Donnerstag, 1. Oktober 2020

Gewerbegesetz

Verpasste Chance zum Bürokratieabbau


Der Landtag von dieser Woche verabschiedete das neue Gewerbegesetz. Keine Frage, es ist ein Gesetz, welches in Bezug auf den Abbau von Bürokratie in die richtige Richtung weist. Dies musste gemacht werden, weil der EFTA-Gerichtshof entschieden hat, dass Liechtenstein mit dem bisherigen Gewerbegesetz gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie sowie die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit gemäss EWR-Abkommen verstosse. Deshalb ist diese Totalrevision des Gewerbegesetzes überhaupt notwendig geworden.

Zweifelsohne vereinfacht das neue Gesetz den Prozess der Unternehmensgründung, womit mit ihm auch ein Bürokratieabbau einher geht. Trotzdem wäre mehr möglich gewesen und aus meiner Perspektive wurde die Chance für einen weitergehenden Bürokratieabbau vertan. 

So wird den Unternehmen weiterhin vorgeschrieben, dass der Geschäftsführer seinen Arbeitsplatz in einer definierten Betriebsstätte haben muss. Ich setzte mich dafür ein, dass diese Bestimmung gelockert wird. Ob sich der Geschäftsführer tatsächlich in der Betriebsstätte betätigt oder nicht, ist ein zu grosser Eingriff in die wirtschaftliche Freiheit. Es ist nicht Aufgabe des Staates den Unternehmen vorzuschreiben, wie sie arbeiten und wie ihre Arbeitsumsetzung räumlich wie auch zeitlich geregelt ist. 

Dies umso mehr, als sich durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Wirtschaft und mit dem immer mehr sich etablierenden Homeoffice-Modell die Frage nach der Betriebsstätte grundsätzlich stellen dürfte. In der Studie der Stiftung zukunft.li ‘Fokus Homeoffice’ von September 2020 wird auf Seite 53 ausgeführt, dass Homeoffice zur Betriebsstätte werden kann; jedoch die Frage, ab wann Homeoffice als Betriebsstätte gilt, mit Unsicherheit behaftet sei. Darüber hinaus gilt es zu bedenken, dass die OECD sich diesem Thema angenommen hat. Sie betont in ihrer Präzisierung gemäss Studie der Stiftung zukunft.li: 
«Damit Homeoffice eine Betriebsstätte für ein Unternehmen ist, muss es auf kontinuierlicher Basis für die Ausübung der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens genutzt werden, und das Unternehmen muss im Allgemeinen von der Person verlangen, dass sie diesen Ort zur Ausübung der Geschäftstätigkeit des Unternehmen nutzt.» 
Somit würde eine Streichung der Formulierung ‘tatsächlich in der Betriebsstätte’ auch den aktuellen sich verändernden Arbeitsweisen- und verhalten Rechnung tragen.

Darüber hinaus war es mir ein Anliegen, dass anmeldungspflichtige Gewerbe auch wirklich - sofort mit der Anmeldung - mit der Arbeit beginnen können. Auch dieser Antrag fand keine Mehrheit, so dass die anmeldungspflichtigen Gewerbe erst bei Vorliegen der Ausübungsvoraussetzungen und nicht schon mit der Anmeldung ausgeübt werden können.
 Im Gesetz wird festgehalten, dass das Amt für Volkswirtschaft prüft, ob die Ausübungsvoraussetzungen vorliegen oder nicht. Das heisst: Der Gesuchsteller darf nach Vorliegen der Ausübungsvoraussetzungen das Gewerbe beginnen. Ob dieses vorliegt oder nicht, prüft das Amt für Volkswirtschaft und hat dafür maximal 3 Monate Zeit. Somit ist es meines Erachtens nicht richtig, dass es bei den anmeldungspflichtigen Gewerben keiner Vorabgenehmigung zum Erlangen der Gewerbeberechtigung bedarf. 

Im aktuellen Gewerbegesetz findet sich in Art. 8 Abs. 1 Bst. g die Formulierung «die notwendigen Kenntnisse der deutschen Sprache besitzt». Die Regierung schlug vor, diese Bestimmung bzw. Vorgabe ersatzlos zu streichen. Die Regierung begründet dies damit, dass sich der Vollzug dieser Voraussetzung auch in der Verwaltungspraxis schwierig gestaltete und diese Anforderung dem freien Markt überlassen werden könne. 

Ich beantragte die Vorschrift 'mündliche wie schriftliche Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Sprachniveau B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen besitzen’ ins Gesetz aufzunehmen. Gemäss internationaler Definition bedeutet Sprachniveau B1: 
"Kann die Hauptpunkte verstehen, wenn klare Standardsprache verwendet wird und wenn es um vertraute Dinge aus Arbeit, Schule, Freizeit usw. geht. Kann die meisten Situationen bewältigen, denen man auf Reisen im Sprachgebiet begegnet. Kann sich einfach und zusammenhängend über vertraute Themen und persönliche Interessengebiete äussern. Kann über Erfahrungen und Ereignisse berichten, Träume, Hoffnungen und Ziele beschreiben und zu Plänen und Ansichten kurze Begründungen oder Erklärungen geben."
Mit der Einführung des Sprachniveaus B1 wird eine willkürliche Ausübung des Ermessens der zuständigen Behörden verhindert und die Kriterien werden klar und unzweideutig, womit diese Formulierung den Bedenken des EFTA-Gerichtshofes Rechnung tragen sollte. 

Die Voraussetzung der deutschen Sprache zumindest auf dem Sprachniveau B1 ist von Bedeutung, damit der Inhaber des Unternehmens alle steuergesetzlichen und sozialversicherungsrechtlichen Fragen erledigen kann. Formulare, Merkblätter, Vorschriften, Versicherungsausweise und anderes der AHV/IV/FAK-Anstalten, der Pensionskassen, der Steuerverwaltung und anderer Ämter sind ausschliesslich in deutscher Sprache verfasst, weshalb die Fähigkeit, zumindest auf dem Sprachniveau B1 in Wort und Schrift kommunizieren zu können von Bedeutung ist, um ein Unternehmen zu gründen und auch zu führen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen