Ich rufe den Vorstand des Vereins 'Hoi Quote' auf, eine Volksinitiative zu lancieren
Votum anlässlich der Landtagsdebatte zur Petition des Vereins 'Hoi Quote'Der Regierungsbeschluss vom 16. Juli 1997, auf welchen sich die Petitionäre beziehen, stammt aus einer vollständig anderen Zeit. Die Bezeichnung ‘Corporate Governance’ war im Sprachgebrauch unseres Landes noch nicht angekommen. Die Bestellung von Kommissionen, Verwaltungs- und Stiftungsräten oder Arbeitsgruppen durch die Regierung erfolgte in einem gänzlich anderen Verfahren als heute. Früher war es so, dass der Regierungschef oder das zuständige Regierungsmitglied den Parteipräsidenten der im Landtag vertretenen Parteien ein Schreiben zukommen liess, mit welchem die Parteien aufgefordert wurden, für ein zu bestellendes Gremium Personen zu nominieren. Meistens sprachen sich die Parteipräsidenten über die Sitzverteilung ab, damit exakt die benötigte Anzahl an Personen vorgeschlagen wurde. In der Folge wählte die Regierung diese vorgeschlagenen Personen in dieses betreffende Gremium. Die Bestellung von Gremien war also praktisch ausschliesslich Sache der Parteien.
Und heute? Heute haben die Parteien bis auf jene sieben Kommissionen, die vom Landtag gewählt werden, kein Mitspracherecht mehr. Bei diesen sieben Kommissionen liegt es noch in der Verantwortung der Parteien und in der Folge in jener des Landtages, dass keinem Geschlecht mehr als zwei Drittel der Sitze zugeteilt werden, wie es die Petitionäre wünschen. Da der Regierung diesbezüglich keine entscheidungsbefugte Position zuerkannt wird, ist die Petition zumindest auf diese Kommissionen irrelevant.
Zudem gibt es heute die Internetseite www.staatskalender.li, über welche sich jede Person, die das Anforderungsprofil erfüllt, ihr Interesse an einem frei gewordenen Sitz zumindest für die strategischen Führungsgremien der öffentlich-rechtlichen Unternehmen oder für die Stiftungsräte der Stiftungen des öffentlichen Rechts bekunden kann. Diesbezüglich liegt die Verantwortung bei jenen Frauen, die das Anforderungsprofil erfüllen. Indem sie sich um einen freiwerdenden Sitz bewerben, steigen auch die Chancen, dass diese Gremien gemäss dem Wunsch der Petitionäre von maximal 2/3 pro Geschlecht bestückt werden. Ich bin überzeugt, dass die Regierung nicht abgeneigt ist, dies zu berücksichtigen, wenn sie genügend Interessentinnen hat, welche das Anforderungsprofil erfüllen und somit dem Qualifikationsprinzip entsprechen.
Ein Manko - und hierbei stimme ich den Petitionären zu - herrscht bei den zahlreichen Landeskommissionen, bei welchen Frauen teilweise stark unterrepräsentiert sind. Bei den Kommissionen ist es jedoch oft so, dass sie sehr berufsspezifisch zusammengesetzt werden. Es ist kein Zufall, dass beispielsweise bei der Rheinkommission, bei der Energiemarktaufsicht oder bei der Landesrüfekommission momentan keine Frauen Einsitz haben, da diese Berufsfelder betreffen, welche weniger von Frauen ausgeübt werden und es deshalb schwierig ist, überhaupt Frauen zu finden, die dem Anforderungsprofil entsprechen. Trotzdem bin ich der Ansicht, dass die aktuelle Zusammensetzung der Landeskommissionen in Bezug auf die Sitzverteilung zwischen den Geschlechtern zu wünschen übrig lässt. Ich unterstütze jedoch nicht, dieses Problem mit einer fixen Quote oder mit Zwang lösen zu wollen. Vielmehr fordere ich die Regierung auf, freiwerdende Sitze bei der Bestellung von Landeskommissionen ebenfalls über die Internetseite www.staatskalender.li öffentlich zu machen, damit sich Interessentinnen und Interessenten bewerben können. Dies hätte einerseits den Vorteil, dass sich die eine oder andere Frau finden liesse, welche auch in solchen berufsspezifischen Kommissionen das Anforderungsprofil erfüllt. Andererseits würde sich der Personenkreis, der sich für die Mitarbeit in solchen Kommissionen interessiert, generell erweitern, womit sich der Fundus an Personen vergrössert und dies auch für die Regierung mit einem positiven Effekt verbunden wäre.
