Strahlengrenzwerte versus Anzahl Antennen
Landtagsvotum zur Interpellationsbeantwortung Einführung Mobilfunkstandard 5G
Mit dieser Interpellationsbeantwortung liegt nun ein Dokument vor, welches als Grundlage für die aktuelle und zukünftige Diskussion um die Einführung des Mobilfunkstandards 5G in Liechtenstein dienen kann. Diese Einführung wird in der Bevölkerung bereits diskutiert und diese Diskussion wird sich auch noch verstärken, wenn der Mobilfunkstandard 5G in Liechtenstein dann auch wirklich Tatsache wird. So weit sind wir noch gar nicht; dies im Gegensatz zu unseren Nachbarstaaten. Sowohl in Österreich als auch der Schweiz hat das 5G Zeitalter bereits begonnen, bei uns ist dies noch nicht der Fall.
Mehr noch: Bei uns gibt man sich in Bezug auf einen Zeitplan hinsichtlich der Einführung des Mobilfunkstandards 5G in Liechtenstein bedeckt - sowohl von Seiten der Regierung als auch von Seiten der Telecom Liechtenstein.
In der Interpellationsbeantwortung finden sich hierzu keine konkreten Angaben. Es wird erwähnt, dass die beschlossene Änderung der schweizerischen Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV) noch ins Umweltschutzgesetz übernommen werden müsse. Wann die Regierung dem Landtag diese Gesetzesänderung vorlegen möchte, ist leider nicht zu lesen, weshalb ich die Regierung bitte hierzu und zum Zeitplan allgemein weitere Ausführungen zu machen.
Auch im Geschäftsbericht 2019 der Telecom ist darüber nur zu lesen, dass die technologische Entwicklung besonders rasant sei und ein weiterer Technologieschub bevorstünde. Des Weiteren kann nachgelesen werden:
«Bei der Weiterentwicklung der mobilen Infrastruktur kommt der Telecom Liechtenstein als einziger Liechtensteiner Anbieterin und als Staatsunternehmen im Rahmen der Eignerstrategie eine Art Grundversorgerfunktion zu.»Weitere Verantwortung wird von der Telecom Liechtenstein der Politik unseres Landes und damit auch den Vertretern des Eigners abgeschoben, indem festgehalten wird:
«Für den Aufbau und die Nutzung von 5G müssen jedoch die Rahmenbedingungen neu festgelegt werden, verbunden mit einem gesellschaftlichen und politischen Diskurs, wie dieser auch in den Nachbarstaaten beobachtet werden kann.»Weitere oder auch konkretere Informationen werden auch von der Telecom Liechtenstein nicht vermittelt - zumindest nicht öffentlich. In einem Positionspapier an das Ministerium für Infrastruktur, Wirtschaft und Sport sowie an das Amt für Kommunikation wird die Telecom Liechtenstein schon einiges deutlicher. Fünf Massnahmen werden gefordert und sowie eine koordinative Planungsstelle im Ministerium für Wirtschaft aufgrund unterschiedlicher Zuständigkeiten, inhaltlicher Komplexität sowie der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung gewünscht.
Die Interpellationsbeantwortung gibt einen sehr guten gesamtheitlichen Überblick über die Thematik und sie zeigt die Divergenz zwischen dem wirtschaftlichen und dem gesundheitlichen Aspekt. Dieser ist für mich zentral in dieser Frage.
Denn eines muss man sich bewusst sein: Die Forschung ist noch nicht so weit, um mit 100-prozentiger Sicherheit sagen zu können, dass die 5G-Mobilfunkstrahlung keine Auswirkungen auf die Gesundheit haben werde. Die Forschung ist aber auch noch nicht so weit, um mit 100-prozentiger Sicherheit sagen zu können, dass die 5G-Mobilfunkstrahlung Auswirkungen auf die Gesundheit haben werde. Man weiss es noch nicht, es gibt keine Beweise in die eine oder andere Richtung.
Es gibt wissenschaftliche Studien und Aussagen von renommierten Ärzten, welche vor erhöhtem Krebsrisiko oder anderen gesundheitlichen Folgen warnen. Es gibt wissenschaftliche Studien und Aussagen von renommierten Ärzten, die von keinen gesundheitlichen Folgen ausgehen. Es gibt für die eine wie für die andere Sichtweise keine Beweise und Langzeitstudien. Aber gerade deshalb ist grösste Vorsicht geboten und die Bedenken jener Personen, welche vor gesundheitlichen Folgen warnen, ernst zu nehmen.
