Donnerstag, 19. Dezember 2019

Arbeitsgesetz - Wochenarbeitszeit Jugendliche

Wenn ein Amt das Gesetz (über)dehnt


«Die wöchentliche Höchstarbeitszeit beträgt 40 Stunden für jugendliche Arbeitnehmer, die mindestens 15 Jahre aber noch nicht 18 Jahre alt sind.» So steht es in Art. 9 Abs. 1c des Liechtensteiner Arbeitsgesetzes. Das Gesetz sieht auch vor, dass in Ausnahmefällen oder in Fällen, in denen dies durch objektive Gründe gerechtfertigt ist, von der festgelegten wöchentlichen Höchstarbeitszeit abgewichen werden kann. Die Kontrolle darüber liegt beim Amt für Berufsbildung und Berufsberatung, welche die Lehrverträge zu genehmigen und somit die Abweichungen von der Höchstarbeitszeit zu bewilligen hat. Diesbezüglich scheint das Amt mit der Bewilligung von Ausnahmefällen sehr grosszügig umzugehen. Wie die zuständige Regierungsrätin Dominique Hasler bei der Beantwortung meiner Kleinen Anfrage ausführte, wird die gesetzlich vorgeschriebene Höchstarbeitszeit für Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren nur bei 27 Prozent aller Lehrverträge eingehalten. Bei 47 Prozent der Lehrverträge wurde eine höhere Wochenarbeitszeit vereinbart und vom Amt bewilligt. Bei dieser Grössenordnung kann nicht mehr von Ausnahmefällen gesprochen werden. Diese Zahlen belegen, dass das Amt für Berufsbildung und Berufsberatung das Gesetz dehnt, für mich wird es damit überdehnt. Es war sicher nicht im Sinne des Gesetzgebers, dass Ausnahmefälle zur Regel werden und nur noch bei rund einem Viertel aller Lehrverträge mit Jugendlichen zwischen 15 und 18 Jahren die gesetzlich vorgeschriebene Höchstarbeitszeit von 40 Stunden verankert ist.

Diese Entwicklung kommt nicht von ungefähr. Einerseits, weil unser Land darauf achten muss, dass unsere Lehrausbildung dem Abkommen mit der Schweiz über die gegenseitige Anerkennung von Fähigkeitszeugnissen und Berufsattesten der beruflichen Grundausbildung entspricht. Diesbezüglich gibt es ein Regelungsgefälle, schreibt die Schweiz doch eine tägliche Arbeitszeit für Jugendliche von maximal neun Stunden vor, was einer Wochenarbeitszeit von 45 Stunden entspricht. Andererseits, weil die vorgeschriebene wöchentliche Höchstarbeitszeit von 40 Stunden für das Gewerbe zu erheblichen Schwierigkeiten in Bezug auf die betriebsinterne Organisation und Arbeitsabläufe führt. Es kommt nämlich nicht von ungefähr, dass 51 Prozent jener Lehrverträge, welche eine höhere Wochenarbeitszeit als 40 Stunden vorschreiben, mit Gewerbebetrieben abgeschlossen wurden.

Die Lösung eines solchen Problems sollte es nicht sein, das Gesetz einfach zu überdehnen und gesetzlich vorgeschriebene Ausnahmefälle zur Regel zu machen. Dies widerspricht dem vom Gesetzgeber vorgesehen Schutz von Jugendlichen, zumal sie auch noch für ihre Lehre ausserhalb des Lehrbetriebs viel Zeit aufwenden müssen. Sollte eine gesetzliche Vorgabe nicht mehr zeitgemäss sein und zu Umsetzungsproblemen führen, hat die Regierung das Heft in die Hand nehmen und Gesetzesanpassungen vorschlagen, mit welchen die bekannten Probleme ausgemerzt oder zumindest gemindert werden. So könnten zum Beispiel für Lehrlinge die Kompensationsregelungen von Überzeit grosszügiger ausgestaltet werden oder eine etwaige höhere Wochenarbeitszeit mit ausgeweiteten Ferienansprüchen kompensiert werden. Das Dreiecksverhältnis - Schutz der Jugendlichen, internationale Anerkennung des Lehrabschlusses, optimale Rahmenbedingungen für Lehrbetriebe - ist aus dem Lot geraten. Höchste Zeit, dass Regierungsrätin Dominique Hasler dafür sorgt, dass es wieder ins Gleichgewicht gerät, zum Vorteil aller Beteiligten.