Zudem ist es meines Erachtens angezeigt, dass zum einen ausgeschriebene Mandate über eine längere Zeit angeboten werden und zum anderen die Internetseite www.staatskalender.li verstärkt beworben wird. Viele Einwohnerinnen und Einwohner wissen gar nicht, dass es diese Seite gibt und dass man über sie sich für gewisse Führungspositionen bewerben kann.
Die Regierung hat in der Vergangenheit immer wieder kundgetan, dass ihre oberste Prämisse bei der Besetzung von Gremien das Qualifikationsprinzip sei. Danach handelt sie. Um die Glaubwürdigkeit der Regierung bei der Bestellung von Gremien nicht in Frage zu stellen, darf sie von diesem Qualifikationsprinzip nicht abrücken. Die Regierung hat nämlich in der Vergangenheit Personalentscheide getroffen, welche nicht nur auf positive Resonanz stiessen. Hierbei denke ich beispielsweise an die Neubesetzung einer Amtsleiterstelle, bei welcher Ende letzten Jahres ein langjähriger verdienter Liechtensteiner Mitarbeiter des betreffenden Amtes zugunsten einer externen, ausländischen und nicht in Liechtenstein oder der Region wohnhaften Frau unberücksichtigt blieb. Dieser Entscheid, der sicherlich auch der Regierung nicht einfach fiel, wurde mit dem Qualifikationsprinzip begründet. Kaum vorzustellen, welche Reaktionen diese Entscheidung hervorgerufen hätte, wenn die Regierung nicht nach dem Qualifikationsprinzip entscheiden würde. Jedes Abrücken vom Qualifikationsprinzip fördert Vetternwirtschaft und raubt der Regierung ein zentrales Argument bei ihren Personalentscheiden für Angestellte der Landesverwaltung aber auch bei der Bestellung von Kommissionen, Stiftungs- und Verwaltungsräten oder Arbeitsgruppen.
Diese Petition verlangt vom Landtag, dass er die Regierung auffordern soll, vom Qualifikationsprinzip abzurücken. Diesem Ansinnen kann ich nichts abgewinnen. Ich glaube auch, dass das von den Petitionären angesprochene Problem nicht mit den aufgelisteten drei Punkten gelöst werden kann. Das Problem der Unterrepräsentanz von Frauen in Gremien des Landes hat nicht damit zu tun, dass die Regierung zu wenig nach Frauen sucht und sich zu wenig Mühe gibt, Frauen zu finden. Ich glaube sehr wohl, dass sich auch die Regierung dieser Unterrepräsentanz bewusst ist und es gerne sähe, wenn sich mehr Frauen, welche dem Qualifikationsprinzip entsprechen, zur Verfügung stellen. Doch man kann keine Frau dazu zwingen, sich zu bewerben. Ein Beispiel hierfür ist der Verein für Menschenrechte. Sein Vorstand besteht aus sieben Personen - drei Frauen, vier Männer. Gemäss Statuten musste sich dieser Vorstand selbst konstituieren. Und was geschah? Zum Präsidenten wurde ein männliches Mitglied gewählt. Weshalb wohl? Ich weiss es nicht, aber vermutlich deshalb, weil kein weibliches Vorstandsmitglied bereit war, das Amt der Präsidentin zu übernehmen.
