Montag, 28. Dezember 2020

Wahlhilfe.li: Themen Finanzen & Steuern sowie Wirtschaft & Arbeit

Raumplanung sollte Teil des Finanzausgleichs werden

Beantwortung und Kommentierung der Fragen von wahlhilfe.li


Finanzen & Steuern


Soll die Aufteilung von Ausgaben und Einnahmen zwischen Gemeinden und Land zugunsten des Landes angepasst werden?

Antwort: Eher Ja

Kommentar: Die Steuerkraftunterschiede zwischen den Gemeinden haben sich in den letzten Jahren negativ entwickelt. Auf der einen Seite Vaduz und Schaan, welche sehr hohe Reserven bilden konnten und jedes Jahr einen Überschuss in Millionenhöhe generieren. Auf der anderen Seite Gemeinden, welche keine Möglichkeit haben, den Gemeindesteuerzuschlag auf 150 % zu senken. Dieses Ungleichgewicht gehört reduziert, da es auch dem gesellschaftlichen Zusammenhalt unter der Bevölkerung nachteilig ist.


Soll zwischen den Gemeinden ein horizontaler Finanzausgleich eingeführt werden?

Antwort: Eher Ja

Kommentar: Die Raumplanung sollte Teil des Finanzausgleichs werden. Dann bestände bspw. die Möglichkeit, dass jene Gemeinden entlang der Autobahn die Industrie- und Gewerbezonen erweitern und andere darauf keinen Wert legen müssten. Solche raumplanerischen Steuerungselemente können mittels horizontalem Finanzausgleich, also mit einem Finanzausgleich zwischen den Gemeinden, eingeführt werden. Das Mobilitätskonzept 2030 sieht ein solches Szenario auch vor. Zumindest ist es prüfenswert.


Sind Sie für eine Erhöhung der Steuern für Personen mit hohem Einkommen?

Antwort: Eher Nein

Kommentar: Rund 50 % der Bevölkerung zahlt keine Steuern. Ein Grossteil der Steuereinnahmen wir von den höheren oder hohen Einkommen generiert. Es gibt keine Veranlassung für diese die Steuern zu erhöhen, zumal der Staatshaushalt in den letzten Jahren saniert wurde. In Bezug auf die gesunde Entwicklung des Staatshaushaltes gilt es auch die Ausgabenseite im Auge zu behalten. Ein Kostentreiber sind die zahlreich neu geschaffenen Stellen, wobei nicht klar ist , ob alle auch wirklich benötigt werden.


Soll die Besteuerung von Casinos erhöht werden, damit Liechtenstein als Casino-Standort weniger attraktiv wird?

Antwort: Eher Nein

Kommentar: Liechtenstein hat Rahmenbedingungen für einen Casino-Markt geschaffen. Es war nicht zu vermuten, dass so viele Casinos bei uns ansässig werden. Man sollte die Rahmenbedingungen aber jetzt nicht ändern, da dies der Verlässlichkeit des Staates schadet. Ich glaube auch nicht, dass wegen den Steuern der Standort weniger attraktiv wird. Vielmehr gilt es die Entwicklung genauestens zu beobachten. Wenn der Markt gesättigt ist, regelt sich die Grösse des Casino-Platzes Liechtenstein von selbst


Wirtschaft & Arbeit


Befürworten Sie die Einführung eines für alle Arbeitnehmer/-innen gültigen Mindestlohnes?

Antwort: Nein

Kommentar: Dies sollte den Sozialpartnern überlassen werden, welche über die Gesamtarbeitsverträge Mindestlöhne festlegen. Dieses System funktioniert. Der Staat sollte sich nicht einmischen.


Soll der Kündigungsschutz für ältere Angestellte verbessert werden?

Antwort: Nein

Kommentar: Eine Bevorteilung einer Generation bedeutet gleichzeitig eine Benachteiligung anderer Generationen. Dies ist nicht zielführend, auch was den sozialen Frieden betrifft. Auch dies ist - wenn überhaupt - zwischen den Sozialpartnern und damit in den Gesamtarbeitsverträgen zu regeln.


Sollte mehr dafür getan werden, dass Postfilialen in möglichst allen Gemeinden unterhalten werden?

Antwort: Eher Ja

Kommentar: Die Liechtensteinische Post AG gehört zu 75 % dem Land Liechtenstein und somit den Liechtensteinerinnen und Liechtensteinern. Öffentlich-rechtliche Unternehmen wie die Post, die Telecom, die LKW und andere haben einen öffentlichen Auftrag, einen sog. Service Public zu erfüllen. Hierbei darf nicht immer die Gewinnmaximierung an oberster Stelle stehen, sondern der Dienst am Kunden, sprich an der Bevölkerung, hat zu gelten, auch wenn er betriebswirtschaftlich nachteilig ist. Bspw: Wie beim LKW-Shop.


Soll sich der Staat bei den Bergbahnen Malbun finanziell und inhaltlich noch stärker engagieren?

Antwort: Ja

Kommentar: Der Landtag hat die finanzielle Absicherung für den Corona-Winter bewilligt. Nun gilt es die Entwicklung zu definieren. Zuerst soll ein Konzept zur Weiterentwicklung des Naherholungsgebietes Steg-Malbun erstellt werden, mit welchem die Grundausrichtungen festgelegt werden. Anschliessend gilt es die Weiterentwicklung der Bergbahnen zu sichern. Hierbei werden Investitionen in die Infrastruktur und die Beschneiung notwendig werden, da sonst die Bergbahnen auf Dauer nicht konkurrenzfähig sein werden.


Soll der Ausbau des Mobilfunknetzes nach 5G-Standard weiter vorangetrieben werden?

Antwort: Ja

Kommentar: Die Einführung des 5G Mobilfunkstandard wird für den Wirtschaftsplatz von grösster Wichtigkeit sein, da dieser für die Umsetzung der Industrie 4.0 und der künstlichen Intelligenz unabdingbar ist. Des Weiteren wird er für das autonome Fahren benötigt. Wichtig ist aber, dass er auf Basis der gesundheitlichen Aspekte eingeführt wird. Der Weg mit der Schweiz sollte beibehalten werden, da die Schweiz die strengeren Grenzwerte als die EU kennt.

Dienstag, 22. Dezember 2020

Wahlhilfe.li: Themen Umwelt, Verkehr & Energie sowie Politisches System & Aussenbeziehungen

'Klimaneutralität 2050': Staat muss als Vorbild vorangehen

Beantwortung und Kommentierung der Fragen von wahlhilfe.li


Umwelt, Verkehr & Energie


Soll der Staat erneuerbare Energien und einen ressourcenschonenden Umgang mit Energie stärker fördern als bisher?

Antwort: Eher Ja

Kommentar: Der Landtag hat die Einspeisevergütung für Photovoltaik-Anlagen verlängert. Dies war richtig und wichtig. Die Installation und der Einsatz von erneuerbaren Energien soll mit Anreizsystemen beschleunigt werden, nicht mit Druck und Verboten. Zentral ist aber auch, dass der Staat beim Bau der neuen Hochbauten als Vorbild vorangeht. Man kann nicht von der Bevölkerung etwas erwarten, was man selbst nicht umsetzt.


Soll Liechtenstein zur Lösung der Verkehrsproblematik künftig stärker auf verursacherorientierte Abgaben setzen?

Antwort: Eher Nein

Kommentar: Die Lösung der Verkehrsproblematik löst man nicht durch Zwang und Abgaben, sondern durch Anreize und verbesserte Angebote. So ist bspw. das Busangebot auszubauen und die Busbeschleunigung voranzutreiben. Hierzu gehören Busspuren - auch und gerade bei verkehrsneuralgischen Orten wie den Zentren von Schaan und Vaduz.


Befürworten Sie eine Rheinaufweitung und Renaturierung des Rheins in Liechtenstein?

Antwort: Eher Nein

Kommentar: Die Rheinaufweitung ist nur auf Kosten von Boden zu realisieren. Dafür müssen Landwirtschaftsflächen abgebaut werden. Liechtensteins Bodenressourcen sind beschränkt, weshalb ich ein Abbau kritisch sehe. Zudem gilt es die Sicherheit vor Hochwasser sicherzustellen. Der Rheindamm wurde aufgrund des Sicherheitsaspektes gebaut. Dieser darf in keiner Art und Weise vermindert werden.


Soll in Liechtenstein künftig bei allen Neubauten, welche keine Photovoltaikanlage haben, eine Ersatzabgabe fällig werden, welche wiederum für die Errichtung grösserer Photovoltaikanlagen genutzt werden kann?

Antwort: Eher Nein

Kommentar: Vom Ziel 'Klimaneutralität 2050' soll die Bevölkerung mittels Anreizsystemen überzeugt werden. Druck und Verbote sind die Flasche Vorgehensweise. Für viele Personen stellt auch die Finanzierbarkeit eine wichtige Frage dar. Wichtig ist, dass der Staat als Vorbild vorangeht. Der Landtag hat zahlreiche Neubauten beschlossen, welche als Vorzeigeprojekte gebaut werden könnten. So könnten auch die Fassaden mit Photovoltaik ausgerüstet werden. Leider verzichtet die Regierung bisher darauf.


Würden Sie es begrüssen, wenn in Liechtenstein eine wirksamere nationale Raumplanung eingeführt würde?

Antwort: Eher Ja

Kommentar: Eine wirksamer nationale Raumplanung könnte über die Neuausrichtung des Finanzausgleichs installiert werden. Dies sieht auch das Mobilitätskonzept 2030 vor. Mit einem horizontalen Finanzausgleich könnte man die Raumplanung steuern, gerade in Bezug auf die Industrie- und Gewerbezonen.


Politisches System & Aussenbeziehungen


Sollen Pro- und Contra-Komitees bei Volksabstimmungen ihre Finanzierung offenlegen müssen?

Antwort: Nein

Kommentar: Da die Regierung für einen Abstimmungskampf über Steuergelder mehr finanzielle Mittel als private Komitees zur Verfügung hat, wäre es zweckmässiger, ihr einen Finanzrahmen vorzugeben, damit zwischen dem privaten Komitee und der Regierung kein finanzielles Ungleichgewicht entsteht. Pro- und Contra-Lager sollten für einen Abstimmungskampf in etwa dieselbe Höhe an finanziellen Mittel zur Verfügung haben, damit sich eine Volksabstimmung nicht über das zur Verfügung stehende Geld entscheidet.


Soll Liechtenstein die Umsetzung von EWR-Recht in nationales Recht künftig öfters verzögern und aufweichen, auch wenn es damit gegen die Vorgaben aus dem EWR-Abkommen verstösst?

Antwort: Nein

Kommentar: Liechtenstein muss aber auch nicht die Vorreiterrolle innehaben und EU-Richtlinien mittels vorauseilendem Gehorsam umsetzen, zumal nicht alle Richtlinien auf Kleinstaaten ausgerichtet sind und somit eher Nachteilig für die Wirtschaft sind. Man sollte verstärkt die aussergewöhnliche  Ausgangslage unseres Landes mit den beiden Wirtschaftsräumen Schweiz und EU sowie die Grenzgängersituation bei der Ausarbeitung der EU-Richtlinien einfordern.


Soll Liechtenstein das bestehende Netz an Botschaften und ständigen Vertretungen im Ausland ausbauen?

Antwort: Eher Nein

Kommentar: Der einzige Ort, an welchem eine eigene Botschaft unter Umständen noch Sinn machen würde, wäre Paris mit dem Sitz der OECD.


Befürworten Sie die Senkung des Stimm- und Wahlalters auf 16 Jahre?

Antwort: Nein

Kommentar: Ein Grossteil der 16- und 17-jährigen zeigt nur geringes bis gar kein Interesse an Politik. Umfragen bei Jugendorganisationen haben ergeben, dass auch unter Jugendlichen das Stimmrechtsalter 16 grossmehrheitlich abgelehnt wird.


Soll Liechtenstein dem Internationalen Währungsfonds (IWF) beitreten?

Antwort: Nein

Kommentar: Ein IWF-Beitritt bringt zu wenig Vorteile. Das Argument, dass Liechtenstein bei einer finanziellen Schieflache den IWF zur Rettung und Hilfe anrufen könnte, ist kein gangbarer Weg. Man hat bei anderen Ländern wie bspw. in Griechenland gesehen, wie rücksichtslos und ohne soziale Bedenken der IWF vorging, um Gelder zu sprechen. Vielmehr würde ich einen Rettungsvertrag mit der Schweiz bevorzugen. Zudem hätte Liechtenstein in der Stimmrechtsgruppe der Schweiz praktisch keine Stimmkraft.

Freitag, 18. Dezember 2020

Wahlhilfe.li: Themen Sozialstaat, Familie & Gesundheitswesen sowie Bildung

Familie und Beruf: Bezahlte Elternzeit nur der erste Schritt 

Beantwortung und Kommentierung der Fragen von wahlhilfe.li


Sozialstaat, Familie & Gesundheitswesen


Befürworten Sie eine Erhöhung des Renteneintrittsalters?

Antwort:
Nein

Kommentar: Von Bedeutung ist, dass die AHV langfristig finanziert ist. Gemäss Gutachten würde eine Erhöhung der Arbeitgeber und Arbeitnehmerbeiträge ausreichen, damit die AHV 2038 noch 5 Jahresausgaben an Reserven hat. Somit ist eine Erhöhung des Renteneintrittsalters momentan gar nicht nötig. Die Beitragserhöhungen könnten über eine Erhöhung des Staatsbeitrages in die Obligatorische Krankenpflegeversicherung kompensiert werden, um Rentnerinnen und Rentner sowie Familien daran partizipieren zu lassen.


