Mittwoch, 4. März 2020

Postulat Direktwahl der Regierung

Direktwahl der Regierung bedeutet weniger Rechte für den Landesfürsten

Landtagsvotum zum Postulat 'Direktwahl der Regierung durch das Volk'

Das Postulat zur Direktwahl der Regierung durch das Volk greift ein Thema auf, welches in der Bevölkerung immer wieder intensiv diskutiert wird. Umfragen brachten zu Tage, dass dieses Ansinnen sehr wohl auf Akzeptanz in der Bevölkerung stösst. Diese Umfragen sind jedoch mit Vorsicht zu geniessen, wurde die Frage nach der Einführung einer Direktwahl der Regierung durch das Volk ohne öffentliche Diskussion und ohne Kenntnis der Folgen, welche damit auf das politische System inklusive der Landesverfassung einher gehen, gestellt. Es gibt Studien, welche sich mit diesem Thema befassen; namentlich jene des Liechtenstein-Instituts und jene der Stiftung für Ordnungspolitik und Staatsrecht. Die Veröffentlichungen dieser Studien lösten jedoch keine grossen öffentlichen Diskussionen um dieses Thema aus. So darf man - so glaube ich - davon ausgehen, dass sich ein Grossteil der Bevölkerung über die Auswirkungen einer Direktwahl der Regierung auf unser politisches System, auf unseren Dualismus von Fürst und Volk und somit auch auf die Landesverfassung gar nicht bewusst ist.

Die Einführung einer Volkswahl der Regierung strahlt auch auf mich einen gewissen Charme aus. Keine Frage: Es wäre eine Stärkung der Volksrechte, damit auch ein Ausbau an Demokratie und somit eine Stärkung der direktdemokratischen Kompetenzen der Bevölkerung. Doch zu welchem Preis wäre dies zu haben? Genau dies soll mit diesem Postulat abgeklärt werden. Auch wenn es bereits Studien hierzu gibt, erachte ich es als sinnvoll, dass dieses Thema von der Politik selbst aufgearbeitet wird und die Folgen eines solchen Systemwechsels auf den Dualismus, auf die Verfassung und somit auf das politische System unseres Landes klar und deutlich kenntlich gemacht werden. Aus diesem Grunde spreche ich mich für Überweisung des Postulates an die Regierung aus.

Eine Hoffnung muss ich den Postulaten jedoch nehmen: Die Einführung einer Direktwahl der Regierung durch das Volk wird nicht ohne Abstriche bei den Rechten des Landesfürsten möglich sein. Für mich ist dies ein Widerspruch im Postulatstext. Nach Art. 80 Abs. 1 der Landesverfassung erlischt die Befugnis zur Ausübung des Amtes, wenn die Regierung das Vertrauen des Landesfürsten oder des Landtages verliert. Diese Verfassungsbestimmung wird bei einer Volkswahl der Regierung nicht zu halten sein, weil dann der Dualismus nicht mehr im Gleichgewicht ist, sondern ein Souverän - in diesem Fall der Landesfürst - einen Entscheid des anderen Souveräns - jener des Volkes - aushebeln kann. Das Gleichgewicht dieses Artikels beruht darauf, dass nicht ein Souverän die Regierung wählt, sondern nur ein Vertreter des Souveräns, sprich der Landtag. Beide können heute - unabhängig voneinander - der Regierung das Vertrauen entziehen.

