Donnerstag, 5. März 2020

Verfassungsinitiative Halbe Halbe

"Diese Initiative ist für mich das falsche Mittel"

Landtagsvotum zum Initiativbegehren 'Halbe Halbe'

Das Initiativbegehren ‘Halbe Halbe’ möchte die Verfassung in Art. 31 Abs. 2 mit dem Zusatz «Die ausgewogene Vertretung von Frauen und Männern in politischen Gremien wird gefördert» ergänzen. 

Keine Frage: Auf den ersten Blick erscheint die Initiative ein Thema aufzugreifen, das eigentlich selbstverständlich ist und gegen das man eigentlich nicht sein kann. Doch für mich liegt die Krux dieser Initiative aus verschiedenen Überlegungen heraus im Detail.

«Alle Landesangehörigen sind vor dem Gesetze gleich. Die öffentlichen Ämter sind ihnen unter Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen gleich zugänglich. Mann und Frau sind gleichberechtig.» Diese Verfassungsbestimmung findet sich ebenfalls im genannten Artikel 31, der die allgemeinen Rechte und Pflichten der Landesangehörigen regelt. Dieser Artikel bildet die Grundlage für das Ansinnen der Initianten. Doch die Initianten geben mit ihrer Initiative nicht nur Rechte und Pflichten wieder, wie es in der Verfassungsbestimmung von Artikel 31 der Fall ist, sondern vermitteln einen Auftrag - nämlich jenen, dass die ausgewogene Vertretung von Frauen und Männern in politischen Gremien gefördert werden soll. Das ist ein klarer Förderungs-Auftrag, der meines Erachtens in den Bereich der Staatsaufgaben in die Verfassung subsumiert werden sollte und nicht unter Rechte und Pflichten in die Verfassung eingeordnet werden kann. Ich teile diesbezüglich die Meinung der Regierung, welche sie im Rahmen des Berichts zur Vorprüfung (Nr. 117/2019) geäussert hat. Dies mag man nun als unerheblich bewerten. Für mich ist es das nicht. Die Verfassung ist ein fein austariertes System, bei welchem alle Bestimmungen aufeinander abgestimmt sind und sie so eine Einheit ergeben. Diese Grundausrichtung hat für mich eine hohe Bedeutung, weshalb für mich das Ansinnen der Initianten in das falsche Hauptstück der Verfassung eingefügt werden soll.

Viele Begriffe, die von den Initianten gewählt wurden, sind sehr unbestimmt und könnten meines Erachtens zu Problemen führen, dies umso mehr, als sie von den Initianten teilweise selbst unterschiedlich bewertet werden. 

Hierzu gehört beispielsweise der Ausdruck ‘politische Gremien’. In der Begründung der Initiative betonen die Initianten, dass hierzu neben den repräsentativen Vertretungsorganen (Landtag, Gemeindevertretungen) auch Kommissionen gehören. «Sämtliche Vertretungsorgane, die direkt oder indirekt vom Volk (beispielsweise vom Landtag, dem Gemeinderat und der Regierung) gewählt werden, sind unter dem Begriff ‘politische Gremien zu verstehen», so die Initianten.

Anders tönt es in einem Leserbrief des Initiativkomitees vom 21. November 2019. Darin wird ausgeführt: «Das Ziel besteht einzig darin, dass in allen politischen Gremien, wie zum Beispiel Kommissionen, Stiftungs- und Aufsichtsräten, Gemeinderäten, dem Landtag und der Regierung beide Geschlechter ausgewogen vertreten sind.» Von Stiftungs- und Aufsichtsräten ist in der Begründung der Initiative kein Wort zu lesen. Wie man hierbei zur Ansicht kommen kann, dass die Wirtschaft nicht tangiert sei, entzieht sich meiner Kenntnis. Zumindest die öffentlich-rechtlichen Wirtschaftsunternehmen sind sehr wohl davon tangiert und dies obwohl man weiss, dass sich beinahe keine Frauen auf solche Ausschreibungen beworben haben, wie aus der Beantwortung einer Kleinen Anfrage deutlich wurde.

Zudem wird mit dem Begriff ‘politische Gremien’ ein neuer Duktus in die Verfassung eingeführt. Der Begriff des Gremiums gibt es in Art. 96 zwar, jedoch ausschliesslich in Bezug auf das Richterauswahlgremium. Ist dieses nun auch ein politisches Gremium, auch wenn es in Art. 96 nicht als politisches Gremium bezeichnet wird?