Die Tatsache, dass Frauen nicht in dieser Vielzahl wie Männer bereit sind, öffentliche Aufgaben zu übernehmen, ändert man nicht mit quantitativen Vorschriften. Das Problem ist grundlegender und tangiert die gesellschafts- wie familienpolitischen Gegebenheiten in unserem Land. Gerade heutzutage, wo Frauen mindestens gleich gut ausgebildet sind wie Männer, müssten fähige, top ausgebildete Frauen gefunden werden. Gerade diese Frauen, die ja viel Zeit und Energie in die Ausbildung gesteckt haben, müssten sich meines Erachtens ein Ruck geben und sich auch auf solche Positionen bewerben. Dort gilt es den Hebel anzusetzen und nicht bei der Forderung nach der Umsetzung von Beschlüssen, die 20 Jahre alt sind und unter gänzlich anderen Systemvoraussetzungen gefällt wurden, als sie heute vorherrschen. Wie gesagt: Corporate Governance kannte man damals noch nicht.
Ich glaube auch, dass sich der Verein ‘Hoi Quote’ mit dieser Petition in der öffentlichen Bewertung dieses Problems keinen Gefallen getan hat. Das Ziel des Vereins, in Liechtenstein eine Geschlechterquote einzuführen, wird er nicht mit solchen Petitionen erreichen. Ich bin sogar überzeugt, dass es dem eigentlichen Ziel des Vereins sogar nachteilig ist. Denn die Vereinsmitglieder müssen nicht den Landtag von ihrem Vorhaben überzeugen. Sie müssen die Bevölkerung von ihrem Vorhaben überzeugen. Und ob sie mit ihrer Taktik, dieses Problem mit ständigen Nadelstichen wie dieser Petition am Köcheln halten zu wollen, die Bevölkerung für ihr Ansinnen gewinnen, bezweifle ich. Ich glaube sogar, dass es eher kontraproduktiv ist.
Ich kann nämlich diesem Verein sehr viel abgewinnen und kann das Missfallen über das Wahlresultat der diesjährigen Landtagswahlen sehr gut verstehen. Und wenn wir 22 männliche Abgeordnete ehrlich zu uns sind, würde es auch uns massiv stören, wenn 22 Frauen und drei Männer im Liechtensteiner Parlament sitzen würden. Mir ginge es jedenfalls so und gerade deshalb verstehe ich auch den Unmut vieler Frauen.
Ich teile jedoch nicht die Ansicht des Vorstands des Vereins ‘Hoi Quote’, dieses Missverhältnis mit Zwang und Quoten bereinigen zu wollen. Für mich wiegt bei Landtags- wie Gemeindewahlen der Wählerwille und bei der Besetzung von Gremien das Qualifikationsprinzip höher. Beides würde mit einer gesetzlichen Frauenquote erheblich eingeschränkt. Es wäre bei Wahlen ein Abbau an Demokratie damit verbunden, dem ich nicht zustimmen könnte. Zudem stellt sich mir dann die Frage, mit welchen Argumenten man sich dann gegen andere Quoten, wie beispielsweise jene für Senioren oder Jugendliche ausspricht. Auch diese beiden Gesellschaftsgruppen - wie viele andere auch - sind in diesem Parlament noch mehr unterrepräsentiert als die Frauen. Für mich ist dies die falsche Entwicklung. Wahlen sind Ausdruck des Volkswillens und nicht ein bewusstes Herbeiführen eines gewünschten Resultates.
