Montag, 28. Dezember 2020

Wahlhilfe.li: Themen Finanzen & Steuern sowie Wirtschaft & Arbeit

Raumplanung sollte Teil des Finanzausgleichs werden

Beantwortung und Kommentierung der Fragen von wahlhilfe.li


Finanzen & Steuern


Soll die Aufteilung von Ausgaben und Einnahmen zwischen Gemeinden und Land zugunsten des Landes angepasst werden?

Antwort: Eher Ja

Kommentar: Die Steuerkraftunterschiede zwischen den Gemeinden haben sich in den letzten Jahren negativ entwickelt. Auf der einen Seite Vaduz und Schaan, welche sehr hohe Reserven bilden konnten und jedes Jahr einen Überschuss in Millionenhöhe generieren. Auf der anderen Seite Gemeinden, welche keine Möglichkeit haben, den Gemeindesteuerzuschlag auf 150 % zu senken. Dieses Ungleichgewicht gehört reduziert, da es auch dem gesellschaftlichen Zusammenhalt unter der Bevölkerung nachteilig ist.


Soll zwischen den Gemeinden ein horizontaler Finanzausgleich eingeführt werden?

Antwort: Eher Ja

Kommentar: Die Raumplanung sollte Teil des Finanzausgleichs werden. Dann bestände bspw. die Möglichkeit, dass jene Gemeinden entlang der Autobahn die Industrie- und Gewerbezonen erweitern und andere darauf keinen Wert legen müssten. Solche raumplanerischen Steuerungselemente können mittels horizontalem Finanzausgleich, also mit einem Finanzausgleich zwischen den Gemeinden, eingeführt werden. Das Mobilitätskonzept 2030 sieht ein solches Szenario auch vor. Zumindest ist es prüfenswert.


Sind Sie für eine Erhöhung der Steuern für Personen mit hohem Einkommen?

Antwort: Eher Nein

Kommentar: Rund 50 % der Bevölkerung zahlt keine Steuern. Ein Grossteil der Steuereinnahmen wir von den höheren oder hohen Einkommen generiert. Es gibt keine Veranlassung für diese die Steuern zu erhöhen, zumal der Staatshaushalt in den letzten Jahren saniert wurde. In Bezug auf die gesunde Entwicklung des Staatshaushaltes gilt es auch die Ausgabenseite im Auge zu behalten. Ein Kostentreiber sind die zahlreich neu geschaffenen Stellen, wobei nicht klar ist , ob alle auch wirklich benötigt werden.


Soll die Besteuerung von Casinos erhöht werden, damit Liechtenstein als Casino-Standort weniger attraktiv wird?

Antwort: Eher Nein

Kommentar: Liechtenstein hat Rahmenbedingungen für einen Casino-Markt geschaffen. Es war nicht zu vermuten, dass so viele Casinos bei uns ansässig werden. Man sollte die Rahmenbedingungen aber jetzt nicht ändern, da dies der Verlässlichkeit des Staates schadet. Ich glaube auch nicht, dass wegen den Steuern der Standort weniger attraktiv wird. Vielmehr gilt es die Entwicklung genauestens zu beobachten. Wenn der Markt gesättigt ist, regelt sich die Grösse des Casino-Platzes Liechtenstein von selbst


Wirtschaft & Arbeit


Befürworten Sie die Einführung eines für alle Arbeitnehmer/-innen gültigen Mindestlohnes?

Antwort: Nein

Kommentar: Dies sollte den Sozialpartnern überlassen werden, welche über die Gesamtarbeitsverträge Mindestlöhne festlegen. Dieses System funktioniert. Der Staat sollte sich nicht einmischen.


Soll der Kündigungsschutz für ältere Angestellte verbessert werden?

Antwort: Nein

Kommentar: Eine Bevorteilung einer Generation bedeutet gleichzeitig eine Benachteiligung anderer Generationen. Dies ist nicht zielführend, auch was den sozialen Frieden betrifft. Auch dies ist - wenn überhaupt - zwischen den Sozialpartnern und damit in den Gesamtarbeitsverträgen zu regeln.


Sollte mehr dafür getan werden, dass Postfilialen in möglichst allen Gemeinden unterhalten werden?

Antwort: Eher Ja

Kommentar: Die Liechtensteinische Post AG gehört zu 75 % dem Land Liechtenstein und somit den Liechtensteinerinnen und Liechtensteinern. Öffentlich-rechtliche Unternehmen wie die Post, die Telecom, die LKW und andere haben einen öffentlichen Auftrag, einen sog. Service Public zu erfüllen. Hierbei darf nicht immer die Gewinnmaximierung an oberster Stelle stehen, sondern der Dienst am Kunden, sprich an der Bevölkerung, hat zu gelten, auch wenn er betriebswirtschaftlich nachteilig ist. Bspw: Wie beim LKW-Shop.


Soll sich der Staat bei den Bergbahnen Malbun finanziell und inhaltlich noch stärker engagieren?

Antwort: Ja

Kommentar: Der Landtag hat die finanzielle Absicherung für den Corona-Winter bewilligt. Nun gilt es die Entwicklung zu definieren. Zuerst soll ein Konzept zur Weiterentwicklung des Naherholungsgebietes Steg-Malbun erstellt werden, mit welchem die Grundausrichtungen festgelegt werden. Anschliessend gilt es die Weiterentwicklung der Bergbahnen zu sichern. Hierbei werden Investitionen in die Infrastruktur und die Beschneiung notwendig werden, da sonst die Bergbahnen auf Dauer nicht konkurrenzfähig sein werden.


Soll der Ausbau des Mobilfunknetzes nach 5G-Standard weiter vorangetrieben werden?

Antwort: Ja

Kommentar: Die Einführung des 5G Mobilfunkstandard wird für den Wirtschaftsplatz von grösster Wichtigkeit sein, da dieser für die Umsetzung der Industrie 4.0 und der künstlichen Intelligenz unabdingbar ist. Des Weiteren wird er für das autonome Fahren benötigt. Wichtig ist aber, dass er auf Basis der gesundheitlichen Aspekte eingeführt wird. Der Weg mit der Schweiz sollte beibehalten werden, da die Schweiz die strengeren Grenzwerte als die EU kennt.

Dienstag, 22. Dezember 2020

Wahlhilfe.li: Themen Umwelt, Verkehr & Energie sowie Politisches System & Aussenbeziehungen

'Klimaneutralität 2050': Staat muss als Vorbild vorangehen

Beantwortung und Kommentierung der Fragen von wahlhilfe.li


Umwelt, Verkehr & Energie


Soll der Staat erneuerbare Energien und einen ressourcenschonenden Umgang mit Energie stärker fördern als bisher?