Donnerstag, 5. Dezember 2019

Gemeindegesetz - Abschaffung Grundmandatserfordernis bei der Reststimmenzuteilung

Stärkung der direktdemokratischen Rechte

Landtagsvotum zur Abschaffung des Grundmandatserfordernisses für die Reststimmenzuteilung bei Gemeindewahlen

Ich danke der Regierung für ihren Bericht und die Umsetzung der Motion der Freien Liste, mit welcher Art. 78 Abs. 4 des Gemeindegesetzes aufgehoben werden soll, womit das Grundmandatserfordernis bei der Reststimmenzuteilung abgeschafft würde.

Ich habe mich im Rahmen der Landtagssitzung von Oktober 2018, als die Freie Liste dieses Ansinnen bereits im Rahmen einer 2. Lesung beantragte, positiv zu diesem Ansinnen und zur Abschaffung des Grundmandatserfordernisses bei der Reststimmenzuteilung geäussert. Ich lehnte diesen Antrag damals nur wegen des von der Freien Liste gewählten Vorgehens ab. Es sollte nicht im Rahmen einer 2. Lesung quasi als Querschuss behandelt und eingeführt werden, sondern im ordentlichen Verfahren mittels neuer Motion und mit einer Vernehmlassung, damit den Gemeinden die Möglichkeit einer Stellungnahme gegeben werden kann. Dies ist nun geschehen.

Ich bin nach wie vor für die Abschaffung des Grundmandatserfordernisses bei der Reststimmenzuteilung und somit für die Aufhebung des Art. 78 Abs. 4 des Gemeindegesetzes, weshalb ich für Eintreten auf die Vorlage bin.

Mit der heute gültigen Regelung besteht meines Erachtens ein Demokratiedefizit. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es immer wieder vorkam, dass mehr als 10 Prozent der abgegebenen Stimmen durch das Raster fielen. Teilweise waren es weit mehr als 10 Prozent, wie das Ergebnis von Balzers 2015 zeigt, wo 16 Prozent der Wählerstimmen bei der Mandatsverteilung unberücksichtigt blieben. Das sind für mich zu hohe Zahlen, die belegen, dass das Ansinnen, welches die Freie Liste beantragte, seine Berechtigung hat. Schliesslich geht es nicht darum, das Grundmandatserfordernis gänzlich in Frage zu stellen, sondern ausschliesslich bei den Reststimmen auch jene Parteien zu berücksichtigen, welche kein Grundmandat erringen konnten. Dieses Ansinnen scheint mir gerechtfertigt zu sein. Es kommt für mich einer Stärkung der direktdemokratischen Grundordnung gleich.

Es gilt nämlich auch zu berücksichtigen, dass die heutige Regelung aus einer Zeit stammt, welche mit den derzeitigen politischen Gegebenheiten nicht vergleichbar ist. Es stammt aus einer Zeit, als die Freie Liste in den Kinderschuhen steckte und es neben der FBP und der VU keine weiteren Parteien gab. Mit dieser geplanten Streichung des Art. 78 Abs. 4 des Gemeindegesetzes reagieren wir auch auf die neue politische Landschaft in unserem Land, weshalb auch deshalb dieses Ansinnen seine Berechtigung hat.

Die Regierung legt in ihrem Bericht auf den Seiten 15 und 16 dar, welche Argumente für und welche gegen Sperrklauseln sprechen.