Vielmehr muss man dieses Problem anderweitig zu lösen versuchen. In erster Linie gilt es den prozentualen Anteil an Frauen auf den Wahllisten zu erhöhen. Je mehr Frauen kandidieren, desto höher ist die Chance, dass auch mehr Frauen gewählt werden. Doch jede und jeder, der schon für eine Partei mit der Suche nach Kandidatinnen für Landtag oder Gemeinderat betraut war, weiss, wie schwierig es ist, eine Frau von einer Kandidatur zu überzeugen. Eine mögliche Nichtwahl war - so zumindest meine Erfahrung - nie ein Thema. Die Frauen wären bereit gewesen, sich dem demokratischen Wettbewerb zu stellen. Vielmehr war es der Respekt vor dem zur Diskussion stehenden Amt und dem damit einhergehenden Gang in die Öffentlichkeit, der oft zu einer Absage führte. Dieser Respekt ist bei Frauen sicherlich ausgeprägter vorhanden als bei Männern. Zum einen muss man den Frauen diesen Respekt nehmen, was auf verschiedene Art und Weise möglich ist. Zum anderen müssen familienpolitische Massnahmen getroffen werden, um das Spannungsverhältnis von Familie, Beruf und Politik, das sich für viele Frauen mit den heutigen Strukturen nicht vereinbaren lässt, zu minimieren. Diesbezüglich spielen die Kinder, der Zeitaufwand aber auch die Finanzen und die soziale Absicherung eine erhebliche Rolle. Wir müssen die Rahmenbedingungen verbessern, um den Frauen den Gang in die Politik zu erleichtern. Wir werden keine Frau von einer Kandidatur überzeugen, welche Respekt vor dem angestrebten Amt und dem Gang in die Öffentlichkeit hat oder diesen Zeitaufwand nicht mit ihren familiären und beruflichen Verpflichtungen vereinbaren kann, nur weil es eine gesetzliche Quote gibt.
Nichtsdestotrotz bin ich der Ansicht, dass es eine intensive Diskussion der Bevölkerung um die gesetzliche Quote braucht. Wie erwähnt erachte ich es als nachteilig, dieses Thema stetig am Köcheln zu halten aber keine grundsätzliche Entscheidung herbeiführen zu wollen. Aus diesem Grunde rufe ich den Vorstand des Vereins ‘Hoi Quote’ dazu auf, dem Vereinsziel konkret nachzuleben und eine Volksinitiative zu lancieren, damit die Liechtensteiner Bevölkerung anlässlich einer Volksabstimmung darüber befinden kann, ob eine gesetzlich vorgeschriebene Quote eingeführt werden soll oder nicht. Wenn man einen solchen Vereinszweck wie der Verein ‘Hoi Quote’ hat, reicht es nicht mittels Briefen an internationale Organisationen oder mittels Stellen von Forderungen an die Politik andere aufzurufen, tätig zu werden. Der Verein selbst muss tätig werden. Er sollte Massnahmen einleiten, um eine direktdemokratische Entscheidung der Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner in dieser Frage herbeizuführen. Mit einer jahrelangen Diskussion ohne konkrete Schritte, ohne konkretes Ergebnis wird niemand gewinnen, am wenigsten die Frauen.
Link zu meinem Landtagsvotum:
https://www.youtube.com/watch?v=GREq9ISHo-k
Lieber Herr Batliner, vielen Dank, dass Sie uns Frauen die Welt erklären und uns sagen, was wir alles falsch machen und wie wir es richtig machen sollten. Haben Sie denselben Ratschlag für alle Gruppen, die sich für eine Veränderung des Status Quo, für die Beseitigung eines Missstands einsetzen? Hätte Martin Luther King einfach eine Volksinitiative starten sollen und hätten dann Schwarze heute mehr Rechte in den USA? Wohl kaum, denn das Problem ist ja gerade eine systematische Diskriminierung. Und die ist sehr real, wenn Sie das Wort mal in seiner Definition nachschlagen. Es ist das Bestehen eines Systems, das zu einer Benachteiligung einer Gruppe führt. Und die Frauen werden mit nur 1/3 Wahlchance im Gegensatz zu Männern de facto diskriminiert. Sie machen es sich unglaublich einfach, wenn Sie die Verantwortung an den Verein Hoi Quote abschieben. SIE sind aber doch der Politiker. Ich fordere Sie als Liechtensteinerin auf, dass Sie diesen Missstand beheben! Bringen Sie eine alternative Lösung für das Problem und wir werden das Wort Quote nie mehr in den Mund nehmen. Können Sie das?
AntwortenLöschenLieber Herr Batliner, ich rufe Sie auf, dass Sie für eine faire Repräsentation der Frauen in politischen Gremien sorgen. Tun Sie Ihren Job, dann braucht es keinen Verein Hoi Quote.
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