Deshalb unterstütze ich die Regierung in ihrem Vorhaben, in Bezug auf Mobilfunkstrahlung weiterhin den Weg zusammen mit der Schweiz zu gehen, zwischen Immissionsgrenzwerten und Anlagegrenzwerten zu unterscheiden und für Orte mit empfindlicher Nutzung ein zweites, höheres Schutzniveau sicherzustellen, was durch die Anlagegrenzwerte erreicht wird. Und deshalb ist es auch richtig - analog zur Schweiz - die Anlagegrenzwerte gegenwärtig nicht zu erhöhen und die Entwicklungen in der Schweiz sorgfältig zu verfolgen und diese mitzugehen.
Diesbezüglich schliesse ich auch die Ausführungen der Regierung hinsichtlich der Beteiligung des in der Schweiz lancierten NIS-Monitorings mit ein und ich unterstütze die geplante Zusammenarbeit. Diese kann wichtig sein, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Mobilfunktechnologie in Liechtenstein und die Einhaltung aller gesetzlichen Vorgaben inkl. Strahlengrenzwerte zu stärken.
«Aufgrund der vorhandenen Faktenlage ist die Regierung der Ansicht, dass mit den derzeit bestehenden Anlagegrenzwerten auch bei der Einführung der neuen Mobilfunktechnologie 5G keine Gefahr für die Bevölkerung durch die Mobilfunkstrahlung besteht», so die Regierung auf Seite 55. Die Regierung erwähnt explizit, dass sie sich bei dieser Bewertung nur auf die vorhandene Faktenlage stützt. Das ist auch richtig so, alles andere wäre gar nicht möglich, da die vorhandene Faktenlage noch zu wenig erforscht ist und sie sich in Zukunft auch wieder verändern kann. Deshalb tun wir gut daran, uns dem Vorgehen in der Schweiz anzuschliessen. Die Schweiz gehört im weltweiten Vergleich vermutlich zu jenen Ländern, welche in Bezug auf Mobilfunkstrahlung dem Gesundheitsaspekt die grösste Beachtung schenken. Deshalb kann es nicht falsch sein, sich an diesen Weg zu koppeln. Der Gesundheitsaspekt ist im Bereich der Mobilfunkstrahlung die wichtigste Komponente und sie muss es auch bleiben.
Doch dieser Weg mit der Schweiz und die momentane Ablehnung einer Erhöhung der Grenzwerte hat auch Nachteile und auch diese müssen klar kommuniziert werden.
Die Folge aus unveränderten Strahlenschutzwerten wird nämlich sein, dass für die Einführung des Mobilfunkstandards 5G mehr Antennen benötigt werden. Gemäss UVEK-Bericht können in der Schweiz leistungsfähige 5G-Netze auch mit den heute geltenden vorsorglichen Anlagegrenzwerten aufgebaut werden, jedoch nur mit einer erheblichen Anzahl neuer Antennenstandorte. Zudem wird aufgezeigt, dass mit einer Erhöhung des vorsorglichen Anlagegrenzwertes leistungsfähige 5G-Netze deutlich kostengünstiger und auch wesentlich schneller realisiert werden könnten. Wenn die Grenzwerte auf dem gleichen Niveau bleiben, ist folglich auch in Liechtenstein mit einer Zunahme von neuen Antennenstandorten zu rechnen, um flächendeckende, leistungsfähige 5G-Netze zu gewährleisten.
Wie viele neue Antennen benötigt werden, könne die Regierung zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Dies sei eine Thematik der technischen Netzplanung, der Standortakquisition sowie der gewünschten bzw. erforderlichen Empfangsabdeckung, welche in der Verantwortung der Mobilfunknetzbetreiber liege. Die Telecom Liechtenstein führt in ihrem Positionspapier hierzu aus, dass 20 zusätzliche Antennenstandorte notwendig würden, wenn Liechtenstein vollständig mit 5G-Services vorsorgt werden soll. Die Kosten für die Telecom Liechtenstein für die Investitionen werden von ihr auf rund CHF 3.6 Mio. beziffert. Die Regierung, welche in ihren Berechnungen die Zahlen des UVEK’s auf Liechtenstein umlegt, käme auf rund 60 Standorte, was einem Anstieg um 38 Antennen entspräche, also einiges mehr als von der Telecom Liechtenstein angegeben. Schade, dass für die Interpellationsbeantwortung das Positionspapier der Telecom Liechtenstein nicht berücksichtigt wurde und nun verschiedene Zahlen kursieren. Weshalb stützte sich die Regierung nicht auf die Ausführungen der Telecom Liechtenstein?
