Radio L: Zahlreiche Fragen und Widersprüche bleiben
«Aufgrund unterschiedlicher Auffassung zur Art der operativen Führung des Liechtensteinischen Rundfunks (Radio L) und zur strategischen Ausrichtung hat der Verwaltungsrat beschlossen, sich per sofort vom Geschäftsführer Martin Matter zu trennen.»
Dieser Satz war in der Medienmitteilung des Verwaltungsrates des Liechtensteinischen Rundfunks vom 11. September 2018 zu lesen. Der Verwaltungsrat unterliess es meines Erachtens, strikt wahrheitsgetreu zu informieren. Wie einen Tag später - also am 12. September 2018 - über das Vaterland wie das Volksblatt bekannt wurde, handelte es sich hierbei nicht nur um eine ‘Trennung per sofort’, wie in der Medienmitteilung genannt, sondern um eine fristlose Kündigung. Das ist nicht das gleiche und ich frage mich schon, weshalb der Verwaltungsrat des Liechtensteinischen Rundfunks sich veranlasst sah, die Bevölkerung nicht wahrheitsgetreu über die Kündigung in Kenntnis zu setzen. Denn etwas müssen wir uns klar sein: Dieses Kapitel ist noch nicht zu Ende, hat doch der entlassene Geschäftsführer rechtliche Schritte angekündigt, womit auf den Liechtensteinischen Rundfunk ein zeitintensiver Rechtsstreit wartet, welcher auch Steuergelder verschlingen wird. Seine Aussage: «Ich gehe bis zum bitteren Ende», welche am 13. September 2018 im Volksblatt zu lesen war, verheisst jedenfalls nichts Gutes.
Mit der Trennung von Geschäftsführer Martin Matter endet ein knapp 10-monatiges Kapitel von Radio L. Zurück bleiben zahlreiche Fragen und Widersprüche, welche sowohl die Oberaufsicht durch das zuständige Ministerium der Regierung als auch den Verwaltungsrat des Liechtensteinischen Rundfunks betreffen.
Jährlich lesen wir im Geschäftsbericht des Liechtensteinischen Rundfunks folgende Sätze:
Jahresbericht 2016:
«Der Verlust von verschiedenen Kunden hat sich auch im Jahr 2016 fortgesetzt oder diese haben ihre Werbevolumen massiv reduziert. Im 2016 im Vergleich zum Jahre 2015 sind die Umsätze (Werbeeinnahmen) um ca. 3 Prozent (CHF 46'000.--) gesunken, und somit ca. 7 Prozent (CHF 98'000.--) unter Budget 2016 geblieben. Die Rahmenbedingungen im Werbemarkt haben sich für den LRF nicht verbessert. Es zeigte sich wie in den Jahren zuvor, dass die Preise/Tarife weiterhin massiv unter Druck sind und zum Teil sehr hohe Rabatte gewährt werden mussten, um Aufträge zu generieren.»Jahresbericht 2017
«Aufgrund verschiedener Studien und Prognosen wird das Werbevolumen der klassischen Medien, primär Printmedien, aber auch das Medium Radio, in den nächsten Jahren noch weiter unter Druck kommen.»Wenn man die Werbeinnahmen der Jahre 2016 und 2017 näher betrachtet stellt man fest, dass im Jahr 2016 insgesamt 1.352 Mio. Franken über Werbeeinnahmen eingenommen wurden. Im Jahr 2017 wurden 1.266 Mio. Franken an Werbeeinnahmen ausgewiesen. Trotz aller Ausführungen, dass der Werbemarkt unter Druck sei und auch in den nächsten Jahren unter Druck bleiben werde, wurde bei der Position ‘Werbeeinnahmen’ komplett gegenteilig budgetiert. Für das Jahr 2017 wurden 1.45 Mio. Franken budgetiert, was gemäss Jahresbericht 2016 dem Durchschnitt der letzten 5 Jahre plus 3 % entspreche. Dies bedeutet nichts anderes, als man den Durchschnitt der Ergebnisse der noch viel besseren Vorjahre, in welchen der Werbemarkt noch nicht so unter Druck war, hernahm und drei Prozent dazuzählte. Dies obwohl man wusste, dass der Werbemarkt nie mehr solche Einnahmen generieren lassen würde, wie in der Vergangenheit.