Antwort: Eher Ja

Kommentar: Der Landtag hat die Einspeisevergütung für Photovoltaik-Anlagen verlängert. Dies war richtig und wichtig. Die Installation und der Einsatz von erneuerbaren Energien soll mit Anreizsystemen beschleunigt werden, nicht mit Druck und Verboten. Zentral ist aber auch, dass der Staat beim Bau der neuen Hochbauten als Vorbild vorangeht. Man kann nicht von der Bevölkerung etwas erwarten, was man selbst nicht umsetzt.


Soll Liechtenstein zur Lösung der Verkehrsproblematik künftig stärker auf verursacherorientierte Abgaben setzen?

Antwort: Eher Nein

Kommentar: Die Lösung der Verkehrsproblematik löst man nicht durch Zwang und Abgaben, sondern durch Anreize und verbesserte Angebote. So ist bspw. das Busangebot auszubauen und die Busbeschleunigung voranzutreiben. Hierzu gehören Busspuren - auch und gerade bei verkehrsneuralgischen Orten wie den Zentren von Schaan und Vaduz.


Befürworten Sie eine Rheinaufweitung und Renaturierung des Rheins in Liechtenstein?

Antwort: Eher Nein

Kommentar: Die Rheinaufweitung ist nur auf Kosten von Boden zu realisieren. Dafür müssen Landwirtschaftsflächen abgebaut werden. Liechtensteins Bodenressourcen sind beschränkt, weshalb ich ein Abbau kritisch sehe. Zudem gilt es die Sicherheit vor Hochwasser sicherzustellen. Der Rheindamm wurde aufgrund des Sicherheitsaspektes gebaut. Dieser darf in keiner Art und Weise vermindert werden.


Soll in Liechtenstein künftig bei allen Neubauten, welche keine Photovoltaikanlage haben, eine Ersatzabgabe fällig werden, welche wiederum für die Errichtung grösserer Photovoltaikanlagen genutzt werden kann?

Antwort: Eher Nein

Kommentar: Vom Ziel 'Klimaneutralität 2050' soll die Bevölkerung mittels Anreizsystemen überzeugt werden. Druck und Verbote sind die Flasche Vorgehensweise. Für viele Personen stellt auch die Finanzierbarkeit eine wichtige Frage dar. Wichtig ist, dass der Staat als Vorbild vorangeht. Der Landtag hat zahlreiche Neubauten beschlossen, welche als Vorzeigeprojekte gebaut werden könnten. So könnten auch die Fassaden mit Photovoltaik ausgerüstet werden. Leider verzichtet die Regierung bisher darauf.


Würden Sie es begrüssen, wenn in Liechtenstein eine wirksamere nationale Raumplanung eingeführt würde?

Antwort: Eher Ja

Kommentar: Eine wirksamer nationale Raumplanung könnte über die Neuausrichtung des Finanzausgleichs installiert werden. Dies sieht auch das Mobilitätskonzept 2030 vor. Mit einem horizontalen Finanzausgleich könnte man die Raumplanung steuern, gerade in Bezug auf die Industrie- und Gewerbezonen.


Politisches System & Aussenbeziehungen


Sollen Pro- und Contra-Komitees bei Volksabstimmungen ihre Finanzierung offenlegen müssen?

Antwort: Nein

Kommentar: Da die Regierung für einen Abstimmungskampf über Steuergelder mehr finanzielle Mittel als private Komitees zur Verfügung hat, wäre es zweckmässiger, ihr einen Finanzrahmen vorzugeben, damit zwischen dem privaten Komitee und der Regierung kein finanzielles Ungleichgewicht entsteht. Pro- und Contra-Lager sollten für einen Abstimmungskampf in etwa dieselbe Höhe an finanziellen Mittel zur Verfügung haben, damit sich eine Volksabstimmung nicht über das zur Verfügung stehende Geld entscheidet.


Soll Liechtenstein die Umsetzung von EWR-Recht in nationales Recht künftig öfters verzögern und aufweichen, auch wenn es damit gegen die Vorgaben aus dem EWR-Abkommen verstösst?

Antwort: Nein

Kommentar: Liechtenstein muss aber auch nicht die Vorreiterrolle innehaben und EU-Richtlinien mittels vorauseilendem Gehorsam umsetzen, zumal nicht alle Richtlinien auf Kleinstaaten ausgerichtet sind und somit eher Nachteilig für die Wirtschaft sind. Man sollte verstärkt die aussergewöhnliche  Ausgangslage unseres Landes mit den beiden Wirtschaftsräumen Schweiz und EU sowie die Grenzgängersituation bei der Ausarbeitung der EU-Richtlinien einfordern.


Soll Liechtenstein das bestehende Netz an Botschaften und ständigen Vertretungen im Ausland ausbauen?

Antwort: Eher Nein

Kommentar: Der einzige Ort, an welchem eine eigene Botschaft unter Umständen noch Sinn machen würde, wäre Paris mit dem Sitz der OECD.


Befürworten Sie die Senkung des Stimm- und Wahlalters auf 16 Jahre?

Antwort: Nein

Kommentar: Ein Grossteil der 16- und 17-jährigen zeigt nur geringes bis gar kein Interesse an Politik. Umfragen bei Jugendorganisationen haben ergeben, dass auch unter Jugendlichen das Stimmrechtsalter 16 grossmehrheitlich abgelehnt wird.


Soll Liechtenstein dem Internationalen Währungsfonds (IWF) beitreten?

Antwort: Nein

Kommentar: Ein IWF-Beitritt bringt zu wenig Vorteile. Das Argument, dass Liechtenstein bei einer finanziellen Schieflache den IWF zur Rettung und Hilfe anrufen könnte, ist kein gangbarer Weg. Man hat bei anderen Ländern wie bspw. in Griechenland gesehen, wie rücksichtslos und ohne soziale Bedenken der IWF vorging, um Gelder zu sprechen. Vielmehr würde ich einen Rettungsvertrag mit der Schweiz bevorzugen. Zudem hätte Liechtenstein in der Stimmrechtsgruppe der Schweiz praktisch keine Stimmkraft.

Freitag, 18. Dezember 2020

Wahlhilfe.li: Themen Sozialstaat, Familie & Gesundheitswesen sowie Bildung

Familie und Beruf: Bezahlte Elternzeit nur der erste Schritt 

Beantwortung und Kommentierung der Fragen von wahlhilfe.li


Sozialstaat, Familie & Gesundheitswesen


Befürworten Sie eine Erhöhung des Renteneintrittsalters?