Und nun entsteht aus diesen konträren Grundvoraussetzungen ein Zwiespalt: Strahlengrenzwerte versus Anzahl Antennen
Martin Röösli, Professor für Umweltepidemiologie am Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institut, Leiter der Expertengruppe, die das Bundesamt für Umwelt berät, Mitglied der Arbeitsgruppe Mobilfunk und Strahlung, die vom Bundesrat mandatiert wurde, betonte im August letzten Jahres in einem Interview:
«Ist die Verbindung schlecht, werden sie viel stärker belastet. Will man keine Strahlung im Haus, müsste man das Handy sofort abstellen, sobald man ins Haus kommt. Sonst sucht es ständig nach dem Netz und strahlt relativ stark, wenn die Abdeckung schlecht ist. Bei schlechter Verbindung bekommt man 100 000-mal mehr Strahlung ab.»Diese Aussage bestätigt die Regierung in der Interpellationsbeantwortung auf den Seiten 40ff. Sie betont:
«Die Strahlendosis, welche beispielsweise durch das eigene Handy vom Körper absorbiert wird, liegt in der Regel um einige Grössenordnungen höher als jene, welche durch die sendende Mobilfunkantenne verursacht wird. Gemäss UVEK-Bericht wird die nichtionisierende Strahlung, welcher der durchschnittliche Nutzer ausgesetzt ist, von den körpernahen Endgeräten dominiert. Rund 90 % der nichtionisierenden Strahlung stammt von Handys oder anderen Endgeräten und nicht von den Mobilfunksendeanlagen. […] Eine gute Verbindungsqualität, d.h. ein gutes Empfangssignal beim Empfänger, reduziert die Strahlung beim Handynutzer. Denn je besser die Verbindungsqualität ist, desto geringer ist die aufzubringende Sendeleistung und desto geringer ist damit auch die Strahlungsleistung, die im Kopf oder in anderen Körperteilen absorbiert wird.»Und deshalb resümiert die Regierung auf Seite 56, dass eine aus Mobilfunkantennen sehr gute Verbindungsqualität von zentraler Bedeutung ist, wenn gleichzeitig die auf den Körper wirkende Mobilfunkstrahlung niedrig gehalten werden soll. Dass diese sehr gute Verbindungsqualität mit einer Erhöhung der Strahlengrenzwerte bzw. der Anlagegrenzwerte erreicht werden kann, untermauert die Quadratur des Kreises.
Klar ist, dass etliche Antennen mehr aufgestellt werden müssten, sollten die heute geltenden Grenzwerte beibehalten werden. Dies hätte zur Folge, dass mehr Leute nahe an einer Antenne leben. Mindestens 200 Meter sollte der Sicherheitsabstand für die Einhaltung des Anlagegrenzwertes sein, in der Realität jedoch einiges mehr, da weitere Systeme vom gleichen Standort genutzt werden, was zu einer Vergrösserung des Radius führt. Andererseits findet mit zusätzlichen Antennen vermehrt eine Entlastung an Strahlenbelastung statt, da die Verbindungsqualität besser wird und sich die Strahlenbelastung durch die Endgeräte auf den Körper dadurch reduziert.
Wir können es drehen und wenden wie wir wollen: Die optimale Lösung wird es nicht geben. Der Zwiespalt zwischen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Aspekten wird man nicht auflösen können, er wird bestehen bleiben. Für die einen wird dem gesundheitlichen Aspekt zu wenig Rechnung getragen, für die anderen kommt die wirtschaftliche Bedeutung zu kurz.
Die Wahrheit liegt vermutlich in der Mitte und wird auch nicht als das ‘Non plus ultra’ gelten.