Die Budgetierung für das Jahr 2018 fiel ähnlich aus. Man reduzierte die budgetierten Einnahmen zwar um 50'000 Franken gegenüber dem Vorjahr, budgetierte aber rund 150'000 Franken mehr als die tatsächlich erwirtschafteten Einnahmen des Vorjahres, welche bei 1.266 Mio. Franken lagen. Dies obwohl man kundtat, dass es immer schwerer werden würde, Einnahmen zu generieren. Das Budget 2018 wurde gemäss Geschäftsbericht am 28. November 2017 von der Regierung genehmigt, dies also vermutlich im vollsten wissen, dass die budgetierten Einnahmen 2017 bei weitem nicht erreicht werden können.
Interessant in Bezug auf die Budgetierung der Werbeeinnahmen sind auch die Aussagen des entlassenen Geschäftsführers. Im April dieses Jahres befürwortete er gegenüber dem Liechtensteiner Vaterland diese Budgetierung. Er sagte: «Dies ist aus heutiger Sicht, auch aufgrund der Auftragseingänge im November und Dezember 2017, ein realistisches und erreichbares Ziel.» Interessant hierbei ist, dass er sich mit dieser Aussage auch auf den Dezember 2017 bezog, also den Monat NACH der Budgetgenehmigung durch die Regierung. Somit konnte die Regierung am Tag der Budgetgenehmigung nichts von einem positiven Auftragseingang im Dezember 2017 wissen. Doch nur wenige Monate später, im Zuge seiner Entlassung, wird Matter im Vaterland erneut hierzu befragt. Jetzt tönt es komplett gegenteilig. «Ich kann nichts dafür, dass der letzte Verwaltungsrat viel zu optimistisch budgetiert hat. Diese Zahlen konnten beim besten Willen nicht hereingeholt werden.»
Diese beiden Aussagen widersprechen sich gänzlich. Heute wissen wir, dass die zweite Aussage von September 2018 wohl eher der Wahrheit entspricht als jene von April 2018.
Das wurde im Juni 2018 auch dem Landtag mittels eines Briefes des damaligen Chefredaktors Martin Frommelt mitgeteilt, als er uns wissen liess, dass der Sender einem Finanzloch von knapp 300'000 Franken entgegensteuere. Für mich stellt sich nun die Frage, wann der Regierungschef-Stellvertreter darüber in Kenntnis gesetzt wurden, dass die budgetierten Einnahmen bei weitem nicht erreicht werden können.
Am 6. Juni 2018 schien er noch nichts davon gewusst zu haben. Eine Frage des Abgeordneten Patrick Risch im Rahmen der Landtags-Debatte zur Bewilligung von Nachtragskrediten beantwortete er an diesem Tag gemäss Landtagsprotokoll mit den Worten: «Wenn ich weitere Leichen kennen würde, würde ich es Ihnen jetzt sagen oder zeigen. Ich kenne im Moment keine weiteren Leichen.»
Eine Woche später soll sich unter der Belegschaft herumgesprochen haben, dass der Geschäftsführer gesagt habe, dass Radio L kein Geld mehr habe. Und nur zwei Wochen nach dem zuvor zitierten Statement des Vizeregierungschefs im Landtag erreichte uns das Schreiben des ehemaligen Chefredaktors mit dem Hinweis auf ein mögliches Finanzloch per Ende 2018 in der Höhe von 300'000 Franken. Einen Tag später erreichte uns zudem noch ein Schreiben der Verwaltungsratspräsidentin. Darin kann nachgelesen werden:
«Anlässlich eines Reportings im Juni 2018 hat die Geschäftsführung dem Verwaltungsrat mitgeteilt, dass es nach aktuellem Forecast per Ende Jahr zu einem finanziellen Defizit von rund 300'000 Franken kommen könnte. Hierüber wurde das zuständige Ministerium seitens der Verwaltungsratspräsidentin und des Geschäftsführers informiert. Es bestand Einigkeit, dass der Verwaltungsrat den Forecast zu verifizieren und entsprechende Massnahmen zu prüfen und einzuleiten hat. Dies mit dem Ziel, das prognostizierte Defizit deutlich zu verringern.»Diese Aussage überrascht, soll es doch Aktennotizen von Februar 2018 geben, die belegen, dass Bedenken geäussert worden seien, dass das Radio so an die Wand fahre.