Darüber hinaus zweifle ich auch an der Rechtmässigkeit des Wunsches der Postulanten, dass der Landtag auch bei einer Volkswahl der Regierung die Möglichkeit haben soll, die Regierung oder einzelne Regierungsräte zu entlassen. Diesbezüglich habe ich einige Bedenken. Dem Landtag soll damit das Recht zugestanden werden, einen Volksentscheid aufzuheben bzw. abzuändern. Das geht meines Erachtens nicht; falls doch, müsste dies mit sehr detaillierten Vorgaben und Voraussetzungen hinsichtlich der Bedingungen und der Vorwürfe an die Regierung einher gehen, damit das Parlament einen Volksentscheid aushebeln kann. Vermutlich müssten strafrechtliche Gründe vorliegen, um eine solche Entlassung umzusetzen. Einen solchen Entscheid nur auf Basis des Verlustes des Vertrauens zu fällen, ginge dann nicht mehr. So einfach darf es dann nicht sein, eine Volkswahl auszuhebeln. In der Folge käme dies einer erheblichen Schwächung des Landtages gleich.

Ich bin der Überzeugung, dass die Direktwahl der Regierung durch das Volk erhebliche Veränderungen bzw. Verschiebungen auf unseren verfassungsmässigen Dualismus und das Zusammenspiel der beiden Souveräne Fürst und Volk haben wird. Damit rütteln wir an den Grundfesten unserer verfassungsmässigen Ordnung und an unserem Modell des Dualismus zwischen Fürst und Volk, der für mich ein Grundpfeiler des Erfolges unseres Landes ist. Das wäre mit mir nicht zu machen.

Ich bin überzeugt, dass dies auch mit der Bevölkerung nicht zu machen wäre. Ich verweise diesbezüglich auf die Volksabstimmung ‘Ja, damit deine Stimme zählt’ aus dem Jahre 2012, bei welcher 76.4 Prozent der Stimmberechtigten gegen eine Verfassungsinitiative gestimmt haben, mit welcher das Sanktionsrecht des Fürsten und damit sein von der Verfassung vorgegebenes politisches Mitwirkungsrecht eingeschränkt hätte werden sollen. Die Direktwahl der Regierung durch das Volk würde das Mitwirkungsrecht des Landesfürsten in einer anderen Bestimmung der Verfassung einschränken. Ich bin überzeugt, dass - wenn sich die Befragten der erwähnten Umfragen dem bewusst gewesen wären - sich keine Mehrheit für die Einführung der Direktwahl der Regierung durch das Volk ergeben hätte. Das Volk hat im Sommer 2012 mit über 76 Prozent der abgegebenen Stimmen deutlich gemacht, dass es keine Abstriche an den Rechten des Landesfürsten befürwortet und den Dualismus zwischen Fürst und Volk höher bewertet. Ich zweifle nicht daran, dass dies auch beim Thema Direktwahl der Regierung so sein wird. Der heute geltende Dualismus zwischen dein beiden Souveränen Fürst und Volk stösst in der Bevölkerung auf breite Akzeptanz, daran wird auch der Charme einer Direktwahl der Regierung nichts ändern. Dies umso mehr, als sich die heute gültige Regelung der Wahl der Regierung durch den Landtag nicht als nachteilig für unser Land erwiesen hat. Das Land hat sich in den letzten Jahrzehnten mit diesem System so positiv entwickelt. Es gibt keinen Grund, deswegen an unserer Grundordnung, an unserem Dualismus und an Teilen unserer Verfassung zu rütteln.

Darüber hinaus lässt der Begründungstext der Postulanten sehr viele Fragen, die mit einer Volkswahl der Regierung an sich einher gehen, unerwähnt. Dieses Postulat macht jedoch nur Sinn, wenn das Thema ‘Direktwahl der Regierung durch das Volk’ gesamtheitlich betrachtet wird und alle Perspektiven und Möglichkeiten beleuchtet werden. Sofern das Postulat an die Regierung überwiesen wird, bitte ich die Regierung, sich auch folgenden Punkten bzw. Fragen, die im Begründungstext unerwähnt bleiben, zu widmen und hierzu Ausführungen in Anlehnung an den Postulats-Auftrag zu machen:

1.) Art. 79 Abs. 5. der Landesverfassung gibt vor, dass bei der Bestellung der Kollegialregierung darauf Rücksicht zu nehmen sein, dass auf jede der beiden Landschaften wenigstens zwei Mitglieder entfallen. Wie kann gewährleistet werden, dass bei einer Direktwahl der Regierung durch das Volk eine Regierung ins Amt kommt, welche Art 79 Abs. 5 der Landesverfassung gerecht wird? Wie kann bei einer Volkswahl darauf Rücksicht genommen werden, dass Ober- wie Unterland dementsprechend in der Regierung vertreten sind?