Soll Liechtenstein so rasch als möglich eine bezahlte Elternzeit einführen?

Antwort: Ja

Kommentar: Wir werden spätestens 2022 die EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige übernehmen, womit die bezahlte Elternzeit eingeführt wird. Viel wichtiger ist die Frage, wie dies finanziert wird. Ich bin dafür, dass dies über die Familienausgleichskasse (FAK) geschieht. Ihre Reserven reichen dafür aus. Die Einführung der bezahlten Elternzeit ist aber nur ein Schritt zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Weitere werden folgen müssen.


Sollen sich die Versicherten stärker an den Gesundheitskosten beteiligen (z.B. Erhöhung der Mindestfranchise)?

Antwort: Nein

Kommentar: Mit der Reform des Krankenversicherungsgesetzes wurde die Franchise und der Selbstbehalt erhöht. Dabei soll es vorerst bleiben, zumal die Kosten in den letzten Jahren nur sehr moderat gestiegen sind und es teilweise sogar zur Rückzahlungen kam.


Soll für Kinder für besondere Krankheitsfälle wie Kinderlähmung oder Masern eine Impfpflicht eingeführt werden?

Antwort: Eher Ja

Kommentar: Generell bin ich gegen die Impfpflicht, aber für den Schutz von Kindern kann dies in Einzelfällen in Betracht gezogen werden, zumal es sich hierbei um Impfungen handelt, die man schon lange kennt und deren Auswirkungen, Langzeitfolgen bzw. Nebenwirkungen bekannt sind. Somit erhöhen diese Impfungen den Schutz vor unheilbaren Krankheiten mit Folgeschäden.


Soll Liechtenstein den gemeinnützigen Wohnungsbau verstärkt fördern?

Antwort: Nein

Kommentar: Wohnungsbau sollte der Privatwirtschaft überlassen werden. Mittels Anreizsystemen können gewisse gewünschte Entwicklungen gefördert werden. Aber der Staat sollte nicht selbst Wohnungsbau betreiben. Sollte dies gewünscht sein, wäre es eher eine Sache der Gemeinden.


Bildung


In Liechtenstein werden die Schüler/-innen nach fünf Jahren an der Primarschule der Oberschule, der Realschule oder dem Gymnasium zugeteilt. Würden Sie anstelle dieser Dreigliedrigkeit ein weniger separierendes, integrativeres Modell begrüssen? 

Antwort: Nein

Kommentar: Liechtenstein hat ein sehr gutes Bildungssystem, welches zudem auf die Schweiz angepasst ist. Damit ist der Zugang zu Hochschulen und Universitäten in Europa gewährleistet, was existenziell ist. Deshalb braucht es keine grundlegende Veränderung. Wichtiger erscheint mir die aufgrund der Sanierung des Staatshaushaltes vorgenommene Erhöhung der Klassengrössen rückgängig zu machen. Je kleiner die Klassen, desto höher ist der Lernerfolg, da die Lehrperson mehr Zeit für die einzelnen Schüler hat.


Würden Sie es begrüssen, wenn weniger Schüler/-innen nach der Primarschule dem Gymnasium zugeteilt werden, damit den Lehrbetrieben mehr Lehrlinge zur Verfügung stehen und das duale Berufsbildungssystem gestärkt wird?

Antwort: Nein

Kommentar: Die Zuteilung soll nicht aufgrund von Quoten, sondern anhand der Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler erfolgen.


Soll die staatliche finanzielle Unterstützung für die berufsbegleitende Weiterbildung und berufliche Umschulung ausgebaut werden?

Antwort: Eher Nein

Kommentar: Ein genereller Ausbau kommt einer Giesskannensubvention gleich. Zielführender wäre es, Umschulungen bei jenen Personen vermehrt zu fördern, welche diese mit den eigenen finanziellen Mittel nur sehr schwer finanzieren können.


Soll für fremdsprachige Kinder die Frühförderung vor dem Kindergarten verstärkt werden?

Antwort: Ja

Kommentar: Die Frühförderung der deutschen Sprache soll gefördert werden, zumal die Regierung bei rund der Hälfte der Kindergartenkinder sprachliche Defizite feststellt. Das ist ein Problem, das gelöst werden muss, zumal ich der Ansicht bin, dass Integration von fremdsprachigen Kindern vor allem über Sprachkompetenz gelingt. Es sollen Anreizsysteme geschaffen werden, damit Eltern fremdsprachiger Kinder die Angebote vermehrt nutzen. Zudem bin ich für die Einführung der Kindergartenpflicht von 2 Jahren.

Donnerstag, 3. Dezember 2020

Sozialhilfegesetz

Wie soll Zwangseinweisung geistig behinderter Personen geregelt sein?


Die Abänderung des Sozialhilfegesetzes ist schwere Kost, handelt es sich doch um eine punktuelle Neuregelung über die Unterbringung bzw. Zurückhaltung von Personen gegen ihren Willen in Anstalten bzw. psychiatrischen Kliniken.

Danach dürfen Personen, die geisteskrank oder geistesschwach sind, an Suchterkrankungen leiden oder schwer verwahrlost sind, gegen ihren Willen in einer geeigneten Anstalt untergebracht oder zurückbehalten werden, wenn ihnen die nötige Hilfe anders nicht erwiesen werden kann. Da die bestehenden Bestimmungen hierzu teilweise lückenhaft und veraltet sind, wurden diese Abänderungen des Sozialhilfegesetzes notwendig. Als Grundlage wurde die Schweizer Gesetzgebung herangezogen. 

Anders als in der Schweiz - jedoch wie in Österreich - soll auch die Unterbringung bei ausschliesslicher Fremdgefährdung möglich sein, weshalb dafür das Unterbringungsgesetz von Österreich herangezogen wurde. Somit soll explizit normiert werden, dass eine Person, die an einer psychischen Störung oder an geistiger Behinderung leidet und im Zusammenhang damit das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährdet, in einer geeigneten Einrichtung untergebracht werden kann. Dies, wenn sie nicht in anderer Weise, insbesondere ausserhalb einer geeigneten Einrichtung, ausreichend ärztlich behandelt oder betreut werden kann. Dies entspricht der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und der österreichischen Rechtslage in § 3 des Unterbringungsgesetzes. 

Der Vorschlag der Regierung geht für mich in der gegenwärtigen Formulierung zu weit. Persönlich wird für mich damit auch eine rote Linie überschritten. Man darf nicht ausser Acht lassen, dass es sich hierbei um eine fürsorgliche Unterbringung handelt. In der Schweiz ist eine Fremdgefährdung weder Unterbringungsvoraussetzung noch für eine Unterbringung hinreichend. In der Schweiz hat das Bundesgericht diese Regelung untersagt. «Gemäss Rechtsprechung des schweizerischen Bundesgerichtes darf die Belastung bzw. die Gefahr für Dritte nicht ausschliesslicher Einweisungs- bzw. Zurückbehaltungsgrund sein», so die Regierung auf Seite 33 ihres Berichts. Da die Schweiz somit diese Regelung nicht kennt, musste die Regierung auf das österreichische Unterbringungsgesetz als Rezeptionsgrundlage zurückgreifen.

Das Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie in Wien, immerhin eines der führenden Forschungsinstitute in der europäischen Sicherheitsforschung, hat im Auftrag der österreichischen Regierung ein Gutachten zu diesem Unterbringungsgesetz und zu diesem § 3 erstellen lassen. Darin kommen die Gutachter zum Schluss: 
«Und ganz grundsätzlich gilt es zu berücksichtigen, dass Annahmen über Gefährdungen Prognosen darstellen, d.h. mit dem leidigen Problem ungewisser Zukunft konfrontiert sind: Wir wissen aktuell nicht, wie sie sich tatsächlich entwickeln wird, da sich aus Ereignissen der Vergangenheit und Gegenwart - so diese überhaupt ausreichend bekannt sind - nicht linear Ereignisse in der Zukunft ableiten lassen. Entsprechend gross sind die faktischen Interpretations- und Ermessensspielräume bei diesem UbG-Kriterium und entsprechend uneindeutiger gestalten sich auch die Entscheidungskompetenzen - sowohl im Sinne von Entscheidungsfähigkeit als auch -zuständigkeit.»
Das Obergericht geht in seiner Vernehmlassungsstellungnahme auch darauf ein und führt aus: 
«Eine Unterbringung allein wegen Fremdgefährdung darf aber niemals strafprozessuale Massnahmen substituieren, geschweige denn auf eine Art Präventivhaft hinauslaufen.»
Auch wenn ein Vorhaben EMRK-Konformität zuerkannt wird, ist es noch lange nicht ethisch und moralisch ein gangbarer Weg. Die Regierung führt auf Seite 38 aus:
«Nach geltendem Recht wird bei Vorliegen einer psychischen Erkrankung, die zwar zu keiner Selbstgefährdung, jedoch aber zu einer Fremdgefährdung führt, keine Unterbringung möglich sein. Dies stellt aus Sicht der Regierung eine Lücke dar. Personen, bei denen Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen vorliegen, kann das Risiko für schwere Gewalt in bestimmten Fällen unweigerlich mit einer sich akut manifestierenden Erkrankung verknüpft sein.»
Die von der Regierung vorgesehene Regelung berücksichtigt jedoch nicht nur Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen, sondern wird viel weiter gefasst. Die Regierung führt aus:
«Im Interesse der öffentlichen Sicherheit soll diese Lücke analog der Rechtslage in Österreich geschlossen werden, indem Personen, die an einer psychischen Störung oder an einer geistigen Behinderung leiden und bei denen aufgrund dieser Erkrankung eine ernste und erhebliche Gefahr für Leben und Gesundheit Dritter ausgeht, neu ebenfalls fürsorgerisch untergebracht werden können.»
Nicht jede psychische Störung oder geistige Behinderung hat mit Schizophrenie, schizotypen und wahnhaften Störungen zu tun. Meines Erachtens müssten dieser Artikel 18d noch mit Präzisierungen und Einschränkungen erweitert werden, indem klare Vorgaben für eine solche präventive Unterbringung gemacht werden, auch in Bezug auf das vorhandene Krankheitsbild aber auch in Bezug auf die Entscheidungskompetenzen. 

Denn gerade bei den Entscheidungskompetenzen ortet das Gutachten Probleme, da es Personen gäbe, welche Freiheit, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung stärker betonen und sich deshalb deutlicher an persönlicher Autonomie orientieren, selbst wenn von eingeschränkter Entscheidungsfähigkeit auszugehen sei. Es werde psychisch kranken Personen eher auch das Recht zugestanden, unvernünftig zu sein und sich selbst zu schaden bzw. Fehler begehen zu dürfen.

Andere Personen wiederum seien von einer fürsorglichen Haltung geprägt, tendieren eher bzw. früher zum stellvertretenden Handeln und würden den Schutz der Person in den Vordergrund stellen. Dies ginge so weit, als sie eine vormundschaftlich geprägte Verantwortungsübernahme für psychisch kranke Personen wahrnehmen wollen.

Wie stellt die Regierung nun sicher, dass alle Fälle gleichbehandelt werden? Was ist, wenn bei einem Fall der erste Typus die Entscheidung zu fällen hat und in einem anderen gleichgelagerten Fall der zweite Typus? Der eine wird eingewiesen, der andere nicht. Wir reden hier von Präventivmassnahmen gegenüber Personen, die an einer psychischen Störung oder an einer geistigen Behinderung leiden. Diese Personen haben nichts Verbotenes getan; sie sollen präventiv zwangsweise in einer Einrichtung untergebracht werden, da prognostiziert wird, dass sie vielleicht eine Gefahr für Dritte sind.

Welche Voraussetzungen vorhanden sein müssen, um eine solche Einweisung anzuordnen, müssen genauer im Gesetz festgelegt werden. Die im Artikel gebrauchte Formulierung, «das Leben oder die Gesundheit anderen ernstlich und erheblich gefährdet» reicht für einen solchen markanten präventiven Eingriff in ein Freiheitsrecht für mich nicht aus.

Mittwoch, 2. Dezember 2020

Bezahlte Elternzeit

Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Nun sind Taten gefordert

Landtagsvotum zur Interpellationsbeantwortung bezahlte Elternzeit

Die Interpellationsbeantwortung zur Finanzierung einer bezahlten Elternzeit zeigt deutlich auf, dass die Diskussion um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nur im Spannungsfeld zwischen Notwendigkeit und Kosten geführt werden kann. Die Notwendigkeit Massnahmen zur Verbesserung der Situation einzuleiten und umzusetzen wird nicht angezweifelt. Bei der Frage ‘Wer soll das bezahlen?’ gehen dann die Meinungen teilweise stark auseinander.

Die bezahlte Elternzeit ist nur ein Lösungsansatz, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern. Sie ist aber jene Massnahme, die sicher kommen wird, und zwar zeitnah. Dafür sorgt die EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige. Diese haben wir umzusetzen. Deshalb danke ich den Interpellanten für diese Interpellation und der Regierung für deren Beantwortung. Sie zeigt auf, in welcher Grössenordnung Kosten entstehen könnten. Die Vorgabe der Interpellanten von einer bezahlten Elternzeit von vier Monaten, welche mit 80 % des Medianlohns vergütet wird, generiert Lohnkosten in der Grössenordnung von rund CHF 30 Mio.. Weitere Kosten, welche den Arbeitgebern durch Abwesenheiten von Arbeitnehmern entstehen könnten, sind darin noch nicht inkludiert.