Für Sperrklauseln spreche ein möglichst hoher Demokratiestandard bei der Umsetzung des Wählerwillens. Der Wählerwille soll möglichst unverfälscht zum Ausdruck kommen und die Vertretung möglichst proportional zu den Wähleranteilen der verschiedenen Parteien ausfallen. Jede Stimme soll das gleiche Gewicht haben, und somit den gleichen Erfolgswert.

Gegen die Sperrklausel spreche die Gefahr der Zersplitterung des Parteiensystems. Damit sei die Gefahr verbunden, dass das politische System dem Anspruch einer möglichst optimalen Leistung gerecht werden könne. Es werde vor dem Aufkommen von ideologisch extremen Klein- oder Regionalparteien gewarnt.

Weshalb die Regierung in ihrem Bericht diesbezüglich von einer Sperrklausel spricht, kann ich nicht nachvollziehen. Wir schaffen mit der Streichung von Art. 78 Abs. 4 des Gemeindegesetzes keine Sperrklausel ab, wir schaffen auch das Grundmandatserfordernis an sich nicht ab, sondern streichen nur das Grundmandatserfordernis bei der Reststimmenzuteilung. Ein kleiner, aber bedeutender Unterschied, der nicht mit einer Abschaffung einer Sperrklausel gleichgesetzt werden kann.

Bei Gemeindewahlen gibt es keine Sperrklauseln im eigentlichen Sinn, dies im Unterschied zu den Landtagswahlen. Dort müssen 8 Prozent der Stimmen erreicht werden, um ins Parlament einzuziehen. Deshalb dürfen meines Erachtens die beiden Wahlverfahren für die Gemeindewahlen und die Landtagswahlen nicht zusammen in einen Topf geworfen werden. Sie sind nicht vergleichbar. Für mich bedeutet die Zustimmung zur Abschaffung des Grundmandaterfordernisses für die Reststimmenzuteilung noch lange nicht, dass ich einer generellen Abschaffung des Grundmandaterfordernisses bei Gemeindewahlen bzw. einer Senkung oder gänzlichen Abschaffung der 8-Prozent-Sperrklausel bei Landtagswahlen zustimmen würde. Das eine hat für mich mit dem anderen nichts zu tun, weshalb ich auch nicht der Vaterländischen Union (VU) zustimmen kann, welche in ihrer Vernehmlassungsstellungnahme von Salamitaktik spricht, um auf allen Ebenen die Sperrklauseln zu senken oder gar ganz abzuschaffen.

Die Regierung hat in ihrem Bericht aufgezeigt, dass die Bedenken einer zu starken Zersplitterung des Parteiensystems jeder Grundlage entbehren. Sie weist aus, dass es bei den letzten drei Gemeindewahlen nur drei Sitzverschiebungen gegeben hätte, wenn das Grundmandatserfordernis bei der Reststimmenzuteilung bereits abgeschafft gewesen wäre. Somit zeigt sich, dass die Auswirkungen zahlenmässig marginal sind. Und deshalb sehe ich die Gefahr einer Zersplitterung des politischen Systems, welche nachteilig auf die politische Arbeit sein soll, nicht.

Auch wenn die Abschaffung des Grundmandatserfordernisses bei der Reststimmenzuteilung zahlenmässig marginal ist, so ist sie in Bezug auf die Demokratiestandards nicht marginal. Die Abschaffung des Grundmandatserfordernisses bei der Reststimmenzuteilung stärkt die Demokratie. Das Argument der Gegner, die das Aufkommen von ideologisch extremen Kleinparteien, die darüber hinaus je nach weiterer Sitzverteilung im Gemeinderat die entscheidende Stimme beziehungsweise das Zünglein an der Waage bei Gemeinderatsbeschlüssen sein können, scheint mir ein eigenartiges Demokratieverständnis zu sein. Opposition gehört zum politischen System dazu, sie ist wichtig für die demokratische Grundordnung. Ich finde es nicht richtig über ein Wahlsystem zu versuchen, die Opposition klein zu halten. So argumentiert nur jemand, der Angst vor zu grosser politischer Konkurrenz hat. Doch politische Konkurrenz schadet nicht dem politischen Prozess und auch nicht der Meinungsbildung, sondern fördert sie. Meinungsvielfalt ist kein Ärgernis, sondern der Grundpfeiler jeder demokratischen Grundordnung.

