Mittwoch, 2. Oktober 2019

Petition Moratorium Mobilfunkantennen

5G: Wir müssen mitmachen - ob wir wollen oder nicht

Landtagsvotum zur Petition Moratorium Mobilfunkantennen

Die Diskussion um Strahlengrenzwerte und Standorte von Mobilfunkantennen ist bei uns vermutlich so alt wie das Mobilfunknetz selbst. Das ist auch nicht verwunderlich, steckt man bei diesem Thema doch im Dilemma zwischen privaten und wirtschaftlichen Interessen bzw. Standortattraktivität einerseits und gesundheitlichen Auswirkungen andererseits. Dieses Dilemma wird sich erst gänzlich auflösen lassen, wenn mittels Langzeitstudien die gesundheitlichen Auswirkungen der elektromagnetischen Strahlung endgültig erforscht sind und keinerlei Zweifel mehr bestehen, ob es solche gibt und falls ja in welchem Umfang.

Im tiefen Frequenzbereich senden bereits die älteren Mobilfunkstandards. Diesbezüglich existieren viele Studien, welche keine Gefährdung finden konnten. Die einzigen biologischen Effekte, die prinzipiell nachweisbar sind, werden durch Erwärmung verursacht. Diese sollten aber innerhalb der geltenden Grenzwerte nicht auftreten.

Im hohen Frequenzbereich ist die wissenschaftliche Studienlage deutlich dürftiger und zudem beruhen die Grenzwerte teilweise auf Hochrechnungen und nicht auf Experimenten. Dennoch befürchten Fachleute auch hier keine Gefährdung der Bevölkerung. Dies vor allem deshalb, weil die hochfrequenten Felder im Millimeterwellen-Bereich vor allem an der Körperoberfläche absorbiert würden. Wie im Niederfrequenzbereich sei auch im Hochfrequenzbereich die Energie der Strahlung viel zu gering, als dass sie im Körper nebst thermischen auch chemische Veränderungen bewirken könne.

Dies zeigt, dass heute noch nicht mit 100-prozentiger Sicherheit gesagt werden kann, dass elektromagnetische Strahlung überhaupt keine negativen Auswirkungen auf die Gesundheit hat, weshalb ich den Petitionären Verständnis entgegenbringe, dass sie sich Sorgen um die gesundheitlichen Auswirkungen der elektromagnetischen Strahlung machen. Diese Diskussion wird momentan nicht nur in Schaan, sondern schon seit längerem in Schellenberg geführt. Wenn man beide Diskussionen verfolgt zeigt sich, dass in weiten Teilen der Bevölkerung grosse Unsicherheit vorhanden ist.

Doch lässt sich diese Unsicherheit mit dem von den Petitionären gewünschten Moratorium reduzieren? Ich denke nein. Die Thematik ist zu komplex, um mit den von den Petitionären geäusserten Forderungen Verbesserungen zu erzielen. Im Gegenteil, ich bin sogar überzeugt, dass ein Moratorium nachteilig ist, da es im Interesse von uns allen sein sollte, eine sehr gute Abdeckung zu haben, da damit die Strahlenbelastung reduziert werden kann. Martin Röösli, Professor für Umweltepidemiologie am Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institut, Leiter der Expertengruppe, die das Bundesamt für Umwelt berät, Mitglied der Arbeitsgruppe Mobilfunk und Strahlung, die vom Bundesrat mandatiert wurde, sowie Mitglied der Internationalen Kommission für den Schutz vor nichtionisierender Strahlung gab im August dieses Jahres der WOZ ein Interview. Darin betont er: 
«Ist die Verbindung schlecht, werden sie viel stärker belastet. Will man keine Strahlung im Haus, müsste man das Handy sofort abstellen, sobald man ins Haus kommt. Sonst sucht es ständig nach dem Netz und strahlt relativ stark, wenn die Abdeckung schlecht ist. Bei schlechter Verbindung bekommt man 100 000-mal mehr Strahlung ab.»
Des Weiteren betont er, dass beim Telefonieren der Kopf bis zu 2 Watt pro Kilogramm abbekomme, die Ganzkörperstrahlenbelastung durch Antennen beim schweizerischen Anlagegrenzwert maximal nur 0,0008 Watt pro Kilogramm betragen würde. Kürzlich sei in einer Untersuchung festgestellt worden, dass die Umweltstrahlenbelastung in allen Ländern etwa gleich gross sei - egal ob in einem Land ein hoher oder ein tiefer Grenzwert gelte. Die Dichte des Netzes und die Anzahl Nutzer würden die Strahlenbelastung bestimmen, nicht der Grenzwert.