Antwort:
Nein

Kommentar: Von Bedeutung ist, dass die AHV langfristig finanziert ist. Gemäss Gutachten würde eine Erhöhung der Arbeitgeber und Arbeitnehmerbeiträge ausreichen, damit die AHV 2038 noch 5 Jahresausgaben an Reserven hat. Somit ist eine Erhöhung des Renteneintrittsalters momentan gar nicht nötig. Die Beitragserhöhungen könnten über eine Erhöhung des Staatsbeitrages in die Obligatorische Krankenpflegeversicherung kompensiert werden, um Rentnerinnen und Rentner sowie Familien daran partizipieren zu lassen.


Soll Liechtenstein so rasch als möglich eine bezahlte Elternzeit einführen?

Antwort: Ja

Kommentar: Wir werden spätestens 2022 die EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige übernehmen, womit die bezahlte Elternzeit eingeführt wird. Viel wichtiger ist die Frage, wie dies finanziert wird. Ich bin dafür, dass dies über die Familienausgleichskasse (FAK) geschieht. Ihre Reserven reichen dafür aus. Die Einführung der bezahlten Elternzeit ist aber nur ein Schritt zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Weitere werden folgen müssen.


Sollen sich die Versicherten stärker an den Gesundheitskosten beteiligen (z.B. Erhöhung der Mindestfranchise)?

Antwort: Nein

Kommentar: Mit der Reform des Krankenversicherungsgesetzes wurde die Franchise und der Selbstbehalt erhöht. Dabei soll es vorerst bleiben, zumal die Kosten in den letzten Jahren nur sehr moderat gestiegen sind und es teilweise sogar zur Rückzahlungen kam.


Soll für Kinder für besondere Krankheitsfälle wie Kinderlähmung oder Masern eine Impfpflicht eingeführt werden?

Antwort: Eher Ja

Kommentar: Generell bin ich gegen die Impfpflicht, aber für den Schutz von Kindern kann dies in Einzelfällen in Betracht gezogen werden, zumal es sich hierbei um Impfungen handelt, die man schon lange kennt und deren Auswirkungen, Langzeitfolgen bzw. Nebenwirkungen bekannt sind. Somit erhöhen diese Impfungen den Schutz vor unheilbaren Krankheiten mit Folgeschäden.


Soll Liechtenstein den gemeinnützigen Wohnungsbau verstärkt fördern?

Antwort: Nein

Kommentar: Wohnungsbau sollte der Privatwirtschaft überlassen werden. Mittels Anreizsystemen können gewisse gewünschte Entwicklungen gefördert werden. Aber der Staat sollte nicht selbst Wohnungsbau betreiben. Sollte dies gewünscht sein, wäre es eher eine Sache der Gemeinden.


Bildung


In Liechtenstein werden die Schüler/-innen nach fünf Jahren an der Primarschule der Oberschule, der Realschule oder dem Gymnasium zugeteilt. Würden Sie anstelle dieser Dreigliedrigkeit ein weniger separierendes, integrativeres Modell begrüssen? 

Antwort: Nein

Kommentar: Liechtenstein hat ein sehr gutes Bildungssystem, welches zudem auf die Schweiz angepasst ist. Damit ist der Zugang zu Hochschulen und Universitäten in Europa gewährleistet, was existenziell ist. Deshalb braucht es keine grundlegende Veränderung. Wichtiger erscheint mir die aufgrund der Sanierung des Staatshaushaltes vorgenommene Erhöhung der Klassengrössen rückgängig zu machen. Je kleiner die Klassen, desto höher ist der Lernerfolg, da die Lehrperson mehr Zeit für die einzelnen Schüler hat.


Würden Sie es begrüssen, wenn weniger Schüler/-innen nach der Primarschule dem Gymnasium zugeteilt werden, damit den Lehrbetrieben mehr Lehrlinge zur Verfügung stehen und das duale Berufsbildungssystem gestärkt wird?

Antwort: Nein

Kommentar: Die Zuteilung soll nicht aufgrund von Quoten, sondern anhand der Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler erfolgen.


Soll die staatliche finanzielle Unterstützung für die berufsbegleitende Weiterbildung und berufliche Umschulung ausgebaut werden?

Antwort: Eher Nein

Kommentar: Ein genereller Ausbau kommt einer Giesskannensubvention gleich. Zielführender wäre es, Umschulungen bei jenen Personen vermehrt zu fördern, welche diese mit den eigenen finanziellen Mittel nur sehr schwer finanzieren können.


Soll für fremdsprachige Kinder die Frühförderung vor dem Kindergarten verstärkt werden?

Antwort: Ja

Kommentar: Die Frühförderung der deutschen Sprache soll gefördert werden, zumal die Regierung bei rund der Hälfte der Kindergartenkinder sprachliche Defizite feststellt. Das ist ein Problem, das gelöst werden muss, zumal ich der Ansicht bin, dass Integration von fremdsprachigen Kindern vor allem über Sprachkompetenz gelingt. Es sollen Anreizsysteme geschaffen werden, damit Eltern fremdsprachiger Kinder die Angebote vermehrt nutzen. Zudem bin ich für die Einführung der Kindergartenpflicht von 2 Jahren.

Donnerstag, 3. Dezember 2020

Sozialhilfegesetz

Wie soll Zwangseinweisung geistig behinderter Personen geregelt sein?


Die Abänderung des Sozialhilfegesetzes ist schwere Kost, handelt es sich doch um eine punktuelle Neuregelung über die Unterbringung bzw. Zurückhaltung von Personen gegen ihren Willen in Anstalten bzw. psychiatrischen Kliniken.

Danach dürfen Personen, die geisteskrank oder geistesschwach sind, an Suchterkrankungen leiden oder schwer verwahrlost sind, gegen ihren Willen in einer geeigneten Anstalt untergebracht oder zurückbehalten werden, wenn ihnen die nötige Hilfe anders nicht erwiesen werden kann. Da die bestehenden Bestimmungen hierzu teilweise lückenhaft und veraltet sind, wurden diese Abänderungen des Sozialhilfegesetzes notwendig. Als Grundlage wurde die Schweizer Gesetzgebung herangezogen. 

Anders als in der Schweiz - jedoch wie in Österreich - soll auch die Unterbringung bei ausschliesslicher Fremdgefährdung möglich sein, weshalb dafür das Unterbringungsgesetz von Österreich herangezogen wurde. Somit soll explizit normiert werden, dass eine Person, die an einer psychischen Störung oder an geistiger Behinderung leidet und im Zusammenhang damit das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährdet, in einer geeigneten Einrichtung untergebracht werden kann. Dies, wenn sie nicht in anderer Weise, insbesondere ausserhalb einer geeigneten Einrichtung, ausreichend ärztlich behandelt oder betreut werden kann. Dies entspricht der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und der österreichischen Rechtslage in § 3 des Unterbringungsgesetzes. 