Die EU-Richtlinie gibt zwar den Rahmen vor, überlässt den Mitgliedsstaaten aber weite Teile der konkreten Umsetzung. So macht beispielsweise die Richtlinie keine Vorgaben in Bezug auf die Höhe der Vergütung der Elternzeit. In Punkt 29 der EU-Begründung kann nachgelesen werden:
«Um die Inanspruchnahme der in dieser Richtlinie festgelegten Urlaubszeiten für Arbeitnehmer, die Eltern sind, insbesondere für Männer, noch attraktiver zu machen, sollten die Betroffenen während des Urlaubs Anspruch auf eine angemessene Vergütung haben.»
Die EU spricht von ‘angemessener Vergütung’. Es wird einen politischen Entscheid benötigen, was unter angemessener Vergütung verstanden wird. Somit werden jene Abgeordneten, die am 7. Februar in dieses Haus gewählt werden, zu entscheiden haben, welche Höhe der Lohnfortzahlung als angemessene Vergütung bezeichnet werden kann. 

Dies ist jedoch nur eine Entscheidung, die gefällt werden muss. Die EU macht auch bei anderen Bereichen Vorgaben, überlässt aber die konkrete Ausgestaltung sehr oft den Mitgliedsländern. Vaterschaftsurlaub und der Urlaub für pflegende Angehörige sind nur zwei Beispiele hierzu.

Des Weiteren berücksichtigt die EU in Punkt 48 der Begründung der Richtlinie auch die Auswirkungen auf die Klein- und Mittelbetriebe. Sie führt aus: 
«Bei der Umsetzung dieser Richtlinie sollten die Mitgliedstaaten sich darum bemühen, keine administrativen, finanziellen oder rechtlichen Auflagen vorzuschreiben, die der Gründung und dem Ausbau von KMU entgegenstehen oder Arbeitgeber einer unverhältnismässigen Belastung aussetzen. Deshalb werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, die Auswirkungen ihres Umsetzungsrechtsakts auf KMU sorgfältig zu prüfen, um zu gewährleisten, dass alle Arbeitnehmer gleichbehandelt werden, dass KMU und insbesondere Kleinstunternehmen nicht unverhältnismässig beeinträchtigt werden und dass unnötiger Verwaltungsaufwand vermieden wird. Die Mitgliedstaaten sind dazu angehalten, Anreize für KMU zu schaffen und ihnen Orientierung und Beratung bei der Einhaltung der in dieser Richtlinie verankerten Verpflichtungen anzubieten.»
Dieser Punkt 48 wird bei der Umsetzung der Richtlinie noch grosse Bedeutung erlangen. In der Regierungsbroschüre zur den Wirtschafts- und Finanzdaten zu Liechtenstein per 31. Mai 2020 werden die neusten Daten zur Unternehmens- und Arbeitsplätzestruktur ausgewiesen. 88% der 4’878 Unternehmen haben weniger als zehn Beschäftigte; 98% weniger als 50. Es ist augenfällig, welche Bedeutung der Punkt 48 der EU-Begründung bei der Umsetzung dieser Richtlinie haben wird, gerade für unser Gewerbe und unsere Kleinst-, Klein- und Mittelbetriebe (KMU).

Meines Erachtens ist es von grundlegender Bedeutung, dass den Ausführungen in der EU-Richtlinie zu den KMU’s höchste Bedeutung beigemessen wird. Sollte die Einführung der bezahlten Elternzeit zu Problemen für die KMU’s führen, besteht die Gefahr, dass junge Menschen, die sich mitten in der Familienplanung befinden, bei KMU’s unseres Landes nur sehr schwer eine Arbeitsstelle finden. Denn mit dieser Richtlinie geht ja nicht nur die Einführung der bezahlten Elternzeit einher, sondern gemäss Art. 10 der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten auch dafür zu sorgen, «dass die Arbeitnehmer nach Ablauf eines Urlaubs Anspruch darauf haben, an ihren früheren oder einen gleichwertigen Arbeitsplatz unter Bedingungen zurückzukehren, die für sie nicht weniger günstig sind, und in den Genuss aller Verbesserungen der Arbeitsbedingungen zu kommen, auf die sie Anspruch gehabt hätten, wenn sie den Urlaub nicht genommen hätten.»

Dies entspricht zwar der heute geltenden Regelung, erschwert aber durch die von der EU im Individualfall vorgegebene Übertragbarkeit der Elternzeit von einem auf den anderen Elternteil die Planungs- und Organisationssicherheit des Arbeitgebers bzw. die Innerbetrieblichen Strukturen von KMU’s weiter. Zudem hinterfrage ich, ob die heute gültigen Regelungen in Art. 34b des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches, welche dem Arbeitgeber von Betrieben unter 30 Arbeitnehmern das Recht einräumt, den Elternurlaub zu verschieben, wenn betriebliche Abläufe eingeschränkt werden, aufrecht erhalten werden können. Heisst es doch in der Richtlinie, dass gewährleistet sein muss, dass alle Arbeitnehmer gleichbehandelt werden müssen.

Dies sehen auch die Autoren des Berichts ‘Familienpolitik im Fürstentum Liechtenstein’ so. Sie führen aus:
«Mit der Einführung einer bezahlten Elternzeit, die auch der Vater beziehen kann, werden vermehrt auch Männer Familienzeit beziehen, sodass Betriebe mit Abwesenheiten sowohl von Frauen wie von Männern rechnen müssen.»
Unabhängig davon, wie die bezahlte Elternzeit in Zukunft ausgestaltet wird, gehe ich mit den Ausführungen der Regierung auf Seite 17 der Interpellationsbeantwortung überein, dass die von den Interpellanten als Grundlage für die Kostenschätzung vorgegebene Höhe von 80% des Medianlohns über alle Altersklassen hinweg einer sehr hohen Vergütung entspricht. Dies umso mehr, als zu berücksichtigen ist, dass die Löhne in der Altersklasse der Eltern von kleinen Kindern eher unterdurchschnittlich sind und die Löhne in unserem Kulturkreis mit dem Alter in der Regel ansteigen.

Gemäss meinem Verständnis könnte somit der Fall eintreten, dass jemand mit Bezug von 80% des Medianlohnes für die bezahlte Elternzeit mehr verdient, als wenn er zu 100% seiner Arbeit nachgeht. Das kann es natürlich nicht sein. Somit haben die Interpellanten der Freien Liste eine Variante rechnen lassen, welche nicht nur eine Maximalvariante darstellt, sondern nicht geeignet ist, in die Praxis umgesetzt zu werden. Für mich kommt eine bezahlte Elternzeit, bei welcher Eltern mehr verdienen, als wenn sie wie üblich zu 100 Prozent ihrer Arbeit nachgehen, nicht in Frage. Das wäre ein Systemfehler und so glaube ich, nicht einmal für die Freie Liste ein gangbarer Weg. Somit kann davon ausgegangen werden, dass die von der Regierung dargelegten CHF 30. Mio. nicht den endgültigen Kosten entsprechen und diese tiefer ausfallen werden.

Unabhängig von der Höhe bleibt aber die Frage ‘Wer soll das bezahlen?’ im Raum. Die Regierung schlägt verschiedene Varianten vor - die Familienausgleichskasse, die Krankentaggeldversicherung, die AHV, die Schaffung eines eigenen neuen Sozialwerks, die Kostenübernahme durch die Unternehmen sowie gemeinschaftlich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Ich teile die Meinung der Regierung, dass es naheliegend ist, die bezahlte Elternzeit über die Familienausgleichskasse (FAK) zu bezahlen. Der Nachteil dabei ist, dass sie in Form von Lohnprozenten ausschliesslich über Arbeitgeberbeiträge finanziert wird. Unter der Annahme, dass die Elternzeit gemäss den Vorgaben der Interpellanten umgesetzt wird und die dabei dargestellten Kosten verursacht, würden ihre Ausgaben gegenüber dem aktuellen Stand ungefähr eineinhalb Mal so hoch ausfallen. Die Regierung schreibt, dass dann bei gleichbleibendem Finanzierungsmechanismen die Arbeitgeber mit einer deutlichen Beitragserhöhung belastet werden müssten.

Ich bin der Ansicht, dass - sofern die Elternzeit über die FAK finanziert werden soll - die Höhe der Finanzierung der Elternzeit an den Einnahmen der FAK ausgerichtet werden sollte. Es gilt eine Beitragserhöhung für die Arbeitgeber zu verhindern. Auch sollte darauf geachtet werden, dass die Lohnnebenkosten nicht weiter ansteigen, was mittels Finanzierung über die FAK ebenfalls gewährleistet wäre.

Ich erachte es als gerechtfertigt, dass damit für die Bezahlung der Elternzeit in erster Linie die Arbeitgeber verantwortlich sind, da eine bezahlte Elternzeit die Attraktivität der Arbeitsplätze erhöht und die Rückkehr von Frauen an den Arbeitsplatz begünstigt. Die Akzeptanz einer solchen Lösung kann aber von den Arbeitgebern nur verlangt werden, wenn die Beiträge dadurch nicht angehoben werden müssen. Deshalb ist es von grundlegender Bedeutung, dass die FAK nicht in eine Situation gebracht wird, in welcher sie höhere Ausgaben als Einnahmen generiert und somit Beitragserhöhungen notwendig werden. Auch deshalb werde ich der Kompensation über die FAK der AHV-Beitragserhöhung in Traktandum 12 zur langfristigen Sicherung der AHV nicht zustimmen.

Wie gesagt, sind die bezahlte Elternzeit und der bezahlte Vaterschaftsurlaub nur zwei Komponenten, mit welcher die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestärkt werden können.
«Die meisten Frauen sind vor der Geburt des ersten Kindes erwerbstätig, reduzieren danach ihr Pensum oder beenden die Erwerbstätigkeit ganz. Männer nehmen bei einer Geburt in der Regel nur wenige Tage frei und arbeiten weiterhin Vollzeit oder mit einem sehr hohen Stellenpensum. Die finanziellen Einbussen sind für manche Familien deutlich spürbar. Die finanzielle Unterstützung durch den Staat kompensiert dies meistens nicht. Dies wird vielfach als mangelnde Anerkennung und Wertschätzung für den Beitrag der Familien für die Gesellschaft aufgefasst.»
Dies ist ein Ergebnis aus der Familienumfrage, welche eine Grundlage des Berichts ‘Familienpolitik in Liechtenstein’ der Arbeitsgruppe Familienpolitik über Meilensteine, aktuelle Lage, strategische Ziel und mögliche Massnahmen bildete.

Darin wird das Ziel, ‘Betreuung des Kindes durch die Eltern im ersten Lebensjahr’ definiert. Als Massnahmen werden die Optimierung des Mutterschaftsurlaubes, die Einführung eines bezahlten Vaterschaftsurlaubes und die Umwandlung von unbezahltem Elternurlaub in bezahlte Elternzeit angeführt. Also genau das, was die EU in ihrer Richtlinie einführt.

Zentral für mich ist hierbei, dass diese Massnahmen nicht nur Vorteile für die Eltern in sich bergen, sondern auch für das Wohl des Kindes elementar sind. Es gibt genügend Studien, welche auf die Wichtigkeit der Betreuung des Kindes durch die Eltern im ersten Lebensjahr hinweisen und auch Nachteile für das Kind sehen, wenn dem nicht so sein sollte. Und deshalb unterstütze ich die Autoren der Studie ‘Familienpolitik’, wenn sie schreiben: 
«Bezahlte Elternzeit ist eine Massnahme, die das Potenzial hat, Kindern einen guten beziehungsweise noch besseren Start ins Leben zu ermöglichen. Das Wohl der Kinder hängt naturgemäss eng mit dem Wohl seiner Eltern zusammen. Wenn es den Eltern gutgeht, geht es in der Regel auch den Kindern gut. Um diesem Ziel näher zu kommen, braucht es - nebst der Einführung der bezahlten Elternzeit - weitere Massnahmen der Familienförderung und der Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf»
Im Bericht werden verschiedene weitere Massnahmen angesprochen. Sie reichen von der Förderung und Etablierung von Teilzeitstellen und flexiblen Arbeitszeitmodellen für Mütter und Väter bis hin zur Erweiterung der Blockzeiten und der Betreuungsangebote in den Schulen sowie zum Kindergartenobligatorium. Alles Bereiche, die es meines Erachtens wert sind, genauer evaluiert zu werden und gegen deren Umsetzung man eigentlich gar nicht sein kann. Dies umso mehr, als sie gemäss Umfrage die Hauptprobleme der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ansprechen und einer Lösung zuführen.

Darüber hinaus schlägt die Arbeitsgruppe vor, im Sinne der Nutzung von Synergien zu überprüfen, ob es zielführender wäre, Betreuung und Bildung in ein und demselben Ministerium anzusiedeln, da diese Bereiche in Zukunft immer mehr zusammenwachsen werden, wodurch verstärkt Synergien genutzt werden könnten. Das ist für mich ein höchst prüfenswerter Vorschlag, der - so hoffe ich - im Rahmen der nächstjährigen Regierungsbildung in Betracht gezogen werden sollte.

Die Thematik und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird ein zentrales Thema der nächsten Jahre sein. Die Grundlagen für eine fundierte Diskussion liegen vor; nun gilt diese mit Leben zu füllen und Nägel mit Köpfen zu machen. Zur Verbesserung der gegenwärtigen Situation ist die Übernahme der EU-Richtlinie der erste Schritt - mehr aber auch nicht. Weitere werden folgen müssen.