Diese Aussagen belegen die Komplexität dieses Themas. Diese wird mit der Einführung des 5G Standards nicht abnehmen. Klar ist, dass viel mehr Antennen aufgestellt werden müssten, sollten die heute geltenden Grenzwerte beibehalten werden. Dies hätte zur Folge, dass mehr Leute nahe an einer Antenne leben und somit relativ hoch belastet werden, so Löösli im besagten WOZ-Interview.

In Liechtenstein wird dies nicht anders sein. Bei uns liegen die Grenzwerte heute um einen Faktor 10 unter jenen der von der Weltgesundheitsorganisation WHO vorgeschlagenen Grenzwerte. Sollten die Grenzwerte auf dem bestehenden Niveau beibehalten werden, müsste die Anzahl an Makrostandorten für den Aufbau von 5G mindestens verdoppelt werden. Somit wird das Ausmass an neuen Antennenstandorten durch die Grenzwerte bestimmt. Die Telecom Liechtenstein schliesst sich in der Handhabung den Forderungen der Swisscom in der Schweiz an, die Grenzwerte für nichtionisierende Strahlung um den Faktor 4 anzuheben und den Grenzwert pro Netzbetreiber anzuwenden und nicht pro Antennenstandort. Mit diesem neuen Niveau der Grenzwerte könnte einerseits eine verbesserte Versorgung mit den bestehenden Mobilfunkstandards erreicht und für 5G die Anzahl der zusätzlich erforderlichen Standorte um rund 40% reduziert werden; gleichzeitig könnte mit den bestehenden Standorten eine rasche partielle Versorgung mit 5G realisiert werden.

Wenn ich diesen Wunsch der Telecom Liechtenstein mit den Aussagen von Professor Löösli in der WOZ kombiniere, kann dies auch aus gesundheitspolitischen Überlegungen durchaus Sinn machen. Denn wir können es drehen und wenden wie wir wollen: Wir werden um die Einführung des 5G Standards nicht herumkommen, wenn wir in Sachen Kommunikationsinfrastruktur und Standortattraktivität nicht abgehängt werden möchten. Dies umso mehr, als in der Schweiz der 5G-Ausbau massiv vorangetrieben wird und sich beispielsweise die Swisscom das Ziel gesetzt hat, bis Ende Jahr über 90 Prozent der Schweiz mit der neuen Mobilfunkgeneration abzudecken.

Hinsichtlich der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verfügt Liechtenstein als innovatives Industrieland und einer Bevölkerung mit hoher Kaufkraft über beste Voraussetzungen für eine rasche Nachfrage von 5G Services, so die Telecom Liechtenstein. Die aktuelle Datennachfrage bestätigt dies, wird in Liechtenstein doch aktuell eine jährliche Verdopplung der Datenmenge festgestellt, was auch dem internationalen Trend entspricht. Und deshalb werden sich weder Industrie noch Gewerbe und auch nicht der Finanzdienstleistungssektor die neuen Möglichkeiten, welche sich mit 5G bieten, entgehen lassen wollen. Sie werden über kurz oder lang zu einer zentralen Frage in Bezug auf die Standortattraktivität des Wirtschaftsstandortes Liechtenstein werden. Wenn wir diesbezüglich konkurrenzfähig bleiben wollen, werden wir eine optimale 5G-Infrastruktur installieren und anbieten müssen.

Denn sie bietet Chancen:

Beispielsweise als ultra-schnelles mobiles Breitband. Anwendungen im Gebiet der virtuellen oder erweiterten Realität sind mit 5G-Technik darstellbar. Solche Anwendungen benötigen auf den Punkt genau hohe Datenraten und eine grosse Kapazität. Ihr Einsatzgebiet kann vom mobilen Reparaturservice lokaler Handwerker bis hin zum medizinischen Operationssaal genutzt werden.