Der Vorschlag der Regierung geht für mich in der gegenwärtigen Formulierung zu weit. Persönlich wird für mich damit auch eine rote Linie überschritten. Man darf nicht ausser Acht lassen, dass es sich hierbei um eine fürsorgliche Unterbringung handelt. In der Schweiz ist eine Fremdgefährdung weder Unterbringungsvoraussetzung noch für eine Unterbringung hinreichend. In der Schweiz hat das Bundesgericht diese Regelung untersagt. «Gemäss Rechtsprechung des schweizerischen Bundesgerichtes darf die Belastung bzw. die Gefahr für Dritte nicht ausschliesslicher Einweisungs- bzw. Zurückbehaltungsgrund sein», so die Regierung auf Seite 33 ihres Berichts. Da die Schweiz somit diese Regelung nicht kennt, musste die Regierung auf das österreichische Unterbringungsgesetz als Rezeptionsgrundlage zurückgreifen.

Das Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie in Wien, immerhin eines der führenden Forschungsinstitute in der europäischen Sicherheitsforschung, hat im Auftrag der österreichischen Regierung ein Gutachten zu diesem Unterbringungsgesetz und zu diesem § 3 erstellen lassen. Darin kommen die Gutachter zum Schluss: 
«Und ganz grundsätzlich gilt es zu berücksichtigen, dass Annahmen über Gefährdungen Prognosen darstellen, d.h. mit dem leidigen Problem ungewisser Zukunft konfrontiert sind: Wir wissen aktuell nicht, wie sie sich tatsächlich entwickeln wird, da sich aus Ereignissen der Vergangenheit und Gegenwart - so diese überhaupt ausreichend bekannt sind - nicht linear Ereignisse in der Zukunft ableiten lassen. Entsprechend gross sind die faktischen Interpretations- und Ermessensspielräume bei diesem UbG-Kriterium und entsprechend uneindeutiger gestalten sich auch die Entscheidungskompetenzen - sowohl im Sinne von Entscheidungsfähigkeit als auch -zuständigkeit.»
Das Obergericht geht in seiner Vernehmlassungsstellungnahme auch darauf ein und führt aus: 
«Eine Unterbringung allein wegen Fremdgefährdung darf aber niemals strafprozessuale Massnahmen substituieren, geschweige denn auf eine Art Präventivhaft hinauslaufen.»
Auch wenn ein Vorhaben EMRK-Konformität zuerkannt wird, ist es noch lange nicht ethisch und moralisch ein gangbarer Weg. Die Regierung führt auf Seite 38 aus:
«Nach geltendem Recht wird bei Vorliegen einer psychischen Erkrankung, die zwar zu keiner Selbstgefährdung, jedoch aber zu einer Fremdgefährdung führt, keine Unterbringung möglich sein. Dies stellt aus Sicht der Regierung eine Lücke dar. Personen, bei denen Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen vorliegen, kann das Risiko für schwere Gewalt in bestimmten Fällen unweigerlich mit einer sich akut manifestierenden Erkrankung verknüpft sein.»
Die von der Regierung vorgesehene Regelung berücksichtigt jedoch nicht nur Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen, sondern wird viel weiter gefasst. Die Regierung führt aus:
«Im Interesse der öffentlichen Sicherheit soll diese Lücke analog der Rechtslage in Österreich geschlossen werden, indem Personen, die an einer psychischen Störung oder an einer geistigen Behinderung leiden und bei denen aufgrund dieser Erkrankung eine ernste und erhebliche Gefahr für Leben und Gesundheit Dritter ausgeht, neu ebenfalls fürsorgerisch untergebracht werden können.»
Nicht jede psychische Störung oder geistige Behinderung hat mit Schizophrenie, schizotypen und wahnhaften Störungen zu tun. Meines Erachtens müssten dieser Artikel 18d noch mit Präzisierungen und Einschränkungen erweitert werden, indem klare Vorgaben für eine solche präventive Unterbringung gemacht werden, auch in Bezug auf das vorhandene Krankheitsbild aber auch in Bezug auf die Entscheidungskompetenzen. 

Denn gerade bei den Entscheidungskompetenzen ortet das Gutachten Probleme, da es Personen gäbe, welche Freiheit, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung stärker betonen und sich deshalb deutlicher an persönlicher Autonomie orientieren, selbst wenn von eingeschränkter Entscheidungsfähigkeit auszugehen sei. Es werde psychisch kranken Personen eher auch das Recht zugestanden, unvernünftig zu sein und sich selbst zu schaden bzw. Fehler begehen zu dürfen.

Andere Personen wiederum seien von einer fürsorglichen Haltung geprägt, tendieren eher bzw. früher zum stellvertretenden Handeln und würden den Schutz der Person in den Vordergrund stellen. Dies ginge so weit, als sie eine vormundschaftlich geprägte Verantwortungsübernahme für psychisch kranke Personen wahrnehmen wollen.

Wie stellt die Regierung nun sicher, dass alle Fälle gleichbehandelt werden? Was ist, wenn bei einem Fall der erste Typus die Entscheidung zu fällen hat und in einem anderen gleichgelagerten Fall der zweite Typus? Der eine wird eingewiesen, der andere nicht. Wir reden hier von Präventivmassnahmen gegenüber Personen, die an einer psychischen Störung oder an einer geistigen Behinderung leiden. Diese Personen haben nichts Verbotenes getan; sie sollen präventiv zwangsweise in einer Einrichtung untergebracht werden, da prognostiziert wird, dass sie vielleicht eine Gefahr für Dritte sind.

Welche Voraussetzungen vorhanden sein müssen, um eine solche Einweisung anzuordnen, müssen genauer im Gesetz festgelegt werden. Die im Artikel gebrauchte Formulierung, «das Leben oder die Gesundheit anderen ernstlich und erheblich gefährdet» reicht für einen solchen markanten präventiven Eingriff in ein Freiheitsrecht für mich nicht aus.

Mittwoch, 2. Dezember 2020

Bezahlte Elternzeit

Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Nun sind Taten gefordert

Landtagsvotum zur Interpellationsbeantwortung bezahlte Elternzeit

Die Interpellationsbeantwortung zur Finanzierung einer bezahlten Elternzeit zeigt deutlich auf, dass die Diskussion um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nur im Spannungsfeld zwischen Notwendigkeit und Kosten geführt werden kann. Die Notwendigkeit Massnahmen zur Verbesserung der Situation einzuleiten und umzusetzen wird nicht angezweifelt. Bei der Frage ‘Wer soll das bezahlen?’ gehen dann die Meinungen teilweise stark auseinander.