Dieses Defizit überrascht umso mehr, als im Januar mit Herrn Matter ein Geschäftsleiter seine Arbeit aufnahm, der gemäss Verwaltungsrat «ein ausgewiesener Verkaufs- und Marketingfachmann mit hoher Führungskompetenz» sei. Dem Landtag wurde im Juni jedoch mitgeteilt, dass davon kaum etwas zu sehen sei. Es hält sich das Gerücht, dass der Geschäftsführer nicht bereit gewesen sei, aktiv zu einer positiven Werbeinnahmen-Entwicklung beizutragen und es abgelehnt habe, als Werbeverkäufer tätig zu sein.
Nachdenklich stimmt mich, dass der Verwaltungsrat die Einwände des Chefredaktors in den Wind schlug und sich erst zum Handeln gezwungen sah, als er sich mit einem Schreiben an den Landtag wandte. Anders ist für mich nicht zu erklären, dass sich der Verwaltungsrat weigerte, sich in operative Belange einzumischen bzw. diese genauer unter die Lupe zu nehmen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bat, sich mit ihren Sorgen an den Geschäftsführer zu wenden. Also genau an jene Person, welcher nicht mehr vertraut wurde. Und da wundert man sich, dass der Chefredaktor um eine Auflösung seines Vertrages bat?
Wenn dann in der Medienmitteilung vom 11. September 2018 auch noch erwähnt wird, dass die Entlassung auch «aufgrund unterschiedlicher Auffassung zur Art der operativen Führung» ausgesprochen wurde, dann sagt das ja eigentlich alles aus. Die jetzige Entlassung des Geschäftsführers ist für mich ein Eingeständnis, im Juni aufs falsche Pferd gesetzt zu haben. Man ging den einfacheren Weg, indem dem Überbringer der schlechten Nachricht die Schuld in die Schuhe geschoben werden soll. Die anschliessenden Untersuchungen brachten zum Vorschein, dass es eben doch stimmte, was der Chefredaktor schrieb.
Aus dem Budget 2019 ist zu entnehmen, dass der Staatsbeitrag auf 2.1 Mio. Franken angehoben werden soll. Hinzu kommt ein Investitionszuschuss von knapp 2.5 Mio. Somit ist klar: Der Landtag wird in seiner November-Sitzung nicht nur über rund 4.5 Mio. Franken für Radio L zu befinden haben, sondern damit auch über die Zukunft von Radio Liechtenstein entscheiden müssen. Wird dieses Geld im November zumindest nicht annähernd gesprochen, dürften per Ende Jahr die Lichter ausgehen. Ein so weiter wie bisher, kann auch nicht die Lösung sein. Schon lange deutete sich an, dass der Tag näher rückt, an welchem der Landtag Ja oder Nein zu einem staatlichen Radio in Liechtenstein sagen muss. In rund einem Monat wissen wir mehr. Der Zeitpunkt für eine solche Entscheidung ist ungünstig. Das Defizit 2018 sowie die anstehenden Kosten für die juristische Auseinandersetzung in Bezug auf die fristlose Kündigung werden den Druck weiter erhöhen. Es wird keine einfache Entscheidung werden.
Trotz all dieser Widrigkeiten muss man den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Kränzchen binden, sie machen trotz dieses schwierigen und unsicheren Umfelds einen sehr guten Job. Und ein Dank gilt dem scheidenden Chefredaktor Martin Frommelt. Er hat während 12 Jahren ausgezeichnete Arbeit gemacht und war damit mitverantwortlich, dass die Stimme von Radio Liechtenstein gehört wurde und immer noch wird. Danken möchte ich ihm aber auch für sein Schreiben von Juni dieses Jahres. Es hat sich bewahrheitet, dass seine Ausführungen richtig waren - er ist rehabilitiert. Es brauchte Mut, der Überbringer der schlechten Nachricht zu sein. Er hatte diesen Mut und dafür sollten wir ihm dankbar sein. Wer weiss, bis wann wir sonst von den finanziellen wie personellen Problemen bei Radio Liechtenstein erfahren hätten. Vermutlich erst viel später oder eventuell sogar zu spät.
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