ende des Volksblatts ist einschneidend und demokratiegefährdend
Gastbeitrag für die letzte Ausgabe
des Liechtensteiner Volksblatts vom 5. März 2023
Ab Montag ist die Medienlandschaft Liechtensteins nicht mehr das, was sie war. Heute erscheint das Volksblatt zum letzten Mal. Damit schliesst nicht nur ein privatwirtschaftliches Unternehmen seine Tore, sondern es endet auch ein Stück Geschichte unseres Landes. Gehörte es doch zur DNA Liechtensteins, zwei Tageszeitungen zu haben - eine schwarze und eine rote. Es war Teil unserer Identität.
Klar täuschte das Gefühl oft nicht, dass in beiden Zeitungen das gleiche zu lesen war, weshalb die Frage, ob zwei Zeitungen überhaupt notwendig seien, gerechtfertigt erschien. Hauptsächlich fanden sich in den Berichterstattungen über das kulturelle, gesellschaftliche, sportliche oder auch wirtschaftliche Leben unseres Landes im Volksblatt und Vaterland deckungsgleiche oder zumindest sehr ähnliche Berichte. Dem Eingesandt sei Dank. Und wäre es nur um diese Themenbereiche gegangen, hätte eine Tageszeitung schon lange ausgereicht. Doch darum geht es nicht - zumindest nicht ausschliesslich. Denn Tageszeitungen haben eine viel bedeutendere Aufgabe, als ‘nur’ zu berichten.
Viel zentraler sind die Kritik- und Kontrollfunktion der Massenmedien, welche auch als 4. Gewalt des Staates bezeichnet wird, sowie die Aufgabe, politisch zu informieren und einen Beitrag zur Meinungsbildung zu leisten. In Bezug auf diese Aufgaben von Medien und speziell auch von Tageszeitungen ist das Ende des Volksblatts einschneidend und demokratiegefährdend. Folgendes gilt es diesbezüglich zu bedenken:
1.) Wie zentral unsere Tageszeitungen für die politische Meinungsbildung der Bevölkerung sind, kann praktisch aus jeder Umfrage des Liechtenstein-Instituts entnommen werden. Die beiden Landeszeitungen sind nach den persönlichen Gesprächen die zweitwichtigste Informationsquelle im Vorfeld von Urnengängen. Die Informationen im Internet, welche überwiegend ebenfalls von Volksblatt und Vaterland zur Verfügung gestellt werden, folgen auf dem dritten Rang. Es steht somit ausser Frage, dass die Einstellung des Volkblatts inkl. ihrer Internetseite Auswirkungen auf die Meinungsbildung der Bevölkerung haben wird und es heute noch nicht abschätzbar ist, wie sich der Meinungsbildungsprozess der Bevölkerung verändern wird. Auch wenn Volksblatt und Vaterland inhaltlich keine reinen Parteizeitungen mehr waren und sind, so war bis heute ihre parteipolitische Tendenz erkennbar. Dies war auch gewollt und lässt sich auch aus den Umfragen des Liechtenstein-Instituts belegen. Oft war es so, dass FBP nahe Personen sich eher durch das Volksblatt und VU-Sympathisanten eher durch das Vaterland informierten. Dieses Grundmuster der liechtensteinischen Meinungsbildung gehört nun der Vergangenheit an.
2.) Verändern wird sich nicht nur die politische Information der Bevölkerung, sondern auch die Umsetzung der Kritik- und Kontrollfunktion der Massenmedien. Das neue Redaktionsstatut des Vaterlandes, mit welchem Ausgewogenheit und Unabhängigkeit zu den Grundsätzen der redaktionellen Arbeit gehören sollen, muss den Beweis zuerst erbringen, dass es mehr als ein Papiertiger ist. Unreflektierte und unkritische Zusammenfassungen von Berichten der Regierung sind mit Ausgewogenheit und Unabhängigkeit nicht in Einklang zu bringen. Eine Zeitung ist keine PR-Maschine von Regierenden - unabhängig der Parteizugehörigkeit. Recherchierte Berichte inkl. das zu Wort kommen lassen von kritischen, andersdenkenden Stimmen und erwähnen von Fakten, welche die Meinung des Autors bzw. der Autorin zuwiderlaufen, muss jetzt zur Tagesordnung gehören.