Die bezahlte Elternzeit ist nur ein Lösungsansatz, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern. Sie ist aber jene Massnahme, die sicher kommen wird, und zwar zeitnah. Dafür sorgt die EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige. Diese haben wir umzusetzen. Deshalb danke ich den Interpellanten für diese Interpellation und der Regierung für deren Beantwortung. Sie zeigt auf, in welcher Grössenordnung Kosten entstehen könnten. Die Vorgabe der Interpellanten von einer bezahlten Elternzeit von vier Monaten, welche mit 80 % des Medianlohns vergütet wird, generiert Lohnkosten in der Grössenordnung von rund CHF 30 Mio.. Weitere Kosten, welche den Arbeitgebern durch Abwesenheiten von Arbeitnehmern entstehen könnten, sind darin noch nicht inkludiert.

Die EU-Richtlinie gibt zwar den Rahmen vor, überlässt den Mitgliedsstaaten aber weite Teile der konkreten Umsetzung. So macht beispielsweise die Richtlinie keine Vorgaben in Bezug auf die Höhe der Vergütung der Elternzeit. In Punkt 29 der EU-Begründung kann nachgelesen werden:
«Um die Inanspruchnahme der in dieser Richtlinie festgelegten Urlaubszeiten für Arbeitnehmer, die Eltern sind, insbesondere für Männer, noch attraktiver zu machen, sollten die Betroffenen während des Urlaubs Anspruch auf eine angemessene Vergütung haben.»
Die EU spricht von ‘angemessener Vergütung’. Es wird einen politischen Entscheid benötigen, was unter angemessener Vergütung verstanden wird. Somit werden jene Abgeordneten, die am 7. Februar in dieses Haus gewählt werden, zu entscheiden haben, welche Höhe der Lohnfortzahlung als angemessene Vergütung bezeichnet werden kann. 

Dies ist jedoch nur eine Entscheidung, die gefällt werden muss. Die EU macht auch bei anderen Bereichen Vorgaben, überlässt aber die konkrete Ausgestaltung sehr oft den Mitgliedsländern. Vaterschaftsurlaub und der Urlaub für pflegende Angehörige sind nur zwei Beispiele hierzu.

Des Weiteren berücksichtigt die EU in Punkt 48 der Begründung der Richtlinie auch die Auswirkungen auf die Klein- und Mittelbetriebe. Sie führt aus: 
«Bei der Umsetzung dieser Richtlinie sollten die Mitgliedstaaten sich darum bemühen, keine administrativen, finanziellen oder rechtlichen Auflagen vorzuschreiben, die der Gründung und dem Ausbau von KMU entgegenstehen oder Arbeitgeber einer unverhältnismässigen Belastung aussetzen. Deshalb werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, die Auswirkungen ihres Umsetzungsrechtsakts auf KMU sorgfältig zu prüfen, um zu gewährleisten, dass alle Arbeitnehmer gleichbehandelt werden, dass KMU und insbesondere Kleinstunternehmen nicht unverhältnismässig beeinträchtigt werden und dass unnötiger Verwaltungsaufwand vermieden wird. Die Mitgliedstaaten sind dazu angehalten, Anreize für KMU zu schaffen und ihnen Orientierung und Beratung bei der Einhaltung der in dieser Richtlinie verankerten Verpflichtungen anzubieten.»
Dieser Punkt 48 wird bei der Umsetzung der Richtlinie noch grosse Bedeutung erlangen. In der Regierungsbroschüre zur den Wirtschafts- und Finanzdaten zu Liechtenstein per 31. Mai 2020 werden die neusten Daten zur Unternehmens- und Arbeitsplätzestruktur ausgewiesen. 88% der 4’878 Unternehmen haben weniger als zehn Beschäftigte; 98% weniger als 50. Es ist augenfällig, welche Bedeutung der Punkt 48 der EU-Begründung bei der Umsetzung dieser Richtlinie haben wird, gerade für unser Gewerbe und unsere Kleinst-, Klein- und Mittelbetriebe (KMU).

Meines Erachtens ist es von grundlegender Bedeutung, dass den Ausführungen in der EU-Richtlinie zu den KMU’s höchste Bedeutung beigemessen wird. Sollte die Einführung der bezahlten Elternzeit zu Problemen für die KMU’s führen, besteht die Gefahr, dass junge Menschen, die sich mitten in der Familienplanung befinden, bei KMU’s unseres Landes nur sehr schwer eine Arbeitsstelle finden. Denn mit dieser Richtlinie geht ja nicht nur die Einführung der bezahlten Elternzeit einher, sondern gemäss Art. 10 der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten auch dafür zu sorgen, «dass die Arbeitnehmer nach Ablauf eines Urlaubs Anspruch darauf haben, an ihren früheren oder einen gleichwertigen Arbeitsplatz unter Bedingungen zurückzukehren, die für sie nicht weniger günstig sind, und in den Genuss aller Verbesserungen der Arbeitsbedingungen zu kommen, auf die sie Anspruch gehabt hätten, wenn sie den Urlaub nicht genommen hätten.»

Dies entspricht zwar der heute geltenden Regelung, erschwert aber durch die von der EU im Individualfall vorgegebene Übertragbarkeit der Elternzeit von einem auf den anderen Elternteil die Planungs- und Organisationssicherheit des Arbeitgebers bzw. die Innerbetrieblichen Strukturen von KMU’s weiter. Zudem hinterfrage ich, ob die heute gültigen Regelungen in Art. 34b des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches, welche dem Arbeitgeber von Betrieben unter 30 Arbeitnehmern das Recht einräumt, den Elternurlaub zu verschieben, wenn betriebliche Abläufe eingeschränkt werden, aufrecht erhalten werden können. Heisst es doch in der Richtlinie, dass gewährleistet sein muss, dass alle Arbeitnehmer gleichbehandelt werden müssen.

Dies sehen auch die Autoren des Berichts ‘Familienpolitik im Fürstentum Liechtenstein’ so. Sie führen aus:
«Mit der Einführung einer bezahlten Elternzeit, die auch der Vater beziehen kann, werden vermehrt auch Männer Familienzeit beziehen, sodass Betriebe mit Abwesenheiten sowohl von Frauen wie von Männern rechnen müssen.»
Unabhängig davon, wie die bezahlte Elternzeit in Zukunft ausgestaltet wird, gehe ich mit den Ausführungen der Regierung auf Seite 17 der Interpellationsbeantwortung überein, dass die von den Interpellanten als Grundlage für die Kostenschätzung vorgegebene Höhe von 80% des Medianlohns über alle Altersklassen hinweg einer sehr hohen Vergütung entspricht. Dies umso mehr, als zu berücksichtigen ist, dass die Löhne in der Altersklasse der Eltern von kleinen Kindern eher unterdurchschnittlich sind und die Löhne in unserem Kulturkreis mit dem Alter in der Regel ansteigen.