Eine Verbesserung wird auch von der Bevölkerung gefordert, wie aus der Familienumfrage hervorgeht. Es wird festgestellt:
«Von Eltern, insbesondere erwerbstätigen Eltern, ist oftmals Improvisationsgeschick gefordert. Insgesamt geben 32 Prozent an, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Liechtenstein sehr schwierig sei, weitere 46 Prozent erachten es als eher schwierig. Somit besteht jedenfalls Handlungsbedarf.»
Das heisst: 78% der Betroffenen betiteln die gegenwärtige Ausgangslage als sehr schwierig oder eher schwierig. Deutlicher kann ein Auftrag an die Politik kaum artikuliert werden.

Kostenloser öffentlicher Verkehr in Liechtenstein

Gratis ÖV: Ja bis zum 18. Lebensjahr und AHV-Bezüger

Landtagsvotum zur Petition 'Gratis ÖV in Liechtenstein'

‘Nulltarif: Der Umsteige-Effekt auf Postautos ist vorhanden’ - dies war am 15. September 1988 die Headline auf Seite 1 des Volksblatts. Immer wieder war im Verlauf des Jahres 1988 zu lesen, dass der Nulltarif zu einer erhöhten Nutzung des öffentlichen Verkehrs geführt habe. ‘Die Postautos werden viel mehr als früher benützt’, ‘Nulltarif führte zu merklicher Zunahme der Postautobenützung’ oder ‘Mehr Umsteiger als allgemein erwartet’ - nur drei Schlagzeilen des Jahres 1988. 

Trotzdem entschied sich die damalige Regierung, diesen Nulltarif-Versuch nach einem Jahr abzubrechen und per 1. Januar 1989 ein attraktives Tarifsystem einzuführen. Der damalige Regierungsrat Wilfried Büchel führte hierzu am 11. November 1988 im Volksblatt aus:
«Aufgrund der Erfahrungen mit dem versuchsweise für ein Jahr eingeführten Nulltarif und der Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleituntersuchungen wurde die Regierung in der Auffassung bestärkt, dass eine attraktive Tarifgestaltung zur vermehrten Benutzung des öffentlichen Verkehrs beiträgt und - wie die vorliegende Studie belegt - auch sogenannte Umsteigeeffekte erzielt werden können.»
Er sollte Recht behalten, wie aus dem Ergebnisbericht ‘Nulltarif im öffentlichen Verkehr’, welcher der Verkehrsbund Vorarlberg in Auftrag gegeben hat und der 2008 veröffentlicht wurde, entnommen werden kann. In diesem werden die Ergebnisse dieser Nulltarif-Versuchsphase von 1988 auch im langfristigen Kontext analysiert. Hierbei wurde festgestellt, dass es bereits im Vorfeld des Nulltarifs Fahrgastzuwächse gab. Dies deshalb, weil im Mai 1987 ein Fahrplanwechsel durchgeführt wurde, mit welchem das Fahrplanangebot um 30 % erweitert wurde. Zwar konnte durch den Nulltarif ein Anstieg an ÖV-Nutzern festgestellt werden, der jedoch auch nach diesem Versuchsjahr und mit dem neuen Tarifsystem ab 1989 weiter zunahm. Dies deshalb, weil das Angebot kontinuierlich und konsequent ausgebaut wurde. Wurden im Jahr 1985 noch knapp eine Million Kilometer gefahren, so betrug die Jahreskilometerleistung im Jahr 2006 über 2.5 Millionen Kilometer. Heute sind wir bei drei Millionen Kilometer.

Die Autoren des Erlebnisberichtes resümieren das Versuchsjahr 1988. Sie führen einerseits aus, dass Fahrgäste offensichtlich erstaunt darüber gewesen seien, wie bequem man mit den Postautos Distanzen überbrücken kann, was sie zuvor angezweifelt bzw. gar nicht gewusst hätten. Andererseits stellen sie fest, dass aus den Intensivinterviews klar herausgekommen sei, dass das Image des Busses deutlich verbessert worden sei. Die Menschen hätten sich nicht mehr so exponiert gefühlt, wenn sie an einer Haltestelle gestanden seien, so die Rückmeldung der Befragten.

Kurzum: Der Nulltarif-Versuch von 1988 war eine super PR-Aktion, mit welcher Berührungsängste gegenüber dem öffentlichen Busangebot abgebaut und die Erfahrungen der Bevölkerung ausgebaut wurden. Darin und in der Erweiterung des Angebots lagen die Hauptgründe, dass die Zahlen der Busbenutzung auch nach 1988 mit einem einfachen Tarifsystem hoch blieben bzw. sogar noch gesteigert werden konnten.

Es gab aber auch Probleme. Die zusätzlichen Fahrgäste konnten nur mit Mühe bewältigt werden, Gäste aus der Schweiz nutzten die Freifahrt für einen günstigen Ausflug ins Berggebiet, der Bus wurde auch für kurze Fahrten benutzt, was besonders in Vaduz zu Überfüllungen führte. Es ging mit dem Nulltarif ein Steuerungsinstrument verloren. Dies waren die Hauptgründe, weshalb die Regierung 1988 beschloss, den Versuch einzustellen. Die Probleme nahmen Überhand. Darüber hinaus gab es Probleme mit den grenzüberschreitenden Linien nach Feldkirch, Buchs, Trübbach oder Sargans, da in der Schweiz und Österreich kein Nulltarif galt. Diese Probleme müssten auch bei einer neuerlichen Einführung eines gratis ÖV und somit bei Umsetzung der Petition zuerst genauestens evaluiert und regionale Lösungsmöglichkeiten erarbeitet werden.

Die Autoren des Erlebnisberichtes resümieren: «Als längerfristige Lösung ist der Nulltarif am Beispiel Liechtensteins nicht geeignet.» Über die Gründe, welche zu diesem Ergebnis führen, wird ausgeführt, dass der Nulltarif gar nicht geeignet ist, um die Fahrgäste beim ÖV zu halten. Dies zeige die Fahrgastentwicklung nach Beendigung des Versuchs. Der alleinige Beitrag eines Nulltarifs zur Lösung der Umwelt- und Verkehrsprobleme sei jedoch bescheiden bzw. nur dann spürbar, wenn parallel zum Nulltarif Restriktionen im motorisierten Individualverkehr umsetzbar seien bzw. Infrastruktur eingespart werden könne.

Weiters wird erwähnt, dass in einer wissenschaftlichen Studie vier Nulltarifprojekte analysiert worden seien. Darin sei festgestellt worden, dass bei grösseren Entfernungen es zu einem bedeutenden Umstieg vom PKW-Verkehr kommen könne. Auf Kurzstrecken gewinne der ÖV vielfach vor allem auf Kosten des nicht motorisierten Verkehrs. Nulltarif habe diesbezüglich sogar negative Umwelteffekte.

Die Frage, ob dann noch Nutzen und Ertrag im Gleichgewicht stehen, stellt sich, zumal die Autoren des Ergebnisberichtes unterstreichen, dass der Nulltarif die relativen Preise zu den Radfahrern und Fussgängern verschlechtere. Durch ihn wird Mobilität in Relation zu den restlichen Gütern zu billig, was bis hin zu unerwünschten und auch ineffizienten Auswirkungen auf die räumliche Struktur führen könne. Mit der alleinigen Einführung des Nulltarifs könne die gewünschte Veränderung im Modal-Split nicht erreicht werden. In Bezug auf den Aktivverkehr sei die Wirkung sogar kontraproduktiv. Dies bedeutet nichts anderes, als der Nulltarif den Langsamverkehr und damit den Fahrrad- und den Fussgängerverkehr konkurrenziert. Wollen wir das? Das kann nicht im Sinne des Erfinders sein.

Mit einem Nulltarif werden wir auch den Staatsbeitrag für LIECHTENSTEINmobil massiv erhöhen müssen - und das jährlich. Gemäss Geschäftsbericht 2019 von LIECHTENSTEINmobil betrugen die Einnahmen aus Fahrschein- und Aboverkauf sowie aus der Fahrscheinkontrolle rund CHF 5.6 Mio. 2018 waren es noch rund CHF 5.1 Mio. Sollten wir - wie auch im Mobilitätskonzept 2030 vorgesehen - die Attraktivität von LIECHTENSTEINmobil erhöhen und ihr Angebot erweitern, werden wir nicht umhin kommen, den Staatsbeitrag an LIECHTENSTEINmobil um rund CHF 6 Mio. jährlich zu erhöhen. Dies umso mehr, als die Einsparungen bei den Vertriebskosten gering sind, da für die grenzüberschreitenden Linien weiterhin eine Verkaufsinfrastruktur notwendig sein wird.

Aus all diesen Gründen geht mir die Variante 1 des Petitionärs, ein ständiger gratis ÖV für alle, zu weit. Nutzen und Ertrag stehen nicht im Verhältnis. Zudem könnte es geschehen, dass sich der gewünschte Effekt sogar nachteilig auf den Langsamverkehr auswirkt. Dies würde somit auch zahlreiche Massnahmen des Mobilitätskonzeptes 2030 in Bezug auf den Langsamverkehr in Frage stellen, was nicht zielführend ist.

Interessant ist hingegen die vom Petitionär vorgeschlagene Variante 2 betreffend gratis ÖV zumindest für alle AHV-Bezüger sowie für Schüler, Studenten und Lehrlinge auch am Wochenende, was heute nicht angeboten wird. Für mich wäre dies eine Alternative und zugleich auch zumindest in Bezug auf die Schüler, Studenten und Lehrlinge eine familienpolitische Massnahme. Dies kann man auch vereinfachen, indem man den öffentlichen Verkehr bis zum 18. Lebensjahr gratis zur Verfügung stellt. Das Problem der grenzüberschreitenden Linien und wie dieser in Bezug auf Tarifierung ausgestaltet sein soll, stellt sich aber auch dann.

Doch jede Art des Nulltarifs wird nur die gewünschte Wirkung erzielen, wenn damit auch flankierende Massnahmen einhergehen. Gerade bei AHV-Bezüger wird der gewünschte Effekt ohne Attraktivitätssteigerung nicht erzielt werden können. AHV-Bezüger fahren nicht vermehrt Bus, nur weil er gratis ist, da für sie beispielsweise auch der Fussweg zur nächsten Bushaltestelle oft zu weit sein kann. Wenn wir wollen, dass mehr Leute Bus fahren, muss der Bus zu den Leuten. Wir können nicht von den Leuten erwarten, dass sie teilweise lange Strecken zu Fuss auf sich nehmen müssen, um zur nächsten Bushaltestelle zu gelangen.

In Bezug auf eine gute verkehrstechnische Anbindung spielt oft auch die Zeit, die benötigt wird, um von A nach B zu kommen, bei der Wahl des Verkehrsmittels eine entscheidende Rolle. Der Ausbau des Busangebotes und die Busbeschleunigung inkl. Ausbau von Busspuren sowie die Erweiterung und Harmonisierung des Ortsbusnetzes sind zentral und haben vermutlich den grösseren gewünschten Umsteigeeffekt als die Installation eines Gratisangebotes.

Der nun aber entstehende und teilweise bereits vorhandene Flickenteppich bei den Ortsbussen ist wieder nachteilig. Wir sollten uns schon das Ziel setzen, dass alle Ortsbusse gleiche Grundvoraussetzungen anbieten und der Ortsbus in Vaduz nicht anders organisiert ist als beispielsweise jener in Eschen. Der eine ist Teil von LIECHTENSTEINmobil und kostet, der andere ist selbstständig und kostenlos. Das kann es in einem solch kleinen Land nicht sein und ist auch dem Ziel, mehr Leute zu animieren den ÖV zu benutzen, nachteilig.

Ich werde die Petition an die Regierung überweisen. Sofern sie sich der Petition annimmt, ist es jedoch ökonomisch wie ökologische Effizienter, den Fokus auf die Variante 2 zu richten. Aber auch dann wird es notwendig sein, flankierende Massnahmen bezüglich Attraktivitätssteigerung des LIECHTENSTEINmobil-Netzes zu installieren, um den gewünschten Umsteigeffekt zu erreichen. Ein Ausbau des Angebotes, Massnahmen zur Busbeschleunigung und Busspuren an verkehrstechnisch neuralgischen Orten müssen dann mit der Einführung eines zeitlich beschränkten Gratisbusses für gewisse Altersgruppen einher gehen.

Freitag, 6. November 2020

Energievision und Energiestrategie

Wir müssen uns realistische Ziele setzen

Landtagsvotum zur Energiestrategie 2030 und Energievision 2050

Ich danke der Regierung für die Ausarbeitung der Energiestrategie 2030 und der Energievision 2050. Ich danke der Regierung auch für den Weg, den sie vorschlägt. Für mich ist der Vorschlag der Regierung ein Kompromiss zwischen Ökologie und Ökonomie den ich unterstützen kann. Es werden realistische und umsetzbare Ziele definiert, die in Einklang mit den mit den Zielen der Klimapolitik der Regierung stehen.

Die Basis der kommenden Energie und Klimapolitik ist das Übereinkommen von Paris. Den dort genannten Zielen haben wir uns mit der Ratifizierung verpflichtet und damit auch der Klimaneutralität 2050. Diese Energiestrategie 2030 sowie die Energievision 2050 sind zwei Eckpfeiler, um dieses Ziel zu erreichen. Die Politik hat sich danach zu richten, weshalb Massnahmen, welche zur Reduktion von CO2 führen, gefördert werden sollen und müssen.