Und extreme Kleinparteien entstehen nicht durch Wahlgesetze und Wahlsysteme, sondern wegen einer Politik, die von der Bevölkerung nicht mehr getragen wird. Bevor man versucht, über das Wahlsystem solchen Parteien den Einzug in einen Gemeinderat zu verwehren, sollte man sich mit der eigenen Politik auseinandersetzen. In der Folge führt Ausgrenzung nämlich nur dazu, dass solche Extremparteien nur noch stärker werden. Es gibt genügend Beispiele im Ausland, die uns das plakativ vor Augen führen. Glücklicherweise haben wir dieses Problem in Liechtenstein nicht und ich bin optimistisch, dass dies noch lange so bleiben wird.

Und wenn es dazu käme, dass ein Vertreter einer Kleinpartei in einem Gemeinderat das Zünglein an der Waage sein sollte, dann gilt es eben auch auf kommunaler Ebene Koalitionen zu bilden, was beispielsweise in Österreich oder Deutschland gang und gäbe ist. Nur weil man Koalitionen auf kommunaler Ebene bei uns nicht oder noch nicht kennt, sind sie nichts Verwerfliches. Auch solche gehören zur Demokratie einfach nur dazu.

Einige Ausführungen der Vernehmlassungsstellungnahme der Vaterländischen Union sind für mich höchst fragwürdig. Es sieht die zentrale Absicht der Motionäre darin, sich selbst einen Vorteil vom System verschaffen zu wollen. Ich muss hier keine Lanze für die Freie Liste brechen, aber wenn dies ein Argument ist, würde das auch im Umkehrschluss gelten. Wenn man nämlich die Argumentation der ablehnenden Haltung der VU heranzieht, hätte sie ebenfalls die zentrale Absicht, sich einen Vorteil vom System zu verschaffen, indem es versucht, Kleinparteien den Einzug in einen Gemeinderat zu erschweren, um sich selbst mehr Sitze zu ermöglichen. Nicht mehr und nicht weniger. Dieser Vorwurf an die Motionäre ist auch deshalb für mich bedenklich, da die VU in ihrer Stellungnahme selbst schreibt, dass «die Argumente für die Beseitigung des Grundmandatserfordernisses zum Teil nachvollziehbar sind». Wenn man selbst erkennt, dass es Argumente gibt, die für dieses Ansinnen sprechen, sollte man einen solchen Vorstoss akzeptieren und respektieren und nicht der betreffenden Partei Vetternwirtschaft vorwerfen. Ob wir der Politik unseres Landes einen Gefallen tun, wenn wir bei politischen Vorstössen nur Eigeninteresse als Antrieb sehen und uns der Vetternwirtschaft bezichtigen, darf bezweifelt werden. Es ist eher der Politikverdrossenheit zuträglich.