Gemäss meinem Verständnis könnte somit der Fall eintreten, dass jemand mit Bezug von 80% des Medianlohnes für die bezahlte Elternzeit mehr verdient, als wenn er zu 100% seiner Arbeit nachgeht. Das kann es natürlich nicht sein. Somit haben die Interpellanten der Freien Liste eine Variante rechnen lassen, welche nicht nur eine Maximalvariante darstellt, sondern nicht geeignet ist, in die Praxis umgesetzt zu werden. Für mich kommt eine bezahlte Elternzeit, bei welcher Eltern mehr verdienen, als wenn sie wie üblich zu 100 Prozent ihrer Arbeit nachgehen, nicht in Frage. Das wäre ein Systemfehler und so glaube ich, nicht einmal für die Freie Liste ein gangbarer Weg. Somit kann davon ausgegangen werden, dass die von der Regierung dargelegten CHF 30. Mio. nicht den endgültigen Kosten entsprechen und diese tiefer ausfallen werden.

Unabhängig von der Höhe bleibt aber die Frage ‘Wer soll das bezahlen?’ im Raum. Die Regierung schlägt verschiedene Varianten vor - die Familienausgleichskasse, die Krankentaggeldversicherung, die AHV, die Schaffung eines eigenen neuen Sozialwerks, die Kostenübernahme durch die Unternehmen sowie gemeinschaftlich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Ich teile die Meinung der Regierung, dass es naheliegend ist, die bezahlte Elternzeit über die Familienausgleichskasse (FAK) zu bezahlen. Der Nachteil dabei ist, dass sie in Form von Lohnprozenten ausschliesslich über Arbeitgeberbeiträge finanziert wird. Unter der Annahme, dass die Elternzeit gemäss den Vorgaben der Interpellanten umgesetzt wird und die dabei dargestellten Kosten verursacht, würden ihre Ausgaben gegenüber dem aktuellen Stand ungefähr eineinhalb Mal so hoch ausfallen. Die Regierung schreibt, dass dann bei gleichbleibendem Finanzierungsmechanismen die Arbeitgeber mit einer deutlichen Beitragserhöhung belastet werden müssten.

Ich bin der Ansicht, dass - sofern die Elternzeit über die FAK finanziert werden soll - die Höhe der Finanzierung der Elternzeit an den Einnahmen der FAK ausgerichtet werden sollte. Es gilt eine Beitragserhöhung für die Arbeitgeber zu verhindern. Auch sollte darauf geachtet werden, dass die Lohnnebenkosten nicht weiter ansteigen, was mittels Finanzierung über die FAK ebenfalls gewährleistet wäre.

Ich erachte es als gerechtfertigt, dass damit für die Bezahlung der Elternzeit in erster Linie die Arbeitgeber verantwortlich sind, da eine bezahlte Elternzeit die Attraktivität der Arbeitsplätze erhöht und die Rückkehr von Frauen an den Arbeitsplatz begünstigt. Die Akzeptanz einer solchen Lösung kann aber von den Arbeitgebern nur verlangt werden, wenn die Beiträge dadurch nicht angehoben werden müssen. Deshalb ist es von grundlegender Bedeutung, dass die FAK nicht in eine Situation gebracht wird, in welcher sie höhere Ausgaben als Einnahmen generiert und somit Beitragserhöhungen notwendig werden. Auch deshalb werde ich der Kompensation über die FAK der AHV-Beitragserhöhung in Traktandum 12 zur langfristigen Sicherung der AHV nicht zustimmen.

Wie gesagt, sind die bezahlte Elternzeit und der bezahlte Vaterschaftsurlaub nur zwei Komponenten, mit welcher die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestärkt werden können.
«Die meisten Frauen sind vor der Geburt des ersten Kindes erwerbstätig, reduzieren danach ihr Pensum oder beenden die Erwerbstätigkeit ganz. Männer nehmen bei einer Geburt in der Regel nur wenige Tage frei und arbeiten weiterhin Vollzeit oder mit einem sehr hohen Stellenpensum. Die finanziellen Einbussen sind für manche Familien deutlich spürbar. Die finanzielle Unterstützung durch den Staat kompensiert dies meistens nicht. Dies wird vielfach als mangelnde Anerkennung und Wertschätzung für den Beitrag der Familien für die Gesellschaft aufgefasst.»
Dies ist ein Ergebnis aus der Familienumfrage, welche eine Grundlage des Berichts ‘Familienpolitik in Liechtenstein’ der Arbeitsgruppe Familienpolitik über Meilensteine, aktuelle Lage, strategische Ziel und mögliche Massnahmen bildete.

Darin wird das Ziel, ‘Betreuung des Kindes durch die Eltern im ersten Lebensjahr’ definiert. Als Massnahmen werden die Optimierung des Mutterschaftsurlaubes, die Einführung eines bezahlten Vaterschaftsurlaubes und die Umwandlung von unbezahltem Elternurlaub in bezahlte Elternzeit angeführt. Also genau das, was die EU in ihrer Richtlinie einführt.

Zentral für mich ist hierbei, dass diese Massnahmen nicht nur Vorteile für die Eltern in sich bergen, sondern auch für das Wohl des Kindes elementar sind. Es gibt genügend Studien, welche auf die Wichtigkeit der Betreuung des Kindes durch die Eltern im ersten Lebensjahr hinweisen und auch Nachteile für das Kind sehen, wenn dem nicht so sein sollte. Und deshalb unterstütze ich die Autoren der Studie ‘Familienpolitik’, wenn sie schreiben: 
«Bezahlte Elternzeit ist eine Massnahme, die das Potenzial hat, Kindern einen guten beziehungsweise noch besseren Start ins Leben zu ermöglichen. Das Wohl der Kinder hängt naturgemäss eng mit dem Wohl seiner Eltern zusammen. Wenn es den Eltern gutgeht, geht es in der Regel auch den Kindern gut. Um diesem Ziel näher zu kommen, braucht es - nebst der Einführung der bezahlten Elternzeit - weitere Massnahmen der Familienförderung und der Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf»
Im Bericht werden verschiedene weitere Massnahmen angesprochen. Sie reichen von der Förderung und Etablierung von Teilzeitstellen und flexiblen Arbeitszeitmodellen für Mütter und Väter bis hin zur Erweiterung der Blockzeiten und der Betreuungsangebote in den Schulen sowie zum Kindergartenobligatorium. Alles Bereiche, die es meines Erachtens wert sind, genauer evaluiert zu werden und gegen deren Umsetzung man eigentlich gar nicht sein kann. Dies umso mehr, als sie gemäss Umfrage die Hauptprobleme der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ansprechen und einer Lösung zuführen.