Für mich von Bedeutung ist, dass die angestrebten Ziele und die vorgeschlagenen Massnahmen nicht mit Verboten, Druck und Zwang erreicht werden sollen. Vielmehr wird auf Anreize für Investitionen in erneuerbare Energien, Aufklärung und Sensibilisierung gesetzt. Die Zukunft wird es weisen, ob diese Strategie zum gewünschten Erfolg bzw. Ergebnis führen wird. Ich bin optimistisch, dass sich die Liechtensteiner Bevölkerung und die Wirtschaft sehr wohl der Verantwortung für unsere Umwelt und das weltweite Klima bewusst sind.

Ich unterstütze explizit, dass der Staat als Vorbild vorangeht. Hierbei ist dem Klimaaspekt nicht nur bei den zahlreich geplanten Neubauten höchste Priorität einzuräumen, sondern auch die Sanierung bestehender Gebäude unter der Prämisse der Reduktion der klimatischen Auswirkungen voranzutreiben. Diesbezüglich gilt es für mich gerade bei den vom Landtag genehmigten Hochbauten auch auf neue Innovationen zu setzen. Für mich sollten diese Hochbauten zu Leuchtturmprojekten für unser Land werden, welche auch die Sensibilität in der Bevölkerung für dieses Thema weiter erhöhen.

Die Attraktivität für erneuerbare Energien sowie für alternative Mobilitätsformen sollen gesteigert werden. Die Sicherstellung einer angemessenen Subvention der Anschaffungskosten sowie der Einspeisevergütung für private Photovoltaik-Anlagen ist für mich ebenfalls zwingend, wie die Beibehaltung der Anreizstrukturen für die Sanierung von Altbauten. Diese müssten meines Erachtens punktuell ausgebaut werden, damit die Energieeffizienz von Gebäudehüllen weiter erhöht werden kann. Zudem gilt es die Privatwirtschaft beim Wechsel auf erneuerbare Energie zu unterstützten, damit der Umstieg attraktiv ist und auch betriebswirtschaftlich Sinn macht.

Der Weg zur Klimaneutralität 2050 kann nur gelingen, wenn die klimatischen Auswirkungen einzelner Entscheide transparent dargelegt werden. Die Bevölkerung ist einzubinden, das Wissen von Fachpersonen zu nutzen und neuste Forschungsergebnisse zu berücksichtigen. Ich bedaure es, dass die Regierung der Windkraft zumindest bis 2030 keinen Stellenwert einräumt. Diesbezüglich hätte ich mir weitere Schritte gewünscht.

Ein weiterer Eckpfeiler zum Erreichen der Klimaneutralität ist E-Mobilität. Auch diese gehört weiterhin gefördert, um die Attraktivität zu erhöhen. Dies umso mehr, als die Forschung jährlich grosse Fortschritte macht und sich diese Antriebsform noch massgeblich verbessern dürfte. Es gilt landesweit eine optimale Infrastruktur hierfür anzubieten. Die Beibehaltung der Steuerbefreiung für Elektrofahrzeuge erhöht die Akzeptanz der E-Mobilität ebenfalls.

Für mich ist es zwingend, dass der Landtag nicht nur einen jährlichen Monitoringbericht zur Kenntnis nehmen kann, sondern bei der weiteren Entwicklung und bei den weiteren Massnahmen ein direktes Mitspracherecht bekommt. Für mich ist es zu wenig, wenn die Regierung diesbezüglich nur die Energiekommission und sich selbst einbeziehen möchte.

Alle Massnahmen, die wir beschliessen, werden das Klima nicht retten. Sie werden so gut wie keinen Einfluss auf die Erderwärmung haben. Dafür sind wir zu klein und zu unbedeutend. Und trotzdem ist es wichtig, dass wir dem Übereinkommen von Paris nachleben um gegenüber der internationalen Staatenwelt das Signal aussenden, dass auch wir uns an diesem weltweiten Bestreben, die Erderwärmung zu stoppen oder zumindest zu reduzieren, beteiligen.

Man darf aber auch sagen, dass wir eine Vorreiterrolle bereits innehaben. Gemäss der Internetplattform ‘capital.de’ ist Liechtenstein jenes europäische Land, das pro Kopf am wenigsten zur klimaschädlichen Bilanz des Kontinents beiträgt. Damit kämen wir gerade einmal auf einen Viertel des Werts des europäischen Treibhausgas-Spitzenreiters Luxemburg. Auch darauf darf man hinweisen.

Wir müssen uns realistische Ziele setzen, welche wir auch erreichen und nicht utopische, die scheitern. Diesbezüglich geht die Regierung den richtigen Weg. Mehr geht immer, aber mehr führt nicht zwingend ans Ziel. Der Weg ist das Ziel. Ich bin optimistisch, dass mit den vorgeschlagenen Massnahmen und der vorgeschlagenen Vorgehensweise ein erfolgreicher Weg beschritten wird und das Ziel Klimaneutralität 2050 erreicht wird.

Donnerstag, 5. November 2020

Budget 2021: Stellenwachstum bei der Landesverwaltung

Ein weiter so darf es nicht geben

Landtagsvotum zum Budget 2021 und zur Entwicklung bei der Anzahl der Stellen bei der Landesverwaltung

Ich danke der Regierung für diesen Bericht und Antrag, der eindrücklich zu Tage führt, welche Auswirkungen die Corona-Pandemie auf den Staatshaushalt als Ganzes hat und vermutlich auch noch die kommenden Jahre haben wird, wie auch aus der Finanzplanung 2021-2024 entnommen werden kann.

Die Aufwände nehmen zu, die Einnahmen nehmen ab. In der Privatwirtschaft würde man bei einer solchen Tendenz nicht zu Tagesordnung übergehen. Wir hingegen verlieren immer mehr die CHF 800 Mio. Grenze beim betrieblichen Aufwand aus den Augen. Die Regierung geht für das Jahr 2021 von Ausgaben in der Höhe von CHF 862 Mio. aus, ein Anstieg im Budgetvergleich um CHF 11.5 Mio. Das budgetierte betriebliche Ergebnis weist einen Aufwandüberschuss von CHF 120 Mio. aus; unter Einbezug des Finanzergebnisses in der Höhe von CHF 98 Mio. ergibt sich ein Aufwandüberschuss in der Erfolgsrechnung von CHF 22 Mio.

Hierbei kalkuliert die Regierung erneut mit der langfristigen Durchschnittsrendite von 2.5%. Bei den extern verwalteten Vermögen sollen CHF 40 Mio. durch Kursgewinne erzielt werden. Ob diese Zahl erreicht wird, hängt stark mit Corona zusammen. Sollte ein Wirkstoff gegen den Virus gefunden werden, dürften die Kursgewinne deutlich über der langfristigen Durchschnittsrendite von 2.5% bzw. CHF 40 Mio. zu liegen kommen. Wenn sich die Corona-Situation nicht verbessern sollte, dürften diese Zahlen nur schwer zu erreichen sein. Somit ist diese Kalkulation nachvollziehbar, zumal man momentan nicht abschätzen kann, wie sich das Jahr 2021 entwickeln wird. Zu viel ist noch unsicher.

Bei der Aufwandseite ist die grösste Zunahme beim Personalaufwand zu verzeichnen, der um CHF 9.9 Mio. bzw. 4.3% auf CHF 237.9 Mio. ansteigt. Die massgebliche Lohnsumme beträgt rund CHF 109 Mio., was einem Anstieg von CHF 5.7 Mio. gleichkommt. Ein Teil dieser Erhöhung ist auf den Antrag der Regierung zur Ausrichtung eines fixen Leistungsanteils in der Höhe von 0.8% und eines variablen Leistungsanteils von 0.2% der Gesamtlohnsumme zurückzuführen. Ich befürworte diese beiden Lohnanpassungen und werde somit den Anträgen der Regierung diesbezüglich zustimmen.

Rund CHF 4.7 Mio. dieses Anstieges der Lohnsumme sind jedoch auf die Erhöhung des Bestandes an Stellen zurückzuführen. Die Regierung plant 35.9 unbefristete und 5.9 befristete Stellen neu zu schaffen und möchte diese über die Gesamtlohnsumme genehmigen lassen.

Wenn man die Zahlen der Finanzplanung 2021-2024 betrachtet, wird darin summiert mit einem Defizit im Ergebnis aus der betrieblichen Tätigkeit von CHF 374 Mio. gerechnet. Bei diesen Vorgaben erstaunt der Anstieg an Stellen schon, zumal es sich dabei um wiederkehrende Ausgaben handelt, welche die Regierung gemäss selbst auferlegter Strategie verhindern möchte. Wie gesagt würde man in der Privatwirtschaft bei einem solchen Budget und bei einer solchen zu erwartenden Finanzentwicklung während den kommenden Jahren nicht zur Tagesordnung übergehen. Ein Einstellungsstopp wäre das Mindeste, was in der Privatwirtschaft umgesetzt würde. Davon ist die Regierung weit entfernt. Zwischen dem 31. August 2019 und dem 31. August 2020 hat sich der Beschäftigungsgrad um 46.75 Stellen erhöht, wofür der Personalbestand um 50 Personen erhöht wurde. Demgegenüber wies die Regierung im Rahmen des Voranschlages 2020 eine Ausweitung von rund 22 unbefristeten Stellen. Ich bitte die Regierung Ausführungen zu machen, weshalb sich die Ausweitung an neuen Stellen gegenüber dem Voranschlag 2020 verdoppelt hat.

Die Regierung beantragt nun für das Jahre 2021 weitere insgesamt 35.9 unbefristete und 5.9 befristete Stellen zu schaffen. Seit dem 31. August 2019 und mit dem Antrag für das Jahr 2021 hat sich der Beschäftigungsgrad um knapp 90 Stellen erhöht. Das sind mehr als 10% gegenüber dem gesamten Beschäftigungsgrad von 867.2 Stellen per Ende 2020. Das ist zu viel. In einer solch auch in Bezug auf die Entwicklung des Staatshaushaltes unsicheren Zeit, so viele neue Stellen zu schaffen, ist für mich ein falsches Signal. Dies umso mehr, als bei einigen Stellen durchaus hinterfragt werden kann, ob sie notwendig sind oder nicht.

Diesbezüglich möchte ich ein paar Beispiele nennen:

1.) Digitalisierung: Die Regierung führt aus, dass zahlreiche mittel- und langfristige Projekte aus den Amtsstellen, welche zwingend notwendig sind, um beispielsweise die Vorgaben des neuen E-Government Gesetzes umzusetzen, dafür verantwortlich sind, dass beim Amt für Information drei neue Stellen geschaffen werden müssen.

Diese drei neuen Stellen unter anderem mit den Vorgaben des E-Government Gesetzes zu begründen, wirft für mich Fragen auf. Im Bericht und Antrag zur Abänderung des E-Government Gesetzes Nr. 47/2020, also eine Vorlage dieses Jahres, kann bei den personellen Auswirkungen auf Seite 46 nachgelesen werden: «Die gegenständliche Vorlage hat keine personellen, organisatorischen und räumlichen Auswirkungen.» Bereits 2011, als das E-Government Gesetz geschaffen wurde, ist im Bericht und Antrag zur 1. Lesung Nr. 66/2011 zu lesen: «Die Umsetzung der Vorlage hat somit keine Auswirkungen in personeller Hinsicht.»

Das geht meines Erachtens nicht. Man kann nicht ein E-Government Gesetz schaffen, es dieses Jahr sogar abändern und gegenüber dem Landtag jeweils betonen, dass dies keine personellen Auswirkungen habe und dann wenige Monate später im Budget drei neue Stellen ankündigen. Ich bin gespannt, wie die Regierung diesen Widerspruch zwischen den Bericht und Anträgen Nr. 66/2011 und Nr. 47/2020 und dieser angekündigten Schaffung von drei Stellen begründet.

2.) Amt für Volkswirtschaft: Für die Durchführung und den Vollzug der Geldspielaufsicht werden drei zusätzliche Stellen beim Amt für Volkswirtschaft beantragt. Letztes Jahr, im Bericht und Antrag zum Voranschlag 2020 steht auf Seite 27 geschrieben: «Für die Durchführung und den Vollzug der Geldspielaufsicht sind zwei zusätzliche Stellen beim Amt für Volkswirtschaft notwendig.» 

Geschätzte Abgeordnete, in Liechtenstein gibt es aktuell fünf Casinos, zwei weitere sind im Gespräch, also könnten es nächstes Jahr sieben Casinos sein. Für die Aufsicht dieser sieben Casinos wären dann acht Personen zuständig, also mehr als eine Person pro Casino.

Interessant ist diesbezüglich der Vergleich zur Schweiz: Die Geschäftsstelle der Eidgenössischen Spielbankenkommission besteht aus 11 Personen, die Schweiz besitzt 21 Casinos mit A- oder B-Konzession, also rund 0.5 Personen pro Casino.

Ich bin schon dafür, dass die Casinos kontrolliert werden, das ist richtig, wichtig und gesetzlich ja auch so festgehalten. Doch ich frage mich, weshalb bei uns doppelt so viele Stellenprozente wie in der Schweiz für die gleiche Arbeit benötigt werden.

3.) Amt für Bau und Infrastruktur: Für das Amt für Bau und Infrastruktur werden sechs neue Stellen ausgewiesen. Letztes Jahr wurden bereits drei zusätzliche Stellen veranschlagt. Letztes Jahr wurde eine Stelle für den Bereich Verkehrsplanung bzw. Verkehrspolitik des Landes geschaffen, nun sollen weitere vier Stellen die Umsetzung des Mobilitätskonzeptes geschaffen werden. Fünf Stellen in zwei Jahren - trotz Nein zu S-Bahn. Darüber hinaus ergeben sich für mich Fragen in Bezug auf die Beilage 1 ‘Übersicht neue Stellen’ im Vergleich zu den Ausführungen im Bericht und Antrag.

