Donnerstag, 5. Oktober 2017

Finanzausgleich

Das Ziel kann nicht sein, Reservemittel vom Land zu den Gemeinden zu verschieben

Votum anlässlich der Landtagsdebatte zur Interpellationsbeantwortung betreffend den Finanzausgleich-Aufgabenentflechtung zwischen Land und Gemeinden 

«Über eine Milliarde Franken: Gemeindekassen bleiben prall gefüllt» - diese Schlagzeile war am 25. Juli dieses Jahres im Volksblatt zu lesen. Aus dieser Berichterstattung wurde deutlich, dass die Gemeinden im Schnitt etwas mehr als 27'000 Franken pro Person an Nettofinanzvermögen ausweisen. Spitzenreiter ist mit Abstand die Gemeinde Vaduz, welche per Ende 2016 knapp 470 Millionen Franken an Nettofinanzvermögen verfügte, was bedeutet, dass Vaduz über 14 Jahre lang ohne Steuereinnahmen von den Reserven zehren könnte. Mit grossem Abstand folgt die Gemeinde Schaan, mit rund 182 Millionen Franken an Nettofinanzvermögen und immer noch über 5 Jahre an Jahresreserven. Am anderen Ende der Skala liegen Schellenberg, Triesenberg und Planken mit Nettofinanzvermögen zwischen rund 26 und 13 Millionen Franken; also alles Gemeinden, welche mehr als Wohngemeinde denn als Arbeitsgemeinde gelten und bei welchen aus topographischer Sicht die Ansiedlung von Unternehmen schwierig bis unmöglich ist. Am wenigsten kann hierbei Triesenberg von den Reserven ohne Steuereinnahmen zehren - gerademal 1 ½ Jahre. Ein erheblicher Unterschied zu den über 14 Jahren der Gemeinde Vaduz. Auch diese Zahlen führen die Ungleichheit deutlich vor Augen.

Die Stiftung Zukunft.li hat eine Studie veröffentlicht, mit welcher sie dieses Ungleichgewicht näher untersuchte. Sie kam zum Ergebnis, dass das Finanzausgleichssystem in Liechtenstein über das gesetzliche Ziel, den Gemeinden die Finanzierung ihrer Aufgaben zu ermöglichen, hinausgeht. Die meisten Gemeinden konnten in der Vergangenheit mit Mitteln des Landes hohe Reserven erzielen. Aus diesem Grunde hinterfragen die Verfasser der Studie, ob die heutige gesetzliche Zielsetzung - den Gemeinden ihre Aufgabenerfüllung zu ermöglichen - für ein effizientes Ausgleichssystem noch ausreichend sei oder ob nicht vielmehr eine Reduktion dieser grossen Unterschiede ebenfalls als Ziel formuliert werden müsste. Die Frage, wie stark der Abbau dieser Unterschiede erfolgen soll, wollten die Verfasser der Studie nicht konkret beantworten. Sie spielen diesbezüglich den Ball der Politik zu, indem sie ausführen, dass es kein Richtig oder Falsch gäbe, sondern diese Frage politisch zu beantworten sei.

Meines Erachtens ist es dringend notwendig, dass diese Unterschiede minimiert werden. Für mich spielt nicht nur das wie oder die Grössenordnung eine Rolle, sondern noch ein anderer Faktor, der in der Studie der Stiftung Zukunft.li vollständig unberücksichtigt blieb - nämlich jener der Raumplanung. Ich bin der Ansicht, dass wir mit dem Finanzausgleich auch die Entwicklung der Industriezonen steuern sollten. Den Standortwettbewerb um die Ansiedlung von Unternehmen sollten wir in Bahnen lenken, um jene Gemeinden entlang des Rheins bzw. der Autobahn zu stützen, ohne dass die diesbezüglich topographisch benachteiligten Gemeinden einen Nachteil daraus ziehen. Wir sollten einen Finanzausgleich installieren, mit welchem es unerheblich ist, in welcher Gemeinde sich ein Unternehmen ansiedelt, sondern für alle Gemeinden von Bedeutung ist, dass sich ein Unternehmen im Land ansiedelt. Nur dann können wir das Industriewachstum auf jene Gemeinden fokussieren, welche entlang des Rheins angesiedelt sind, was zur Folge hätte, dass es den Berggemeinden Planken, Triesenberg und Schellenberg egal sein kann, ob sich Unternehmen auf ihrem Gemeindegebiet ansiedeln oder nicht. Und die Gemeinden Mauren und Eschen könnten ihre Ansiedlungspolitik betreffend Unternehmen inkl. der Erweiterungen der Industrie- bzw. Wirtschaftszone neu ausrichten, da sie nicht mehr gezwungen sind darauf zu achten, dass sich neue Unternehmen auf ihrem Gemeindegebiet ansiedeln. Auch ihnen kann es dann egal sein, ob ein Unternehmen in Balzers oder auf ihrem Gemeindegebiet heimisch wird.