Keine Frage, mit dem Ende des Volksblatts geht Medienvielfalt verloren. Was die eine Zeitung verschweigt, kann bei der anderen die Hauptschlagzeile sein. Diese Medienvielfalt fällt weg und dies ist für die Demokratie unseres Landes eine grosse Gefahr. In Zukunft entscheidet eine vierköpfige Chefredaktion, was in Liechtenstein eine Schlagzeile wert ist bzw. was diskutiert werden soll und - was nicht unterschätzt werden darf - über was nicht berichtet wird.
Demokratiepolitisch ist nämlich nicht zu unterschätzen, dass im Tagesprintbereich die Macht, über was nicht berichtet wird, ab sofort bei einem Medium zentriert ist. Man kann auch in die eine oder andere Richtung Tendenziös sein, indem man über gewisse Dinge nicht berichtet bzw. sie verschweigt. Eine gegenseitige Kontrolle der Tagespresse untereinander gibt es nicht mehr. Sie wird fehlen. Auch dies eine ernstzunehmende Entwicklung.
Eine Umfrage von 2018 zu Medien und Medienförderung in Liechtenstein ergab, dass für über 80 Prozent der Bevölkerung die Informationen über die liechtensteinische Politik die Haupterwartung an die Medien ist. Mehr noch: Gerade die Kritik- und Kontrollfunktion ist für die Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner von grösster Bedeutung. Wilfried Marxer zieht darin das Resümee: «Im Hinblick auf die Kontroll- und Kritikfunktion von Medien wird von den Befragten besonders stark die Objektivität und Neutralität von Berichten hervorgehoben. Mehr als 90 Prozent erachten dies als wichtig oder sehr wichtig. Aber auch die anderen Qualitätsmerkmale von Medien finden grosse Zustimmung: Aktualität, Recherche und Hintergrundinformationen wie auch die Funktion der Medien als vierte Gewalt.» Es dürfte unbestritten sein, dass das Ende des Volksblatts und die damit einher gehende Entwicklung des Medienplatzes Liechtenstein diesen Wünschen der Bevölkerung zuwiderlaufen.
Medienvielfalt ist das Fundament der Demokratie, gerade auch in direkten Demokratien wie wir eine sind. Umfragen des Liechtenstein-Instituts belegen auch, dass Radio L, 1FLTV oder Lie:Zeit dieses Defizit an Medienvielfalt nicht mindern werden können. Verlierer der Schliessung des Volksblatts ist somit die Demokratie unseres Landes. Genau deshalb ist die Politik nun gefordert und sie muss den Ergebnissen der Umfrage von 2018 Rechnung tragen.
An folgenden Punkten wird sie nicht umhinkommen:
1.) Im Landtag vertretenen Parteien muss verboten werden, sich direkt oder indirekt an Massenmedien zu beteiligen. Mandatare in Regierung und Landtag, Vorsteher, Gemeinderäte und Parteienvertreter muss es untersagt werden, in Führungsgremien von Medienunternehmen Einsitz zu nehmen.
2.) Die Medienförderung muss neu ausgerichtet werden. Objektivität, Neutralität und Ausgewogenheit müssen die Grundparameter sein, um Medienförderung zu erhalten. Der Medienkommission müssen neu Kontrollfunktionen übertragen werden. Die Gewährung von Medienförderung für den Online-Bereich ist zwingend und muss gesetzlich verankert werden.
3.) Es müssen Grundlagen geschaffen werden, dass wieder eine pluralistische Medienlandschaft im Printbereich entstehen kann. Ob ein privatwirtschaftliches Fundament mittels Erhöhung des Staatsbeitrages für die Medienförderung geschaffen oder ob ein staatlichen Medienunternehmen, in welches Radio L und 1FLTV integriert werden, gegründet werden soll, wie es die Freie Liste einst zur Diskussion stellte, ist ergebnisoffen zu prüfen.
4.) Die Förderung für journalistische Aus- und Weiterbildungen im In- und Ausland muss verstärkt werden.
Regierung und Landtag dürfen die Schliessung des Volksblatt nicht einfach als privatwirtschaftliche Entscheidung abtun. Däumchendrehen und Nichtstun werden nicht ausreichen. Die Politik ist der Demokratie unseres Landes verpflichtet, diese haben sie zu schützen und zu stärken - jetzt mehr denn je.
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