Weshalb werden bei der Übersicht für den Landerwerb 2 Stellen ausgewiesen, im Bericht jedoch nur von einer Fachperson für den Landerwerb gesprochen?

Im Bericht und Antrag zur S-Bahn wird für den Bereich Landerwerb von 200 zusätzlichen Stellenprozenten für die Umsetzung der S-Bahn erwähnt. Weshalb werden diese 200 Stellenprozente nun trotzdem benötigt, obwohl die S-Bahn nicht gebaut wird? 

Vor der Volksabstimmung über die S-Bahn sind private Immobilienunternehmen im Auftrag des Amtes für Bau und Infrastruktur an Privatpersonen herangetreten, um Landerwerbe, welche für den Bau der S-Bahn notwendig gewesen wären, umzusetzen. Weshalb werden Stellen für Landerwerbe benötigt, obwohl dies privaten Unternehmen übertragen wurde? Sind weitere derartige Aufträge an private Unternehmen ergangen?

Diese Liste liesse sich noch verlängern. Die Argumente, mit welchen teilweise neue Stellen geschaffen werden, sind teilweise spärlich und wenig überzeugend, weshalb ich einer Reduktion der Gesamtlohnsumme - wie von meiner Fraktion beantragt - zustimme.

Der Landtag hat sich mit der Schaffung des Staatspersonalgesetzes in Art. 5, der am 1. Januar 2011 in Kraft getreten ist, Rechte in Bezug auf den Stellenplan und die Genehmigung von Stellen nehmen lassen. Vor 2011 war die Regierung verpflichtet, dem Landtag einen Bericht und Antrag betreffend Bestand und bedarf an Stellen bei der Regierung, der Landesverwaltung, den Gerichten und dem Landtag vorzulegen. Damit musste die Schaffung neuer Stellen vom Landtag bewilligt werden, nicht über die Gesamtlohnsumme, sondern über die Anzahl stellen. Ich erachte es als einen überlegenswerten Ansatz, wieder zur ehemaligen Vorgehensweise inkl. eigener Bericht und Antrag in Bezug auf die Schaffung von Stellen zurückzukehren und eine diesbezügliche Gesetzesänderung ins Auge zu fassen. Ich bin überzeugt, dass dies eine dämpfende Wirkung auf die Schaffung neuer Stellen hätte.

Interessant ist, dass die Regierung in der Finanzplanung 2021-2024 auf Seite 32 unter dem Kapitel ‘Neue Stellen’ je CHF 0.3 Mio. pro Jahr für das Stellenwachstum aufgrund des wachsenden Aufgabengebietes der Landesverwaltung berücksichtigt. Wenn ich das Stellenwachstum der letzten Jahre mit jenem vergleiche, welches die Regierung in der Finanzplanung prognostiziert, stelle ich eine hohe Diskrepanz fest. Ich bitte die Regierung Ausführungen dazu zu machen, weshalb sie das jährliche Stellenwachstum der kommenden Jahre gegenüber jenem der vergangenen Jahre so unterschiedlich bewertet. Weshalb geht die Regierung davon aus, dass es bis 2024 nur noch wenige neue Stellen braucht? Was wird betreffend die Schaffung neuer Stellen in den kommenden Jahren anders sein als in den vergangenen Jahren?

Für mich geht es so nicht weiter. Es muss eine Lösung gefunden werde, wie diesem exorbitanten Anstieg an neuen Stellen Einhalt geboten werden kann, auch weil es sich hierbei um wiederkehrende Ausgaben handelt. Das kann nicht zielführend sein und wird unseren Staat als auch unsere Verwaltung über kurz oder lang vor Probleme stellen. Es braucht Antworten darauf, wie man mit dieser Entwicklung umzugehen gedenkt und welche Massnahmen ins Auge gefasst werden können, um sie zu brechen. Nur ein weiter so wie bisher, darf es nicht geben.

Mittwoch, 4. November 2020

Bergbahnen Malbun AG II

Ein Referendum würde niemandem helfen, am wenigsten den Bergbahnen

Mein Landtagsvotum zum zinslosen Darlehen für die Bergbahnen Malbun AG im Namen der Fraktion der FBP

Wir alle in diesem Haus haben vermutlich dasselbe Ziel: Wir wollen, dass die Liftanlagen der Bergbahnen Malbun AG anfangs Dezember ihren Betrieb aufnehmen und im kommenden Winter in Malbun von vielen Liechtensteinerinnen und Liechtensteinern sowie Touristen alpiner Skisport ausgeübt werden kann. Darin dürfte in diesem Haus Einigkeit herrschen.

Die Vorlage der Regierung hat zwei Stossrichtungen - eine kurzfristige und eine langfristige. Kurzfristig will sie damit den Betrieb der Bergbahnen Malbun AG während des bevorstehenden Winters sichern. Dies möchte sie mit der Gewährung eines zinslosen Darlehens in der Höhe von CHF 1.5 Mio. erreichen. Mit den Anträgen c und d möchte sie darüber hinaus den Startschuss geben, um die Bergbahnen Malbun AG langfristig auf eine funktionierende betriebswirtschaftliche Grundlage zu stellen.

Die Fraktion der FBP kommt zum Schluss, dass das Vorgehen der Regierung in seiner Grundausrichtung richtig ist. Es braucht beides: kurzfristige finanzielle Unterstützung, um den Winterbetrieb 20/21 zu sichern und eine nachhaltige betriebswirtschaftliche Grundlage. Es geht nicht nur um die Bergbahnen Malbun als Aktiengesellschaft, sondern auch um das gesamte Naherholungsgebiet Malbun mit all seinen Unternehmen und Betrieben sowie den dazugehörenden Arbeitsplätzen. Die Bergbahnen Malbun AG sind - zumindest im Winter - die Lebensader des gesamten Naherholungsgebietes. Da alle Unternehmen des Malbuns den überwiegenden Teil ihrer Umsätze im Winter erwirtschaften, ist die Bergbahnen Malbun AG systemrelevant. Ohne Bergbahnen gibt es in Malbun keine Restaurants, keine Hotels, keine Skischule, keine Verkaufsgeschäfte, kein Kulturangebot. Ein Malbun ohne Bergbahnen bedeutet ein Malbun ohne Wintertourismus. Nur mit Sommertourismus sind die Unternehmen des Malbuns auf die Dauer nicht überlebensfähig. Deshalb ist es richtig, dass die Regierung nicht nur mit einem Finanzbeschluss zur Sicherstellung des Betriebes der Bergbahnen Malbun AG im Winter 2020/21 an den Landtag gelangt, sondern auch die Gewährung eines zinslosen Darlehens an Bedingungen knüpft, welche sie vom Landtag genehmigt haben möchte.

Zurück zur kurzfristigen Zielsetzung der finanziellen Absicherung der Wintersaison 2020/21.

Im März, im Rahmen der Debatte zum Postulat ‘Weiterentwicklung Naherholungsgebiet Malbun’, ging Regierungschef-Stellvertreter Daniel Risch noch davon aus, dass das Geld der Bergbahnen noch ein bisschen reiche, wie er es nannte. Auch er konnte damals noch nicht ahnen, dass die Bergbahnen rund zwei Wochen nach dieser Einschätzung wegen der Entwicklung und Ausbreitung der Corona-Pandemie die Saison vorzeitig beenden und damit auch Einnahmen ausblieben. Die Situation rund um den Corona-Virus hat sich in der Zwischenzeit eher noch verschärft und wird den Betrieb der Bergbahnen Malbun AG auch während des kommenden Winters tangieren. Ob es zu Einnahmenreduktionen von rund einem Drittel kommen wird, wie prognostiziert, wird sich weisen.

Die FBP-Fraktion ist der Ansicht, dass es sich bei der Schätzung, dass es wegen Corona zu einem Minderertrag von 30 % während der kommenden Wintersaison kommen wird, um ein Worst-Case-Szenario handelt. Ob dies so eintrifft, hängt auch in starkem Masse vom Wetter und der Schneesituation ab. Die Bergbahnen sind - wie im Gutachten aus operativer Sicht ausgeführt wird - von einem hohen Tagesgast-Aufkommen abhängig. Und wie hoch dieses sei, hänge stark mit dem Wetter und der Schneelage zusammen, so die Autoren. Sollten diese Grundvoraussetzungen positiv sein, wird es trotz Corona die Menschen ins Freie ziehen, damit sie den Winter geniessen und dem alpinen Skisport frönen können.

Wissen tun wir es alle nicht. CHF 1 Mio. dieser beantragten CHF 1.5 Mio. sollen auf Basis einer Vermutung in Bezug auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Wintertourismus in der kommenden Wintersaison als zinsloses Darlehen gewährt werden. Die FBP-Fraktion ist jedoch der Ansicht, dass es nicht zielführend ist, wenn der Bergbahnen Malbun AG auf Grundlage einer Vorhersagung ein zinsloses Darlehen gewährt wird. Dies umso mehr, als die Nachtragskredite, welche wir aufgrund der Corona-Pandemie in der September-Sitzung gewährten, nicht auf Vorhersagen beruhten, sondern sich auf konkrete Zahlen zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie stützten. Wir sollten von diesem Vorgehen nicht abrücken.

Dies umso mehr, als dieses Vorgehen auch in der Bevölkerung auf Unverständnis stossen würde. Sowohl in den sozialen Medien wie auch in Leserbriefen wurde bereits ein Referendum in Aussicht gestellt. Diese Stimmen gilt es ernst zu nehmen und ein Referendum über diesen Finanzbeschluss würde niemandem helfen, am wenigsten den Bergbahnen.

Die FBP-Fraktion anerkennt jedoch den Liquiditätsengpass, den die Bergbahnen während des Winters verhindern möchten. Die FBP-Fraktion ist der Ansicht, dass mit einem zinslosen Darlehen allein für diesen Bereich in der Grössenordnung von CHF 200'000.-- der Engpass behoben werden kann. Im April 2021, also am Ende der Saison, lassen sich dann auch die konkreten Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Bergbahnen beziffern. Sollten sich die prognostizierten Zahlen bewahrheiten, könnte im Frühling ein weiterer Kredit beantragt werden, welcher sich dann auf die konkreten betriebswirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Wintersaison der Bergbahnen stützen würde. Ein Vorgehen, das wir bei den anderen Institutionen ebenfalls angewandt haben.

Die FBP-Fraktion unterstützt die Ausführungen der Regierung hinsichtlich des Investitionsstaus und die Finanzierung der geplanten Investitionen in der Grössenordnung von CHF 500'000.--. Diese sind notwendig und nachvollziehbar dargelegt. Aus diesem Grunde wird die FBP-Fraktion im Rahmen des Finanzbeschlusses beantragen, den Gesamtbetrag des zinslosen Darlehens von CHF 1.5 Mio. auf CHF 700'000.-- zu reduzieren.

Auch damit kann die Bergbahnen Malbun AG die gewünschten Investitionen tätigen und es ist die Gefahr gebannt, dass die Bergbahnen im Verlauf des Winters 20/21 in ihrer Existenz und somit in ihrem Betrieb gefährdet sind. Dies umso mehr, als die Konsortialbanken auf die Amortisationszahlungen für den Kredit für das JUFA-Hotel per 31. Dezember 2020 von je CHF 180'000.-- verzichten und die Gemeinde Triesenberg den Baurechtszins für das JUFA stundet. Damit verbessert sich die im Bericht und Antrag dargelegte finanzielle Ausgangslage für den Winter 2020/21 um knapp CHF 400'000.--, was diesen Kürzungsantrag ebenfalls rechtfertigt. Mit der Kürzung des Betrages um mehr als die Hälfte gegenüber dem Antrag der Regierung soll auch das Signal nach Aussen gesandt werden, dass der Landtag ein strenges Auge auf die finanziellen Auswirkungen dieser Krise der Bergbahnen hat und haben wird. Aber gleichzeitig wird damit auch das Bekenntnis abgegeben, den alpinen Skisport in Liechtenstein nicht sterben lassen zu wollen.

Nun zur langfristigen Komponente und zu den Anträgen der Regierung. Die FBP-Fraktion wird folgende Abänderungsanträge bzw. Ergänzungsanträge stellen:

Antrag c soll mit dem Zusatz „wobei kein Geld an die Bergbahnen Malbun-JUFA AG fliessen darf,“ ergänzt werden.

Darüber hinaus beantragt die FBP-Fraktion einen Antrag d sowie einen Antrag e einzufügen.

Antrag d lautet: die Regierung beauftragen, bis spätestens Juni 2021 dem Landtag Varianten zur Weiterentwicklung des Naherholungsgebietes Malbun/Steg vorzulegen,

Antrag e lautet: die Regierung beauftragen, im Herbst 2021 dem Landtag einen Bericht und Antrag über die zukünftige Ausrichtung der BBM sowie einen Vorschlag zu den Varianten einer nachhaltigen Sanierung der BBM einschliesslich der damit jeweils verbundenen Konsequenzen vorzulegen,

Folglich würde Antrag d der Regierung zum Antrag f. Dieser Antrag könnte dann um den Wortlaut des letzten Teilsatzes ‚und dem Landtag entsprechende Vorlagen vorzulegen‘ gekürzt werden. Antrag f würde somit lauten: die Regierung beauftragen, bis spätestens Ende 2022 die BBM nachhaltig auf eine neue Grundlage zu stellen.