Beispielsweise als Kommunikation zwischen Maschinen. Die Vernetzung von Märkten, Branchen, Industrien und der Gesellschaft wird sich weiter verändern. Steht heute die Vernetzung von Menschen im Vordergrund, wird es in Zukunft um die Vernetzung von Dingen gehen. Begriffe wie Industrie 4.0, Maschine-zu-Maschine-Kommunikation oder das Internet der Dinge beschreiben die Vernetzung von Maschinen und Geräten aller Art. Dabei geht es sowohl um Industrie- und Produktionsanwendungen als auch um die Anbindung und Vernetzung vieler Alltagsdinge.

Beispielsweise als Hoch-Zuverlässigkeitsnetz. Für das derzeit viel diskutierte vernetzte Fahren und den autonom fahrenden öffentlichen Personennahverkehr werden wiederum andere Anforderungen an die Netze gestellt: Ultraschnell und zuverlässig müssen die Informationen übermittelt werden. Das bedeutet, dass Daten nahezu in Echtzeit übertragen werden müssen, was mit 5G möglich wird. Bei Anwendungen wie dem autonomen Fahren kommt hinzu, dass höchste Zuverlässigkeit des Übertragungsnetzes erforderlich ist. Auch für spezielle schnell ablaufende Prozesse, wie bildgebende Verfahren in der Medizin oder der Industrie, sind solche Netze notwendig.

Diesbezüglich ist es von Wichtigkeit zu betonen, dass Wireless-LAN und der Ausbau des Glasfasernetzes für vieles nicht genügen wird, da beispielsweise Echtzeitübertragungen damit nicht möglich sein werden. Somit ist Wireless-LAN beispielsweise für fahrerlose Transportsysteme nicht geeignet. Auch für grosse Teile der Industrie 4.0 wird Wireless-LAN und Glasfaser nicht ausreichen, da die superschnellen Reaktionszeiten damit nicht mit jenen von 5G mithalten können. Es ist heute schon klar, dass das eine das andere nicht ersetzt, sondern sie sich höchstens ergänzen. Deshalb ist es trotz 5G unabdingbar, dass der Glasfaserausbau der LKW weiter vorangetrieben wird und es von Vorteil ist, dass die LKW über dem ursprünglich gedachten Zeitplan liegen.

5G wird ein Technologieschritt, der die Wirtschaft verändern wird und wollen wir konkurrenzfähig bleiben, müssen wir diesen Schritt mitmachen - ob wir wollen oder nicht. Doch dies wird weitere Diskussionen um Grenzwerte, Mobilfunkantennenstandorte und Gesundheitsverträglichkeit auslösen. Diese sind richtig und wichtig und deshalb ist es von Bedeutung, dass diese Diskussionen sachlich, faktenorientiert und transparent geführt werden.

Und deshalb bitte ich die Regierung, ihre Strategie und ihr Vorhaben in Bezug auf den Ausbau der digitalen Infrastruktur nun so rasch als möglich öffentlich zu machen. Im Regierungsprogramm wird ausgeführt, dass der Aufbau eines mobilen 5G-Netzes unterstützt wird. Wie soll diese Unterstützung aussehen?

- Setzt die Regierung auf tiefere Grenzwerte und dafür mehr Antennenstandorte?

- Wie hoch sollen die Strahlengrenzwerte angehoben werden?

- Ist die Regierung gewillt, die internationale Norm für Berechnungsmethodik für den Sicherheitsabstand von Antennen in Liechtenstein zu übernehmen.

- Ist die Regierung gewillt öffentliche Gebäude als Antennenstandorte anzubieten?

- Von welchem Zeitplan geht die Regierung bei der Einführung des 5G-Standards aus?

- Kann die Telecom Liechtenstein die Investitionen von knapp 4 Mio. Franken für den Ausbau der 5G Technologie selbst tragen oder wird das Land finanziell einspringen können?

Herr Regierungschef-Stellvertreter, die heutige Diskussion um diese Petition bietet nun die Chance, nicht nur den Petitionären, sondern der gesamten Bevölkerung reinen Wein einzuschenken. Die Zeit, in welcher im stillen Hinterzimmer an der Einführung von 5G gearbeitet wird, sollte mit dem heutigen Tag vorbei sein. Es gilt Transparenz zu schaffen. Es gilt Aufklärung zu betreiben. Der Bevölkerung die gesundheitsrelevanten Bedenken und den Respekt vor der neuen Technologie zu nehmen oder sie von der Notwendigkeit von 5G zu überzeugen, wird nicht funktionieren, wenn man alle Vorhaben weiterhin unter Verschluss hält und ein Staatsgeheimnis daraus macht.