Tatsache ist, dass wir um die Einführung des 5G Standards nicht herumkommen werden, wenn wir in Sachen Kommunikationsinfrastruktur und Standortattraktivität nicht abgehängt werden möchten. Darüber hinaus gilt es festzuhalten, dass wir uns dem 5G-Mobilfunkstandard gar nicht entziehen können. Wie die Regierung schreibt, kommt eine Studie aus dem Jahr 2005 zum Ergebnis,
«dass im liechtensteinischen Talgebiet die Mobilfunkimmission weitgehend vom Ausland dominiert ist und dass selbst ein komplettes Abschalten aller Basisstationen in Liechtenstein die Immission hier nur um ca. 30 % senken würde.»Aus diesem Grunde sei eine Verhinderung von Mobilfunkstrahlung der 5G-Technologie deshalb praktisch nicht möglich oder könne allenfalls nur mit der Bereitschaft der Nachbarstaaten, ihrerseits die Emissionen zu verringern, reduziert werden, so die Regierung auf Seite 78.
Hinsichtlich der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verfügt Liechtenstein als innovatives Industrieland und einer Bevölkerung mit hoher Kaufkraft über beste Voraussetzungen für eine rasche Nachfrage von 5G Services, so die Telecom Liechtenstein in ihrem Positionspapier. Die aktuelle Datennachfrage bestätige dies, werde in Liechtenstein doch aktuell eine jährliche Verdopplung der Datenmenge festgestellt, was auch dem internationalen Trend entspreche. Und deshalb würden sich weder Industrie noch Gewerbe und auch nicht der Finanzdienstleistungssektor die neuen Möglichkeiten, welche sich mit 5G bieten, entgehen lassen wollen.
Die neuen Möglichkeiten, welche sich mit dem Mobilfunkstandard 5G bieten, werden über kurz oder lang zu einer zentralen Frage in Bezug auf die Standortattraktivität des Wirtschaftsstandortes Liechtenstein werden. Wenn wir diesbezüglich konkurrenzfähig bleiben wollen, werden wir eine optimale 5G-Infrastuktur installieren und anbieten müssen.
Denn sie bietet Chancen: beispielsweise als ultra-schnelles mobiles Breitband, beispielsweise als Kommunikation zwischen Maschinen oder beispielsweise als Hoch-Zuverlässigkeitsnetz. 5G wird ein Technologieschritt, der die Wirtschaft verändern wird und wollen wir konkurrenzfähig bleiben, müssen wir diesen Schritt mitmachen - ob wir wollen oder nicht.
Und die von der Regierung in der Interpellationsbeantwortung dargelegten Zahlen belegen, dass eine grosse Mehrheit der Bevölkerung das auch möchte. Die Anschlusszahlen in Liechtenstein liegen per Ende 2019 bei ca. 48'000 aktiven SIM-Karten für Telefonie und Daten, was einer Penetrationsrate von ca. 130 % entspricht. Zusätzlich sind ca. 2'000 Anschlüsse für mobiles Internet (data only) im Umlauf. «Diese Marktzahlen zeigen deutlich auf, dass die Akzeptanz und die Nachfrage an qualitativ hochwertigen und preisgünstigen Mobilfunkdiensten in Liechtenstein in der breiten Bevölkerung vorhanden sind», so die Regierung.
Diese Entwicklung führt auch dazu, dass sich die in Liechtenstein über die Mobilfunknetze transportierten Datenmengen ca. alle 18 Monate verdoppeln, sodass in absehbarer Zeit die bisherigen Technologien an ihre Grenzen stossen werden und frühzeitig an den Einsatz neuer modernster Technologien gedacht werden muss. Auch dies ein Beleg dafür, dass wir an der Einführung des 5G-Mobilfunkstandards gar nicht umher kommen.
Bei dieser Diskussion ist es von Bedeutung, dass sie sachlich, faktenorientiert und transparent geführt wird. Hierzu gehört auch, auf den Widerspruch hinzuweisen, den die Regierung auf Seite 55f. der Interpellationsbeantwortung beschriebt. Dort kann nachgelesen werden:
«Daraus kann auch der Schluss gezogen werden, dass es in der Bevölkerung grundsätzlich keine substanziellen Vorbehalte gegen Mobilfunk gibt bzw. besteht ein gewisser Widerspruch, wenn ein Grossteil der Bevölkerung auf der einen Seite zu jeder Zeit und an jedem Ort Mobilfunkdienste für private und berufliche Zwecke nutzt und deshalb ihre Endgeräte fast immer in Verwendung hat, aber auf der anderen Seite teilweise Ängste vor der Strahlung bestehen und kaum jemand eine Mobilfunkantenne in seiner privaten Umgebung haben möchte.»
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