Darüber hinaus schlägt die Arbeitsgruppe vor, im Sinne der Nutzung von Synergien zu überprüfen, ob es zielführender wäre, Betreuung und Bildung in ein und demselben Ministerium anzusiedeln, da diese Bereiche in Zukunft immer mehr zusammenwachsen werden, wodurch verstärkt Synergien genutzt werden könnten. Das ist für mich ein höchst prüfenswerter Vorschlag, der - so hoffe ich - im Rahmen der nächstjährigen Regierungsbildung in Betracht gezogen werden sollte.

Die Thematik und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird ein zentrales Thema der nächsten Jahre sein. Die Grundlagen für eine fundierte Diskussion liegen vor; nun gilt diese mit Leben zu füllen und Nägel mit Köpfen zu machen. Zur Verbesserung der gegenwärtigen Situation ist die Übernahme der EU-Richtlinie der erste Schritt - mehr aber auch nicht. Weitere werden folgen müssen.

Eine Verbesserung wird auch von der Bevölkerung gefordert, wie aus der Familienumfrage hervorgeht. Es wird festgestellt:
«Von Eltern, insbesondere erwerbstätigen Eltern, ist oftmals Improvisationsgeschick gefordert. Insgesamt geben 32 Prozent an, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Liechtenstein sehr schwierig sei, weitere 46 Prozent erachten es als eher schwierig. Somit besteht jedenfalls Handlungsbedarf.»
Das heisst: 78% der Betroffenen betiteln die gegenwärtige Ausgangslage als sehr schwierig oder eher schwierig. Deutlicher kann ein Auftrag an die Politik kaum artikuliert werden.

Kostenloser öffentlicher Verkehr in Liechtenstein

Gratis ÖV: Ja bis zum 18. Lebensjahr und AHV-Bezüger

Landtagsvotum zur Petition 'Gratis ÖV in Liechtenstein'

‘Nulltarif: Der Umsteige-Effekt auf Postautos ist vorhanden’ - dies war am 15. September 1988 die Headline auf Seite 1 des Volksblatts. Immer wieder war im Verlauf des Jahres 1988 zu lesen, dass der Nulltarif zu einer erhöhten Nutzung des öffentlichen Verkehrs geführt habe. ‘Die Postautos werden viel mehr als früher benützt’, ‘Nulltarif führte zu merklicher Zunahme der Postautobenützung’ oder ‘Mehr Umsteiger als allgemein erwartet’ - nur drei Schlagzeilen des Jahres 1988. 

Trotzdem entschied sich die damalige Regierung, diesen Nulltarif-Versuch nach einem Jahr abzubrechen und per 1. Januar 1989 ein attraktives Tarifsystem einzuführen. Der damalige Regierungsrat Wilfried Büchel führte hierzu am 11. November 1988 im Volksblatt aus:
«Aufgrund der Erfahrungen mit dem versuchsweise für ein Jahr eingeführten Nulltarif und der Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleituntersuchungen wurde die Regierung in der Auffassung bestärkt, dass eine attraktive Tarifgestaltung zur vermehrten Benutzung des öffentlichen Verkehrs beiträgt und - wie die vorliegende Studie belegt - auch sogenannte Umsteigeeffekte erzielt werden können.»
Er sollte Recht behalten, wie aus dem Ergebnisbericht ‘Nulltarif im öffentlichen Verkehr’, welcher der Verkehrsbund Vorarlberg in Auftrag gegeben hat und der 2008 veröffentlicht wurde, entnommen werden kann. In diesem werden die Ergebnisse dieser Nulltarif-Versuchsphase von 1988 auch im langfristigen Kontext analysiert. Hierbei wurde festgestellt, dass es bereits im Vorfeld des Nulltarifs Fahrgastzuwächse gab. Dies deshalb, weil im Mai 1987 ein Fahrplanwechsel durchgeführt wurde, mit welchem das Fahrplanangebot um 30 % erweitert wurde. Zwar konnte durch den Nulltarif ein Anstieg an ÖV-Nutzern festgestellt werden, der jedoch auch nach diesem Versuchsjahr und mit dem neuen Tarifsystem ab 1989 weiter zunahm. Dies deshalb, weil das Angebot kontinuierlich und konsequent ausgebaut wurde. Wurden im Jahr 1985 noch knapp eine Million Kilometer gefahren, so betrug die Jahreskilometerleistung im Jahr 2006 über 2.5 Millionen Kilometer. Heute sind wir bei drei Millionen Kilometer.

Die Autoren des Erlebnisberichtes resümieren das Versuchsjahr 1988. Sie führen einerseits aus, dass Fahrgäste offensichtlich erstaunt darüber gewesen seien, wie bequem man mit den Postautos Distanzen überbrücken kann, was sie zuvor angezweifelt bzw. gar nicht gewusst hätten. Andererseits stellen sie fest, dass aus den Intensivinterviews klar herausgekommen sei, dass das Image des Busses deutlich verbessert worden sei. Die Menschen hätten sich nicht mehr so exponiert gefühlt, wenn sie an einer Haltestelle gestanden seien, so die Rückmeldung der Befragten.

Kurzum: Der Nulltarif-Versuch von 1988 war eine super PR-Aktion, mit welcher Berührungsängste gegenüber dem öffentlichen Busangebot abgebaut und die Erfahrungen der Bevölkerung ausgebaut wurden. Darin und in der Erweiterung des Angebots lagen die Hauptgründe, dass die Zahlen der Busbenutzung auch nach 1988 mit einem einfachen Tarifsystem hoch blieben bzw. sogar noch gesteigert werden konnten.

Es gab aber auch Probleme. Die zusätzlichen Fahrgäste konnten nur mit Mühe bewältigt werden, Gäste aus der Schweiz nutzten die Freifahrt für einen günstigen Ausflug ins Berggebiet, der Bus wurde auch für kurze Fahrten benutzt, was besonders in Vaduz zu Überfüllungen führte. Es ging mit dem Nulltarif ein Steuerungsinstrument verloren. Dies waren die Hauptgründe, weshalb die Regierung 1988 beschloss, den Versuch einzustellen. Die Probleme nahmen Überhand. Darüber hinaus gab es Probleme mit den grenzüberschreitenden Linien nach Feldkirch, Buchs, Trübbach oder Sargans, da in der Schweiz und Österreich kein Nulltarif galt. Diese Probleme müssten auch bei einer neuerlichen Einführung eines gratis ÖV und somit bei Umsetzung der Petition zuerst genauestens evaluiert und regionale Lösungsmöglichkeiten erarbeitet werden.