Die Regierung geht auf Seite 22 der Interpellationsbeantwortung auf verschiedene Möglichkeiten hinsichtlich einer Reduktion der Steuerkraftunterschiede ein. Sie bevorzugt keine komplette Systemumstellung, wie es die Stiftung Zukunft.li vorschlägt, sondern Anpassungen im bestehenden System. Ich teile diese Ansicht, zumal eine Systemumstellung ein langfristiges Projekt wäre, welches zum einen in eine zeitraubende Gesamtbetrachtung für die Gemeindeaufgaben und deren Finanzierung eingebettet werden müsste und zum anderen für die Gemeinden eine hohe Planungsunsicherheit mit sich brächte. Die Regierung erwähnt diesbezüglich in ihrer Interpellationsbeantwortung, dass eine Variante innerhalb des bestehenden Finanzausgleichssystems beispielsweise wäre, einen Anteil der Ertragssteuern juristischer Personen einwohnerproportional zwischen den Gemeinden zu verteilen. Als Vorteil dieser Variante erwähnt sie, dass die geographischen Standortvorteile aufgrund der Erschliessungsqualität sowie die Hauptstadteigenschaft ausgeglichen werden könnten, die Solidarität zwischen den Gemeinden gestärkt würde sowie Anreize geschaffen würden, die Raumplanung verstärkt koordiniert anzugehen. Gerade in Bezug auf die Möglichkeit, die Raumplanung koordinieren zu können, favorisiere ich diesen Ansatz. Ebenfalls prüfenswert erachtet die Regierung eine Reduktion des Gemeindeanteils an der Ertragssteuer oder die Reduktion des maximalen Anteils einer Gemeinde an den Ertragssteuern. Ich bin überzeugt, dass diese beiden Vorschläge ebenfalls den Steuerkraftunterschied reduzieren würden. Diese Vorschläge haben jedoch keine Auswirkung auf die Raumplanung und stärken auch nicht die Solidarität zwischen den Gemeinden, weshalb ich davon absehen würde.

Auch die weiteren von der Regierung erwähnten Lösungsvorschläge wie Aufgaben und deren Finanzierung vom Land an die Gemeinden zu delegieren und über den Finanzausgleich die Mehrausgaben der Finanzausgleichsgemeinden wieder auszugleichen oder Gemeinden die Finanzierung von Aufgaben zu übertragen, auch wenn diese wie bis anhin vom Land in geteilter Verantwortung erbracht werden, halte ich nicht viel. Sie sind reine Symptombekämpfung über Umwege und keine eigentliche Lösung des Problems, zumal die Raumordnung davon ebenfalls gänzlich unberührt bleibt.

Von Bedeutung erscheint mir jedoch, dass die Regierung gewillt ist, dieses Problem des Steuerkraftunterschieds anzugehen. Ich hoffe, dass es nicht bei dieser Interpellationsbeantwortung bleibt, sondern die Regierung umgehend die ersten Schritte einleitet und sie die auf Seite 22 vorgeschlagenen Massnahmen auch wirklich zu prüft, Vor- und Nachteile sowie Auswirkungen abwägt und dann dem Landtag einen konkreten Vorschlag unterbreitet. Wir müssen den Finanzausgleich wieder in geordnete Bahnen lenken, die Steuerkraftunterschiede erheblich reduzieren und auf das Ziel, den Gemeinden die Finanzierung ihrer Aufgaben zu ermöglichen, ausrichten. Denn in einer Aussage bin ich mit den Verfassern der Studie der Stiftung Zukunft.li einig: Die langfristige Zielsetzung kann nicht darin liegen, über den Finanzausgleich Reservemittel vom Land zu den Gemeinden zu verschieben.


Link zu meinem Landtagsvotum
https://www.youtube.com/watch?v=m45ht3K6aX4


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