Bei den Liftanlagen der Bergbahnen Malbun AG handelt es sich um eine Sportstätte von landesweiter Bedeutung, dies dürfte unbestritten sein. Auf Basis dieser Feststellung ist es richtig, dass sich die Regierung Gedanken um die zukünftige Ausrichtung des Naherholungsgebietes Steg/Malbun als auch um die Fortführung des Betriebes der Bergbahnen Malbun AG macht. Diese Um- bzw. Neustrukturierung des Liechtensteiner Naherholungsgebietes bedingt zweierlei: einerseits soll der Landtag der Regierung konkrete zeitliche Vorgaben mit auf den Weg geben; andererseits soll dieser Prozess in Zusammenarbeit zwischen Landtag und Regierung durchgeführt werden. Wenn man das ‚Gutachten Bergbahnen Malbun AG aus operativer Sicht‘ liest, kann man feststellen, dass nicht nur die finanzielle Situation der Bergbahnen ein Problem darstellt, sondern auch die Angebote und Dienstleistungen verbessert und unter Umständen erweitert werden müssen. Sätze des Gutachtens wie „Für eine nachhaltige Bergbahnenentwicklung müssen zwingend in den nächsten zwei Jahren gewisse Weichen gestellt werden, ansonsten ist es unwahrscheinlich, diese Bergbahn ohne jährliche Finanzspritzen am Leben zu erhalten“ oder „Sofern eine Sanierung ins Auge gefasst wird, muss eine rigorose Entschuldung stattfinden. Es genügt nicht eine halbherzige Variante umzusetzen“ untermauern die Dringlichkeit.

Auf Basis der Ausführungen des Gutachtens steht fest, dass grundlegende Entscheide gefällt werden müssen, die nicht nur für die Bergbahnen relevant sind, sondern mit der gewünschten Weiterentwicklung des gesamten Naherholungsgebietes Malbun/Steg abgestimmt werden müssen. Deshalb ist es wichtig, dass der Landtag von der Regierung bis Juni 2021 Varianten zur Weiterentwicklung des Naherholungsgebietes Malbun/Steg verlangt und auch bekommt.

Lassen Sie mich diesen Antrag der FBP-Fraktion mit einem Beispiel untermauern. Im Gutachten steht geschrieben:

„Die BBM verfügt über eine kleine Beschneiungsanlage, die den heutigen Bedürfnissen und zur Sicherstellung des Winterbetriebes nicht mehr entspricht. Heute sollte bei kalten Temperaturen eine Grundbeschneiung innerhalb von drei Tagen erfolgen. Ansonsten kann keine Schneesicherheit gewährleistet werden. Diese Notwendigkeit erfordert hohe Investitionen in die Beschneiung. Für kleinere und mittlere Bergbahnunternehmungen ist dies fast nicht aus eigenen Mitteln realisierbar.»Wollen wir, dass die künstliche Beschneiung in Malbun ausgebaut wird? Wollen wir, dass die Sareiserseite künstlich beschneit wird? Wollen wir, dass ein hierzu notwendiger Speichersee erstellt wird? Wollen wir, dass Malbun innerhalb von drei Tagen schneesicher gemacht werden kann? Alles Fragen, die geklärt werden müssen, die aber nicht nur mit den Bergbahnen an sich zu tun haben, sondern in eine Gesamtevaluation zur Weiterentwicklung des Naherholungsgebietes Steg/Malbun einfliessen müssen. Das ist - wie gesagt - nur ein Beispiel.

Auch die Frage nach dem ‘Wie weiter mit dem Sommerangebot?’ ist ein weiteres zentrales Element, welches zuerst geklärt werden muss, bevor über die zukünftige Ausrichtung der Bergbahnen Malbun AG entschieden wird. Deshalb ist es von übergeordneter Bedeutung, zuerst eine solche Gesamtstrategie vorliegen zu haben, bevor man über zukünftige Ausrichtung der Bergbahnen sowie einen Vorschlag zu den Varianten einer nachhaltigen Sanierung der Bergbahnen Malbun AG einschliesslich der damit jeweils verbundenen Konsequenzen macht.

Die FBP-Fraktion ist der Ansicht, dass dieser auf Seite 31 des Berichtes dargelegte 2. Schritt auch als konkreter Auftrag in die Anträge aufgenommen werden sollte, weshalb die FBP-Fraktion die Anträge der Regierung um einen Buchstaben e erweitert. Dieser Antrag auf Einfügung eines Buchstaben e lehnt sich an die Ausführungen der Regierung auf Seite 31 des Berichtes an und verlangt nichts anderes, als das was die Regierung als 2. Schritt bezeichnet.

Bei diesem 2. Schritt geht es um die nachhaltige Sanierung der Bergbahnen. Diese Sanierung muss neutral angegangen werden. Es müssen für verschiedenste Varianten alle Für und Wider, alle Pros und Contras evaluiert und transparent dargelegt werden. Die FBP-Fraktion zweifelt, ob das zuständige Ministerium bereit ist, alle Varianten zu evaluieren. Wenn man die Medienberichterstattung zur Präsentation dieses Berichtes liest, muss man zum Ergebnis kommen, dass eine vorgefertigte Meinung vorherrscht. Das Vaterland als auch Volksblatt titeln, dass die Bergbahnen verstaatlicht werden sollen. Das Vaterland zitiert den Regierungschef-Stellvertreter mit den Worten: „Unser Ziel ist eine gesunde Organisation als öffentliches Unternehmen mit Fokus auf Bergbahnbetrieb, den Pistenunterhalt und die Gastronomie am Berg.“ Das Volksblatt schreibt, dass „in einem dritten Schritt die BBM nachhaltig auf eine neue Grundlage gestellt werden, wobei die Regierung eine Überführung der Bergbahnen Malbun AG in ein öffentliches Unternehmen grundsätzlich befürwortet.“ Ähnliches ist auch auf den Seiten 33 und 34 des Berichts der Regierung zu lesen, obwohl dort ein wenig abgemildert wird und punktuell nur von einer allfälligen Überführung der BBM in ein öffentliches Unternehmen gesprochen wird.

Es scheint, dass die Regierung mit einer vorgefertigten Meinung an diese Sanierung herantritt. Dies obwohl - zumindest was den Kenntnisstand der FBP-Fraktion betrifft - keine konkreten Untersuchungen zu irgendeiner Variante getätigt wurden. Für die FBP-Fraktion ist die Verstaatlichung der Bergbahnen Malbun AG zumindest unter den jetzt bekannten Vorzeichen kein gangbarer Weg und sicher nicht der einzig mögliche Weg. Es haben alle Varianten abgeklärt und dem Landtag zur Kenntnis gebracht zu werden. Hierzu gehören beispielsweise sowohl die Weiterführung der heutigen Aktiengesellschaft mit Installation einer Leistungsvereinbarung als auch die Insolvenz der Bergbahnen Malbun AG und die Übernahme der Aktiven durch das Land oder durch Dritte, also sozusagen zurück auf Feld 1 und Neubeginn. Die Regierung hat dann die Möglichkeit, aufgrund von Zahlen, Daten und Fakten eine dieser Varianten zu priorisieren und dem Landtag zur Umsetzung vorzuschlagen, aber auf Basis von Zahlen, Daten und Fakten und nicht auf Grundlage von Vermutungen.

Die Regierung erwähnt diesen Weg in ihrem Bericht auf Seite 32 selbst, jedoch nur in Bezug auf die Entflechtung der Struktur, was einer grossen Herausforderung gleichkommen würde. Entscheide sollten nicht danach gefällt werden, was einfach und was schwierig ist bzw. was eine grosse Herausforderung darstellt und was nicht, sondern was dem Naherholungsgebiet Steg/Malbun und damit auch den Bergbahnen am meisten nützt und was nachhaltig ist oder eben nicht.

Die FBP-Fraktion ist der Ansicht, dass einzig den einfachsten Weg einer Verstaatlichung zu prüfen und zu wählen, scheitern wird. Wir sind der Ansicht, dass eine unter diesen Vorzeichen wahrscheinliche Volksabstimmung auf dieser Grundlage - wenn überhaupt - nur sehr schwer zu gewinnen sein wird.

Und dann gilt es auch noch die Standortgemeinden Vaduz und Triesenberg mit ins Boot zu holen. Bereits im Frühling wurde im Rahmen der Postulatsdiskussion die Wichtigkeit untermauert, die Standortgemeinden in diesen Prozess miteinzubeziehen, dieser Aspekt fehlt im Bericht der Regierung beinahe vollständig. Triesenberg und Vaduz haben ihren Anteil daran zu leisten, das wird auch von der Bevölkerung erwartet.

Abschliessend noch ein Wort zum Jufa-Hotel. Die FBP-Fraktion begrüsst das Vorhaben der Regierung, dass das Jufa-Hotel aus den Bergbahnen herausgelöst werden soll. Das ist für uns sogar zwingend, weshalb wir den Antrag c der Regierung mit dem Vermerk ‚wobei kein Geld an die Bergbahnen Malbun-JUFA AG fliessen darf‘ erweitern möchten und dies auch beantragen. Wir hinterfragen jedoch, ob sich mit den gegenwärtigen Grundvoraussetzungen und der aktuellen Corona-Situation zu einem vernünftigen Preis ein Käufer finden lassen wird. Daran darf die langfristige Ausrichtung der Bergbahnen nicht scheitern und es wird auch erwartet, dass die Gemeinde Triesenberg als Baurechtsgeber des Grundstücks mitarbeitet, dieses Ziel zu erreichen. Sollte es zum Heimfall kommen, wird die Gemeinde Triesenberg die Nachteile auf sich nehmen müssen, was nicht im Sinne der Gemeinde sein kann und wohl auch nicht sein wird.

Aus all diesen Überlegungen bittet Sie die FBP-Fraktion, ihre Anträge zu unterstützen. Es geht jetzt darum, unser Naherholungsgebiet und damit auch die Bergbahnen kurzfristig über den Winter zu helfen und im kommenden Herbst dann langfristig auf eine betriebswirtschaftlich nachhaltige Grundlage zu stellen. Mit den Anträgen der FBP-Fraktion können diese beiden Ziele erreicht werden. Mehr noch: Mit ihnen wird der Regierung ein klarer Zeitrahmen vorgegeben und eine enge Zusammenarbeit von Regierung und Landtag umgesetzt.

Sonntag, 18. Oktober 2020

Bergbahnen Malbun AG

Keine Staatsaufgabe

Antwort auf die LIEWO-Frage vom 22. Oktober 2020

Ist es Aufgabe des Staates, Bergbahnen zu betreiben oder sogar Restaurants zu besitzen und zu verpachten? Das sind die grundlegenden Fragen, welche gestellt werden müssen, wenn es um die Antwort auf die Frage hinsichtlich einer Verstaatlichung der Bergbahnen Malbun AG geht. Meines Erachtens sind dies keine Kernaufgaben eines Landes, weshalb ich einer Verstaatlichung der Bergbahnen Malbun AG kritisch gegenüberstehe. Bei dieser Frage gilt es aber auch zu berücksichtigen, dass die Bergbahnen die Betriebsgrundlage für etliche Hotels, Restaurants und Geschäfte und damit für zahlreiche Arbeitsplätze sind, weshalb den Bergbahnen eine Systemrelevanz für unser Berggebiet zuerkannt werden muss. Des Weiteren darf die Bedeutung des Malbuns und damit auch der Bergbahnen als Naherholungsgebiet für die Liechtensteiner Bevölkerung als auch als touristische Lebensader unseres Landes nicht ausser Acht gelassen werden. Zweckmässiger als eine Verstaatlichung erachte ich es deshalb, wenn das Land mit der Bergbahnen Malbun AG eine Leistungsvereinbarung für jene Angebote, welche die Bergbahnen zum Vorteil für das Naherholungsgebiet, die dortige Wirtschaft und den Tourismus erbringen, abschliesst.

Donnerstag, 1. Oktober 2020

Sicherung der AHV

Es darf kein weniger Netto vom Brutto daraus resultieren

Landtagsvotum zur langfristigen finanziellen Sicherung der AHV

Die AHV ist kein Sanierungsfall. Diese Feststellung wurde von zahlreichen Abgeordneten im Rahmen der Debatte um das versicherungstechnische Gutachten für die AHV im März dieses Jahres geäussert und vom zuständigen Regierungsmitglied letzte Woche in einem Radio L Interview untermauert.

Ich teile diese Meinung, die AHV ist aktuell wirklich kein Sanierungsfall. Dies umso mehr, als gemäss versicherungstechnischem Gutachten die gesetzliche Vorgabe, die AHV-Reserven in 20 Jahren bei mindestens 5 Jahresausgaben zu halten, nicht deutlich, sondern nur knapp verfehlt wird. Die von der Regierung vorgeschlagenen Massnahmen verbessern das Verhältnis von Fondsvermögen zu Jahresausgaben um insgesamt 0.96 Einheiten, womit sich dieses per Ende 2038 im Rahmen der Modellannahmen auf 5.22 anhebt.

Damit - das muss man leider auch feststellen - wird das angestrebte Ziel nur knapp übertroffen. Sehr viel Reserve bleibt da nicht und es darf wohl davon ausgegangen werden, dass in fünf Jahren, wenn das nächste versicherungstechnische Gutachten vorliegt, dieselbe Diskussion wieder geführt wird und erneut Massnahmen beschlossen werden müssen. Dann wird man um eine punktuelle AHV-Reform wohl nicht herumkommen und die Rentenalter-Erhöhung wird vermehrt in den Mittelpunkt rücken, zumal mit einer einjährigen Erhöhung das Verhältnis von Fondsvermögen zu Jahresausgaben um insgesamt 0.74 Einheiten angehoben wird.