Die Autoren des Erlebnisberichtes resümieren: «Als längerfristige Lösung ist der Nulltarif am Beispiel Liechtensteins nicht geeignet.» Über die Gründe, welche zu diesem Ergebnis führen, wird ausgeführt, dass der Nulltarif gar nicht geeignet ist, um die Fahrgäste beim ÖV zu halten. Dies zeige die Fahrgastentwicklung nach Beendigung des Versuchs. Der alleinige Beitrag eines Nulltarifs zur Lösung der Umwelt- und Verkehrsprobleme sei jedoch bescheiden bzw. nur dann spürbar, wenn parallel zum Nulltarif Restriktionen im motorisierten Individualverkehr umsetzbar seien bzw. Infrastruktur eingespart werden könne.

Weiters wird erwähnt, dass in einer wissenschaftlichen Studie vier Nulltarifprojekte analysiert worden seien. Darin sei festgestellt worden, dass bei grösseren Entfernungen es zu einem bedeutenden Umstieg vom PKW-Verkehr kommen könne. Auf Kurzstrecken gewinne der ÖV vielfach vor allem auf Kosten des nicht motorisierten Verkehrs. Nulltarif habe diesbezüglich sogar negative Umwelteffekte.

Die Frage, ob dann noch Nutzen und Ertrag im Gleichgewicht stehen, stellt sich, zumal die Autoren des Ergebnisberichtes unterstreichen, dass der Nulltarif die relativen Preise zu den Radfahrern und Fussgängern verschlechtere. Durch ihn wird Mobilität in Relation zu den restlichen Gütern zu billig, was bis hin zu unerwünschten und auch ineffizienten Auswirkungen auf die räumliche Struktur führen könne. Mit der alleinigen Einführung des Nulltarifs könne die gewünschte Veränderung im Modal-Split nicht erreicht werden. In Bezug auf den Aktivverkehr sei die Wirkung sogar kontraproduktiv. Dies bedeutet nichts anderes, als der Nulltarif den Langsamverkehr und damit den Fahrrad- und den Fussgängerverkehr konkurrenziert. Wollen wir das? Das kann nicht im Sinne des Erfinders sein.

Mit einem Nulltarif werden wir auch den Staatsbeitrag für LIECHTENSTEINmobil massiv erhöhen müssen - und das jährlich. Gemäss Geschäftsbericht 2019 von LIECHTENSTEINmobil betrugen die Einnahmen aus Fahrschein- und Aboverkauf sowie aus der Fahrscheinkontrolle rund CHF 5.6 Mio. 2018 waren es noch rund CHF 5.1 Mio. Sollten wir - wie auch im Mobilitätskonzept 2030 vorgesehen - die Attraktivität von LIECHTENSTEINmobil erhöhen und ihr Angebot erweitern, werden wir nicht umhin kommen, den Staatsbeitrag an LIECHTENSTEINmobil um rund CHF 6 Mio. jährlich zu erhöhen. Dies umso mehr, als die Einsparungen bei den Vertriebskosten gering sind, da für die grenzüberschreitenden Linien weiterhin eine Verkaufsinfrastruktur notwendig sein wird.

Aus all diesen Gründen geht mir die Variante 1 des Petitionärs, ein ständiger gratis ÖV für alle, zu weit. Nutzen und Ertrag stehen nicht im Verhältnis. Zudem könnte es geschehen, dass sich der gewünschte Effekt sogar nachteilig auf den Langsamverkehr auswirkt. Dies würde somit auch zahlreiche Massnahmen des Mobilitätskonzeptes 2030 in Bezug auf den Langsamverkehr in Frage stellen, was nicht zielführend ist.

Interessant ist hingegen die vom Petitionär vorgeschlagene Variante 2 betreffend gratis ÖV zumindest für alle AHV-Bezüger sowie für Schüler, Studenten und Lehrlinge auch am Wochenende, was heute nicht angeboten wird. Für mich wäre dies eine Alternative und zugleich auch zumindest in Bezug auf die Schüler, Studenten und Lehrlinge eine familienpolitische Massnahme. Dies kann man auch vereinfachen, indem man den öffentlichen Verkehr bis zum 18. Lebensjahr gratis zur Verfügung stellt. Das Problem der grenzüberschreitenden Linien und wie dieser in Bezug auf Tarifierung ausgestaltet sein soll, stellt sich aber auch dann.

Doch jede Art des Nulltarifs wird nur die gewünschte Wirkung erzielen, wenn damit auch flankierende Massnahmen einhergehen. Gerade bei AHV-Bezüger wird der gewünschte Effekt ohne Attraktivitätssteigerung nicht erzielt werden können. AHV-Bezüger fahren nicht vermehrt Bus, nur weil er gratis ist, da für sie beispielsweise auch der Fussweg zur nächsten Bushaltestelle oft zu weit sein kann. Wenn wir wollen, dass mehr Leute Bus fahren, muss der Bus zu den Leuten. Wir können nicht von den Leuten erwarten, dass sie teilweise lange Strecken zu Fuss auf sich nehmen müssen, um zur nächsten Bushaltestelle zu gelangen.

In Bezug auf eine gute verkehrstechnische Anbindung spielt oft auch die Zeit, die benötigt wird, um von A nach B zu kommen, bei der Wahl des Verkehrsmittels eine entscheidende Rolle. Der Ausbau des Busangebotes und die Busbeschleunigung inkl. Ausbau von Busspuren sowie die Erweiterung und Harmonisierung des Ortsbusnetzes sind zentral und haben vermutlich den grösseren gewünschten Umsteigeeffekt als die Installation eines Gratisangebotes.

Der nun aber entstehende und teilweise bereits vorhandene Flickenteppich bei den Ortsbussen ist wieder nachteilig. Wir sollten uns schon das Ziel setzen, dass alle Ortsbusse gleiche Grundvoraussetzungen anbieten und der Ortsbus in Vaduz nicht anders organisiert ist als beispielsweise jener in Eschen. Der eine ist Teil von LIECHTENSTEINmobil und kostet, der andere ist selbstständig und kostenlos. Das kann es in einem solch kleinen Land nicht sein und ist auch dem Ziel, mehr Leute zu animieren den ÖV zu benutzen, nachteilig.

Ich werde die Petition an die Regierung überweisen. Sofern sie sich der Petition annimmt, ist es jedoch ökonomisch wie ökologische Effizienter, den Fokus auf die Variante 2 zu richten. Aber auch dann wird es notwendig sein, flankierende Massnahmen bezüglich Attraktivitätssteigerung des LIECHTENSTEINmobil-Netzes zu installieren, um den gewünschten Umsteigeffekt zu erreichen. Ein Ausbau des Angebotes, Massnahmen zur Busbeschleunigung und Busspuren an verkehrstechnisch neuralgischen Orten müssen dann mit der Einführung eines zeitlich beschränkten Gratisbusses für gewisse Altersgruppen einher gehen.