Im Rahmen der Debatte zur Überweisung der Motion hat der DU-Abgeordnete Harry Quaderer in den Raum gestellt, dass die Abschaffung des Grundmandatserfordernisses bei der Reststimmenzuteilung einer Volksabstimmung zugeführt werden soll. Sofern die Vorlage eine Mehrheit findet und er nach der 2. Lesung diesen Antrag stellt, könnte ich diesem Vorhaben einiges abgewinnen. Ich bin grundsätzlich der Meinung, bedeutende Änderungen beim Wahlsystem einer Volksabstimmung zuzuführen. Das Volk soll selbst entscheiden, wie das Wahlsystem ausgerichtet sein soll. Ein solcher Antrag macht für mich auch deshalb Sinn, da dieses Vorhaben in diesem Haus - das zeigt ja unter anderem auch die Stellungnahme der VU - alles andere als unbestritten ist und auch schon die Motion mit nur 14 Stimmen überwiesen wurde. Wenn wir in diesem Haus diese Änderung des Wahlsystems auf Gemeindeebene so differenziert bewerten und uns alles andere als einig sind, stellt es für mich eine Möglichkeit dar, das Volk den endgültigen Entscheid fällen zu lassen. Es geht nicht um irgendein Gesetz, es geht um nichts weniger als eine nicht unerhebliche Abänderung des Wahlsystems bei Gemeindewahlen und dies bedingt hohe Sensibilität.

Mittwoch, 4. Dezember 2019

Strassenverkehrsgesetz - Einführung Tempo 40 generell

Einführung von 'Tempo 40 generell' bedeutet mehr Pragmatismus und Sicherheit

Landtagsvotum zur Einführung von 'Tempo 40 generell' auf Liechtensteiner Strassen

Der Antrag des stellvertretenden Abgeordneten Rainer Beck wäre nicht notwendig gewesen, hätte die Regierung dem während der 1. Lesung von verschiedenen Abgeordneten geäusserten Wunsch Rechnung getragen, die Strassensignalisations- und die Verkehrsregelnverordnung abzuändern, damit die Signalisation ‘Tempo 40 generell’ rechtlich wieder zulässig wäre. Dies wäre auch nichts neues gewesen, gab es diese Möglichkeit doch bereits bis ins Jahr 2012. Vor rund sieben Jahren änderte die Regierung die Verordnungen derartig ab, dass die Signalisation ‘Tempo 40 generell’ rechtlich nicht mehr zulässig war. Dies mit der Begründung der Rechtsanbindung an die Schweizer Gesetzgebung. Diese Rechtsanbindung an die Schweiz, scheint mir mehr ein Scheinargument zu sein und nur gerade dort angewendet zu werden, wo es der Regierung zu pass kommt. Die abweichende Regelung in Bezug auf den Promillegrenzwert führt das Argument der Regierung betreffend Rechtsanbindung an die Schweiz eigentlich ad absurdum.

Diesbezüglich gilt es zu betonen, dass es bei diesem Antrag des stv. Abgeordneten Rainer Beck nicht darum geht, ob die Signalisation der Höchstgeschwindigkeit Tempo 40 in Liechtenstein erlaubt werden soll oder nicht. Tempo 40 ist in Liechtenstein auf Antrag erlaubt und - wie es die Regierung in der Beantwortung meiner Kleinen Anfrage von Dezember 2018 ausführt - es wird punktuell auf Gemeindestrassen auch signalisiert. In Triesen ist die Runkelstrasse und die Strasse Gässle, in Vaduz der Streckenabschnitt vor dem Schwimmbad Mühleholz und in Gamprin Abschnitte der Strasse Badäl mit der Höchstgeschwindigkeit Tempo 40 signalisiert. Auch Planken könnte Tempo 40 als Höchstgeschwindigkeit signalisieren, wie die Regierung in der Beantwortung der Kleinen Anfrage bestätigt. Sollte Planken dies wollen, müssten allerdings 36 Signalisationstafeln ‘Tempo 40’ aufgestellt werden. Es entstände ein Schilderwald.

Es geht bei diesem Antrag des stv. Abgeordneten Rainer Beck also nicht um die Einführung von Tempo 40. Es geht um zweierlei:

1.) Um die Art der Bewilligung zur Signalisation von Tempo 40. Sollen die Gemeinden weiterhin Bittsteller sein und ausschliesslich vom Goodwill des Amtes für Bau und Infrastruktur abhängig sein oder sollen sie zwar auf Antrag aber auch in Absprache und somit in Zusammenarbeit - also gemeinsam - festlegen können, wo Tempo 40 signalisiert wird?