2.) Wie kann bei einer Volkswahl der Regierung ein Regierungschef und ein Regierungschef-Stellvertreter gewählt werden? Sind dies einzelne Wahlen oder Wahlen im Rahmen der Wahl in die Regierung? Wie soll sich die Regierung dann konstituieren?

3.) In den Schweizer Kantonen werden die Mitglieder der Regierung im Majorzwahlsystem gewählt. Meines Erachtens wäre dies das richtige Wahlsystem für die Regierung. Doch damit gehen verschiedene Fragen einher.

- Wann soll gewählt werden - am Tag der Landtagswahl oder zeitlich versetzt, damit die Bevölkerung einen Teil der Wahlergebnisse kennt?

- Ein etwaiger zweiter Wahlgang müsste so oder so zeitlich zur Landtagswahl verschoben durchgeführt werden. Würden die Stimmen für den Landtag schon ausgezählt und verkündet oder würden diese bis zur definitiven Entscheidung bei der Regierungswahl unter Verschluss gehalten, so wie es beispielsweise bei den Gemeindewahlen üblich ist, bei welchen die Stimmen für den Gemeinderat erst nach einer definitiven Wahl des Vorstehers ausgezählt werden?

4.) Wie sollen die Regierungsrat-Stellvertreter gewählt werden? Soll diese Kompetenz beim Landtag bleiben oder diese auch mittels Volkswahl bestimmt werden? Wie könnten diese durch das Volk gewählt werden, ohne Art. 79 Abs. 5 zu verletzen, der vorschreibt, dass die Stellvertreter der gleichen Landschaft zu entnehmen sind? Die Schweizer Kantone kennen keine Regierungsrat-Stellvertreter. Müsste bei einer Volkswahl der Regierung das Amt des Regierungsrat-Stellvertreters eventuell sogar abgeschafft werden, da bei einem Ausscheiden eines Regierungsrates so oder so eine Neuwahl durchgeführt werden müsste und die Stellvertretung in der Übergangzeit innerhalb der Regierung gelöst werden könnte?

Das Thema ist komplex und wirft einige Fragen auf. Wie erwähnt macht dieses Postulat nur deshalb Sinn, um alle Vor- und Nachteile und die Auswirkungen auf unsere Verfassung klar darzulegen und dann eine fundierte Diskussion inklusive aller Auswirkungen entstehen zu lassen. Damit wird auch den Diskussionen in der Bevölkerung zu diesem Thema und der überwiegenden Zustimmung zu diesem Systemwechsel anlässlich der Umfragen Rechnung getragen.

Kein Grund ist für mich das Argument der Postulanten, dass sich die politische Landschaft in Liechtenstein stark verändert habe und 30 Prozent der Bevölkerung nicht in der Regierung vertreten seien. Im Ausland sind es sehr oft höhere Prozentzahlen, welche nicht in der Regierung vertreten sind. Das ist nun Mal in einem demokratischen Mehrheitssystem so. Für mich ist dies eher ein Argument gegen die Einführung der Direktwahl der Regierung durch das Volk als dafür. Opposition gehört zur Demokratie und eine starke Opposition ist als Kontrollorgan ebenso wichtig wie die Mehrheit in einem parlamentarischen System. Eine Direktwahl der Regierung durch das Volk könnte nämlich dazu führen, dass es faktisch keine Opposition mehr gibt, falls von allen Parteien Personen in die Regierung gewählt werden. Dies erachte ich nicht als erstrebenswert.

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