Es besteht die Gefahr, dass in fünf Jahren die Einschätzung, dass die AHV kein Sanierungsfall sei, nicht mehr so bedenkenlos geäussert werden kann. Es darf nämlich nicht ausser Acht gelassen werden, dass das Verhältnis von Fondsvermögen zu Jahresausgaben heute noch 10.2 beträgt. Das heisst: es wird bis 2036 mehr als halbiert. Die Absturzhöhe ist enorm und sollte Anlass zur Sorge machen.

Die Regierung hat den gesetzlichen Auftrag erfüllt und mit den heute zur Diskussion stehen Anträgen das angestrebte Ziel erreicht. Neben den CHF 100 Mio. als Einmaleinlage schlägt die Regierung eine Erhöhung des Beitragssatzes von 8.1 Prozent auf 8.7 Prozent vor. Diese Erhöhung soll ab dem 1. Januar 2022 zum Tragen kommen. Die aufgrund der Beitragserhöhung resultierende Mehrbelastung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer soll teilweise mit einer Reduktion der Beiträge an die Familienausgleichskasse (FAK) ausgeglichen werden.

Auffallend ist, dass es die CHF 100 Mio. aus der Staatskasse an die AHV gar nicht brauchen würde, um die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen. Mit der Beitragserhöhung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer um 0.6 Prozent wäre der gesetzlichen Forderung mit der Anhebung des Verhältnisses auf 5 genüge getan. Dies bestätigt die Regierung auch auf Seite 5 f. des Berichts. Sie strebe nicht nur das Minimum an, sondern möchte aufgrund von Unwägbarkeiten das Verhältnis etwas stärker verbessern. 

Keine Frage: CHF 100 Mio. sind enorm viel Geld. CHF 100 Mio. sind aber im Verhältnis zur gesamten AHV eigentlich nicht der Rede wert. Gemäss Geschäftsbericht 2019 der AHV wurden letztes Jahr Leistungen in der Höhe von CHF 304.37 Mio. ausbezahlt, also rund CHF 25 Mio. pro Monat. Das heisst: Es dauert also gerade Mal vier Monate, bis die Einmaleinlage in die AHV von CHF 100 Mio. aufgebraucht ist. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass der Marktwert der Anlagen der AHV per 31. Dezember 2019 rund CHF 3.2 Mia. betrug, machen die CHF 100 Mio. aus der Einmaleinlage gerade noch 3 Prozent des Anlagenwertes per Ende 2019 aus.

Beide Vergleiche belegen: CHF 100 Mio. sind zwar ein stolzer Betrag, sie sind aber im Verhältnis zur aktuellen Ausgangslage bei der AHV einen Tropfen auf den heissen Stein. Sie sind Symptombekämpfung ohne Nachhaltigkeit. Sie sind einzig dazu geeignet, eine technische Zahl um 0.23 Einheiten anzuheben, damit - wohlgemerkt auf Basis von Modellannahmen - nicht das gesetzliche Minimum erreicht wird, sondern ein wenig ein Puffer eingebaut wird. Ein Puffer, der rasch verpuffen wird und keine nachhaltigen positiven Auswirkungen auf die AHV haben wird.

Ich kann einem Nachtragskredit über CHF 100 Mio., der einzig und allein die Erhöhung einer technischen Zahl um 0.23 Einheiten bezweckt, und der zudem aus dem Blickwinkel der gesetzlichen Vorgaben gar nicht notwendig wäre, nicht zustimmen.

Am zweiten Vorschlag, der Beitragserhöhung, wird wohl kein Weg vorbeiführen, zumal dieser notwendig ist, um den gesetzlichen Vorgaben Rechnung zu tragen. Um diese Beitragserhöhung zu mindern, soll - wie erwähnt - die daraus resultierende Mehrbelastung mit einer Reduktion der Beiträge an die Familienausgleichskasse teilweise ausgeglichen werden. Diese sollen um 0.24 Prozentpunkte reduziert werden. Diese Minderbelastung der Arbeitgeber soll paritätisch auf die Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeteilt werden, so dass die ab dem 1. Januar 2022 die effektive Zusatzbelastung je 0.18 Prozentpunkte des AHV-pflichtigen Lohns betragen soll.

Dieses Vorhaben stösst auf teilweise heftige Kritik der Vernehmlassungsteilnehmer. Es wird darauf hingewiesen, dass diese Beitragserhöhung zu früh komme, da vor wenigen Jahren bereits eine Beitragserhöhung vorgenommen worden sei. In Bezug auf die Minderbelastung durch die Reduktion der Beiträge an die Familienausgleichskasse ergäbe sich eine Querfinanzierung und zudem würden zwei Finanzierungstöpfe unnötigerweise miteinander vermischt. Alles Bedenken, die ich nachvollziehen kann. Auch die Bedenken der Wirtschaftskammer teile ich. Sie schreibt (Zitat): «Sollte beim FAK-Topf sodann der Boden sichtbar werden, wird mit Sicherheit der Arbeitgeber zum Handkuss kommen, um dies wieder auszugleichen. Folglich wird es dann in naher Zukunft wiederum zu einer Erhöhung FAK-Beiträge durch die Arbeitgeber kommen.» (Zitat Ende)

Diese Gefahr besteht über kurz oder lang, zumal in Betracht gezogen wird, dass der FAK-Topf zur Finanzierung der EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige vom 20. Juni 2019, welche schon sehr bald bei uns aktuell werden wird und - ob man will oder nicht - zur Einführung des bezahlten Elternurlaubs führen wird, zu verwenden. Deshalb sind die Bedenken der Wirtschaftskammer nachvollziehbar und müssen ernst genommen werden.

Es bringt nichts, einen Teil der Belastung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch die AHV-Beitragserhöhung über eine Reduktion der Beiträge an die Familienausgleichskasse zu reduzieren, wenn über kurz oder lang und im Wissen, was aus Brüssel auf uns zukommt, die Folge daraus ist, dass mittel- bis langfristig die Beiträge an die FAK erhöht werden müssten.

Weil eines darf man nicht ausser Acht lassen: Mit dem Vorschlag der Regierung werden Arbeitgeber und Arbeitnehmer mehr belastet. Die Lohnnebenkosten werden erhöht. Entlastet wird gar niemand. Es hat auch niemand einen Vorteil davon, weder Rentnerinnen und Rentner noch Beitragszahlerinnen und -zahler.

Wir werden aber nicht umhinkommen, die AHV-Beiträge zu erhöhen. Doch nur immer die Lohnnebenkosten anzuheben, ohne der arbeitenden Bevölkerung etwas zurückzugeben, ist nicht sinnvoll. Massnahmen zu beschliessen, mit welchen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer immer weniger Netto vom Brutto auf das Konto bekommen und den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern höhere Kosten aufgebürdet werden, ist der Standortattraktivität der Wirtschaftsplatzes nachteilig. Eine solche Politik schwächt die Kaufkraft, schmälert das Investitionsvolumen und gefährdet in der Folge Arbeitsplätze.

Wir dürfen diesbezüglich den Bogen nicht überspannen. Diese Gefahr besteht, zumal verschiedene Entwicklungen am Laufen sind, welche - unabhängig von der Beitragserhöhung in die AHV - zu Erhöhungen der Lohnnebenkosten und Steuererhöhungen führen werden. Hierbei sei erwähnt:

1.) Die Pflegeversicherung: Ihr Geist schwebt bereits herum. Eine solche wäre wohl ohne Erhöhung der Lohnnebenkosten nicht zu stemmen.

2.) Die Erhöhung der Krankenkassenprämien: Eine solche für das kommende Jahr wird wohl bereits nächste Woche angekündigt und somit Realität werden. Auch diese Erhöhung wird zu weniger Netto vom Brutto führen.

3.) Die bereits erwähnte EU-Richtlinie zur Einführung des bezahlten Elternurlaubs und die damit einher gehende Reduktion der FAK-Reserven, welche wohl irgendwann mit einer Erhöhung der FAK-Beiträge kompensiert werden müssen. Auch ein Elternurlaub muss zuerst bezahlt sein.

4.) Die EU-Verordnung zur Vereinheitlichung der Sozialsysteme, welche bereits in der Pipeline ist. Gemäss Beantwortung einer Kleinen Anfrage von September 2019 würde diese EU-Verordnung bedeuten, dass sich die jährlichen Kosten für die Arbeitslosenentschädigung verdoppeln werden. Auch diese Systemänderung wird ohne Beitragserhöhung und somit ohne Lohnnebenkostenerhöhung nicht zu stemmen sein.

Alles Vorhaben, welche im Raum stehen oder sich bereits in der Umsetzungsphase befinden und welche aller Voraussicht nach zu einer Erhöhung der Lohnnebenkosten führen werden. Und wäre dies alles noch nicht genug, stehen darüber hinaus noch Steuererhöhungen an.

Denn 5.) wird uns über kurz oder lang die OECD mit ‚BEPS Pillar 2‘ und damit mit einer Erhöhung der Mindestbesteuerung beglücken und 6.) uns die Schweiz schon sehr bald eine Mehrwertsteuererhöhung aufbürden, womit der Mehrwertsteuersatz auf eine Rekordmarke von über 8 Prozent angehoben werden soll. 

All dies wird dazu führen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weniger Netto vom Brutto verdienen werden. Der Druck der Gewerkschaft auf die Arbeitgeber wird steigen, damit sie diesen Anstieg der Lohnnebenkosten und die damit einhergehenden Verdienstausfälle über Lohnerhöhungen kompensieren. Die Verhandlungen der Sozialpartner werden härter werden, da diese Entwicklung ja auch für die Arbeitgeber höhere Kosten bedeutet.

Und deshalb erachte ich es als angezeigt, die geplante AHV-Beitragserhöhung nicht über den FAK-Topf abzufedern, sondern den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und den Arbeitgebern netto etwas zurückzugeben, sie also wirklich zu entlasten.

Eine solche Reduktion der Belastung für die Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner wäre beispielsweise über eine Erhöhung des OKP-Staatsbeitrages um CHF 20 Mio. machbar.

Damit wären verschiedene Vorteile verbunden:

a.) Mit einer Erhöhung des OKP-Staatsbeitrages wird eine Mehrheit der Liechtensteiner Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlastet, da der Effekt der Reduktion der Krankenkassenprämie grösser ist als der zusätzliche Beitrag in die AHV. Somit würde eine solche Erhöhung die Familien unseres Landes entlasten.

b.) Für die Arbeitgeber wird die zusätzliche Belastung durch höhere AHV-Arbeitgeberbeiträge durch einen tieferen Arbeitgeber-Beitrag an die Krankenkassen weitestgehend kompensiert. Eine Erhöhung der Lohnnebenkosten wird daher je nach Lohnstruktur eines Unternehmens gänzlich vermieden oder nur äusserst gering ausfallen.

c.) Profitieren werden - und das ist für mich zentral - auch die Rentnerinnen und Rentner, da eine Erhöhung des OKP-Staatsbeitrages auch auf ihre Krankenkassenprämien positive Auswirkungen haben wird. Der Vorschlag der Regierung geht an den Rentnerinnen und Rentnern unseres Landes komplett vorbei. Das kann es einfach nicht sein.

d.) Mit dem Lösungsvorschlag eines höheren OKP-Staatsbeitrages fliesst zudem nicht gleichzeitig rund ein Drittel dieser CHF 100 Mio. ins Ausland, wie es gemäss Aussage der Regierung auf Seite 15f. des Berichts bei ihrem Vorschlag der Fall wäre.

e.) Die AHV hat - Stand heute - auch mit diesem Vorschlag im Jahre 2038 immer noch 5 Jahresausgaben als Reserve.

Bezahlbar ist es ebenfalls. Mit diesem Vorschlag wird einerseits bis zum nächsten versicherungstechnischen Gutachten in fünf Jahren nicht mehr Geld als mit der von der Regierung vorgeschlagenen Einmalzahlung von CHF 100 Mio. ausgegeben. Andererseits darf sich unser Land durch die geplante Mehrwertsteuererhöhung in der Schweiz, welche wohl rund ein Prozent im Normalsatz sowie 0.5 Prozent bzw. 0.3 Prozent in den reduzierten Sätzen betragen dürfte, sich über jährliche Mehreinnahmen von über CHF 20 Mio. freuen, womit die Frage der Gegenfinanzierung beantwortet sein dürfte.

Das wäre ein Bürgerpaket, das seinem Namen auch gerecht werden und nicht nur Papier produzieren würde.

Ich bin für Eintreten auf die Vorlage, da damit der gesetzlichen Vorgabe, die AHV-Reserven in 20 Jahren bei 5 Jahresausgaben zu halten, Rechnung getragen wird. Ich werde aber bei der 2. Lesung dieser Beitragserhöhung nur zustimmen, wenn die damit einhergehenden Mehrbelastungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Arbeitgeber an anderer Stelle auch wirklich kompensiert werden. Hierzu zählt für mich nicht eine Reduktion der Erhöhung, sondern eine Kompensation, die den Namen auch verdient. Es darf kein weniger Netto vom Brutto daraus resultieren. Ich bitte die Regierung auf die 2. Lesung solche Kompensationsmöglichkeiten auszuarbeiten und zur Diskussion und Beschlussfassung vorzulegen.