Unklar ist auch der Begriff ‘ausgewogene Vertretung’ definiert. Was heisst ausgewogene Vertretung? 50:50, 40:60, 45:55? Der Begriff ausgewogen sei in zeitlicher und quantitativer Hinsicht dynamisch und flexibel zu interpretieren, so die Initianten. Konkret heisst dies doch: Heute bedeutet ausgewogene Vertretung eventuell 40:60, in zehn Jahren unter Umständen 50:50. Das ist mir zu unbestimmt. Wie soll sich der Gesetzgeber und unter Umständen auch der Staatsgerichtshof nach einer Regelung richten, wenn sie dynamisch ausgelegt wird? Wann ist ausgewogene Vertretung verfassungswidrig, wann verfassungskonform? Kann ein und dieselbe Bestimmung heute verfassungskonform und in 10 Jahren verfassungswidrig sein? Und wer gibt vor, was zu welcher Zeit und in welcher quantitativen Höhe als eine ausgewogene Vertretung bezeichnet werden kann? Eine solche zentrale Begrifflichkeit der Verfassung als zeitlich und quantitativ als dynamisch und flexibel zu bezeichnen ist für mich ein Unding. Verfassungsbestimmungen haben immer zu gelten unabhängig von der Zeit. Die Verfassung ist kein Gesetz und keine Verordnung, welche ständig abgeändert oder auf neue Gegebenheiten aktualisiert werden kann, sie ist ein stabiles Konstrukt, deren Interpretation unabhängig von Zeit und Anzahl zu gelten hat.

Auch wenn die Initianten anderes behaupten, kommt für mich die Initiative einer Einführung einer Geschlechterquote durch die Hintertüre gleich. Die Forderungen der Initianten zeigen dies klar auf. So betonen sie unter anderem:
«Der Gesetzgeber wird in die Pflicht genommen, Massnahmen gegen Barrieren für ein ausgewogene Vertretung beider Geschlechter in politischen Gremien zu ergreifen.»
oder
«Der Gesetzgeber bekommt damit einen Handlungsauftrag, ist aber in dessen Umsetzung frei.»
oder
«Der Gesetzgeber wird durch die Annahme der Verfassungsinitiative in die Pflicht genommen, Massnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Mann und Frau zu setzen und bestehende Gesetze und Verordnungen entsprechend zu ändern.»
Der Gesetzgeber wird in die Pflicht genommen, bekommt einen Handlungsauftrag, hat den Auftrag, wird aufgefordert - solche und ähnliche Wortlaute ziehen sich wie ein roter Faden durch den Begründungstext. Im Begründungstext wird sogar die Erwartung geäussert, dass Gesetze und Verordnungen abgeändert werden. Dies zeigt doch deutlich auf, dass es um mehr geht als nur um die Förderung bezüglich einer ausgewogenen Vertretung von Frauen und Männern geht. Sollte diese Initiative vom Volk angenommen werden, wird es nicht lange dauern, bis die Forderung nach gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich der Einführung einer Geschlechterquote laut werden.

Das Problem, dass Frauen in vielen Gremien unterrepräsentiert sind, lässt sich nicht mit einer Verfassungsänderung und der Forderung nach Gesetzes- und Verordnungsanpassungen beheben. Dass es auch andere Wege gibt, die zudem auch erfolgreich sind, haben die Gemeindewahlen 2019 gezeigt. Die Tatsache, dass Frauen nicht in dieser Vielzahl wie Männer bereit sind, öffentliche Aufgaben zu übernehmen, ändert man nicht mit Druck. Das Problem ist grundlegender und tangiert die gesellschafts- wie familienpolitischen Gegebenheiten in unserem Land. Dort sollte der Hebel angesetzt werden und diesbezüglich gehe ich auch mit den Äusserungen des Erbprinzen überein, dass ein Grund auch bei der Verbindung von Familie und Beruf zu finden ist. Zudem stellt sich mir die Frage, mit welchen Argumenten man sich dann gegen andere ausgewogene Vertretungen ausspricht, wie beispielsweise jene für Senioren oder Jugendliche. Auch diese beiden Gesellschaftsgruppen - wie viele andere auch - sind in politischen Gremien teilweise noch mehr unterrepräsentiert als Frauen.

Diese Initiative ist für mich das falsche Mittel, um das angesprochene Problem, welches sicherlich vorhanden ist, zu lösen. Darüber hinaus glaube ich, dass sie - wie gesagt - zu verschiedenen Unklarheiten führt, welche früher oder später auch zu Problemen bei der Interpretation und Auslegung der Verfassung führt, weshalb ich die Initiative ablehnen werde.

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