2.) Soll die Möglichkeit eingeführt werden, dass ‘Tempo 40 generell’ signalisiert werden kann oder nicht; also ob mit einer Signalisationstafel - und nicht mit 36 wie es in Planken der Fall wäre - kenntlich gemacht werden darf, dass in einem Gebiet bzw. Quartier die Höchstgeschwindigkeit Tempo 40 gilt. Es geht also auch darum, ob man bei Tempo 40 jene Signalisationsart umsetzen kann, welche es bei Tempo 50 bereits gibt und bei Tempo 30 ähnlich zur Anwendung kommt.

Es geht also um Pragmatismus und auch um die Verhinderung eines Schilderwaldes. Es ist schon interessant festzustellen, dass die Regierung in ihrem Bericht zum Beitritt zu diversen Strassenverkehrsabkommen, welchen wir unter Traktandum 21 in Behandlung ziehen werden, unter anderem ein Vorteil in Bezug auf das Genfer Abkommen darin sieht, dass ein Schilderwald verhindert wird. Auf Seite 26 des Berichtes zu den Strassenverkehrsabkommen kann nachgelesen werden: «Die Zahl der anerkannten Zeichen ist auf das Nötigste zu beschränken und sie sind nur dort anzubringen, wo sie unentbehrlich sind.» Nichts anderes bezweckt der stv. Abgeordnete Rainer Beck mit seinem Antrag.

Positiv finde ich, dass der stv. Abgeordnete Rainer Beck seinen Antrag so formuliert hat, dass er nicht einer Ausnahmebewilligung für die Gemeinde Planken gleichkommt, sondern für alle Gemeinden des Landes Gültigkeit bekommt. Damit wird nicht nur verschiedenen Voten der 1. Lesung Rechnung getragen, sondern auch der Wunsch der Gemeinden berücksichtigt. Somit handelt es sich beim heutigen Antrag nicht um ein ‘Lex Planken’, sondern in etwa um die Rückkehr zur Bestimmung, wie sie bis ins Jahr 2012 galt. Der Unterschied ist nur, dass nun ins Gesetz geschrieben werden soll, was bis 2012 auf Verordnungsstufe geregelt war. Da die Regierung es ablehnt, die Verordnung dementsprechend anzupassen, bleibt nichts anderes übrig, als die Gesetzesbestimmung zu ändern.

Mit diesem Antrag wird keine Gemeinde gezwungen, ihre signalisierte Höchstgeschwindigkeit auf den Gemeindestrassen abzuändern. Die Festsetzung der Höchstgeschwindigkeit auf den Gemeindestrassen erfolgt auf Antrag und in Absprache, also in Zusammenarbeit. So wie es sich gehört und wie es sein sollte. Die Gemeinden, welche punktuell Tempo 40 signalisieren möchten, sollen nicht mehr Bittsteller sein und auf den Goodwill des Amtes für Bau und Infrastruktur angewiesen sein, sondern in partnerschaftlicher Art und Weise die gewünschte Tempo 40 Signalisation umsetzen können.

Die Regierung begründet ihre ablehnende Haltung zur Abänderung der Verordnungen mit Sicherheitsaspekten und, dass Tempo 30 diesbezüglich höhere Sicherheit gewähre als Tempo 40. Das mag im Vergleich zu Tempo 50 stimmen. Doch fakt ist auch, dass Tempo 30 in der Bevölkerung nicht akzeptiert ist. Dies haben auch schon Volksabstimmungen zu Tage gebracht. Beispielsweise in Ruggell: 64.2 Prozent für Beibehaltung von Tempo 50 auf Quartierstrassen. Beispielsweise in Schellenberg: 73 Prozent gegen Tempo 30 auf Quartierstrassen. Gemeinderäte sehen dieses Akzeptanzproblem und haben dementsprechend ablehnende Beschlüsse gefällt. Beispielsweise der Gemeinderat von Triesen, er lehnte flächendeckende Tempo-30-Zonen ab; beispielsweise jener von Schaan, der Tempo 30 auf Gemeindestrassen verwarf.

Im Rahmen der Vernehmlassung haben sich die Gemeinden für eine Kompromisslösung Tempo 40 ausgesprochen. Gemeindevorsteherin Maria Kaiser-Eberle aus Ruggell fasst es in der Stellungnahme zur Vernehmlassung ihrer Gemeinde fundiert zusammen. Sie schrieb: 
«Der Wunsch der Bevölkerung nach geringeren Tempi als 50 ist allenorts zu hören. Diese Anliegen werden in erster Linie an die Gemeinden herangetragen und im Gemeinderat erörtert. Tempo 30 als Alternative zu Tempo 50 stösst jedoch nicht auf die notwendige Akzeptanz. Hier ist ein Mittelweg zu finden, für welchen sich Tempo 40 geradezu anbietet:
  • Tempo 40 wird akzeptiert. Es ist ein geeigneter Mittelweg zwischen dem zu hohen Tempo 50 und dem als zu tief empfundenen Tempo 30.
  • Tempo 40 senkt das Unfallrisiko
  • Tempo 40 senkt die Verletzungsgefahr bei dennoch passierenden Unfällen sowie die Schwere der dabei entstehenden Verletzungen.
Aus partnerschaftlicher Sicht sollten künftig die Gemeinden als Hauptbetroffene nicht mehr Antragsteller, was oft mit Bittsteller gleichgesetzt wird, sein. Die Gemeinden und die Regierung, in deren Vertretung das Amt für Bau und Infrastruktur, sollen gemeinsam die Tempi auf den Gemeindestrassen festlegen, egal ob Tempo 30, 40 oder 50. Die Gemeinden, welche sich für die Sicherheit ihrer Einwohner und die Wohnlichkeit der Quartiere einsetzen, sollen als gleichberechtigte Partner fungieren», so die Gemeindevorsteherin von Ruggell.
Wenn schon dem Sicherheitsaspekt grosse Bedeutung bei dieser Frage zuerkannt werden soll - was zweifelsohne auch richtig ist - dann sollte man doch auch die aktuellen Gegebenheiten in Betracht ziehen. Und diese sagen nun Mal, dass Tempo 30 in der Bevölkerung nicht akzeptiert wird und in Bezug auf die Sicherheit Tempo 40 gegenüber Tempo 50 einige Vorteile zuerkannt werden. Der Mittelweg ist kein «fauler Kompromiss», wie es die Regierung auf Seite 9 ihres Berichtes schreibt, sondern es ist ein sinnvoller Kompromiss im Sinne der Akzeptanz in der Bevölkerung aber auch im Sinne einer erhöhten Sicherheit.

Die Vorteile dieses Antrags überwiegen. Es gibt keinen Grund, eine Tempo-30-Zone, welche mit Ausnahme von optischen Anpassungen in etwa einer Signalisation ‘Tempo 30 generell’ gleichgesetzt werden kann, und eine ‘Tempo 50 generell’-Signalisation zuzulassen, aber eine ‘Tempo 40 generell’-Signalisation zu verbieten. Wenn Tempo 40 schon erlaubt ist, dann soll es auch ‘Tempo 40 generell’ geben, wie es bei anderen Höchstgeschwindigkeiten bereits praktiziert wird.

Deshalb werde ich dem Antrag des stv. Abgeordneten Rainer Beck zustimmen. Da die Regierung eine Abänderung der Verordnung ablehnt, bleibt nichts anderes übrig, als über das Gesetz dem Wunsch der Bevölkerung und der Gemeinden Rechnung zu tragen und Pragmatismus walten lassen.